Wirtschaft

"Lebensmittel werden ein knappes Gut"

Die Bio-Pionier-Marke „Ja! natürlich“ feiert 2014 ihr 20-Jahr-Jubiläum. Martina Hörmer, bei Rewe für die Eigenmarken verantwortlich, über Veganer-Trend und „Wunderlinge“.

KURIER: Was war 2013 der größte Trend am Lebensmittelmarkt?

Martina Hörmer: Bei den Jungen gibt es einen Trend zu weniger Fleisch. Der letzte Schrei ist sicherlich „vegan“ (ohne Produkte vom Tier, also auch ohne Milch und Ei). Wir haben dazu eine eigene Marke „Vega Vita“, die es mittlerweile im 12. Jahr gibt. Natürlich ist es nur eine Nische: Ein bis zwei Prozent der Bevölkerung essen vegan.

Marken sind auch im Lebensmittelbereich wichtiger geworden: Welche entwickeln sich schneller – Billigmarken oder Luxus?

Clever ist sehr stark unterwegs, gleichzeitig boomt das hochpreisige Segment, wo auch die Frage der Regionalität eine Rolle spielt.

Zählt am österreichischen Lebensmittelmarkt der Preis nicht mehr als alles andere?

Der Preis ist schon ein sehr starkes Argument. Andererseits gibt es einen parallelen Trend, wo Kunden stärker auf ethische Kriterien achten.

Es gibt in Österreich eine besonders hohe Handelskonzentration im Lebensmittelbereich, Rewe hat eine marktbeherrschende Position. Bauern klagen, dass man ihnen die Preise diktiert.

Dem ist nicht so. Lebensmittel werden künftig ein knappes Gut sein. Bauern können exportieren, die Preise am Markt steigen bereits.

Aber die heimischen Bauern sind doch vorwiegend auf den lokalen Markt angewiesen.

Es wird sehr viel exportiert, etwa bei Fleisch.

Warum müssen österreichische Konsumenten mehr für Lebensmittel bezahlen als deutsche?

Weil wir stark auf heimische Produkte setzen, weil unsere Produktionsbetriebe klein strukturiert sind, und weil wir eine breite Palette bieten: von ganz billigen Waren bis zum Luxussegment. Außerdem haben wir nach Norwegen die zweithöchste Filialdichte in ganz Europa.

Wir sind nicht nur overbanked?

Es findet sicher ein gewisser Verdrängungswettbewerb statt. Das hat für den Kunden aber auch Vorteile: Sie können fast überall zu Fuß einkaufen. In England müssen Sie oft weit fahren.

Filialabbau wie bei den Banken wird es nicht geben?

Ist nicht im Gespräch. Nicht vergessen sollte man, dass wir nur noch 12 bis 13 Prozent unseres verfügbaren Einkommens für Lebensmittel ausgeben. Vor ein paar Jahrzehnten lag das noch bei 20 bis 30 Prozent. Wir sind nicht mehr so nah an der Natur und vergessen oft den Wert von Lebensmitteln.

Bei Brot hat sich mehr Qualitätsbewusstsein durchgesetzt als bei Fleisch, oder?

Nein, das kann ich nicht bestätigen. Ein „Ja natürlich“-Hendl kostet sicher das Doppelte bis Dreifache eines normalen Huhns. Und trotzdem haben wir eine treue Klientel, die wissen, sie kriegen ein besseres Huhn, weil es besser gefüttert und gehalten ist. Die Sensibilität für Tierhaltung ist gestiegen. Da ist man schon bereit, mehr auszugeben.

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Sie kooperieren seit zwei Jahren mit den Vier Pfoten. Wie anstrengend ist das?

Naja, es ist ein gegenseitiges Lernen. Dabei lernen sie von uns, was in der Landwirtschaft umsetzbar ist.

Wie läuft es mit den „Wunderlingen“ – Gemüse, das nicht der Norm entspricht, aber trotzdem verkauft wird?

Die haben eingeschlagen, das hat den Nerv der Zeit getroffen und darauf bin ich wirklich stolz. Darüber wurde in Medien bis nach Holland berichtet. Im Regal gibt es jetzt Kartoffel mit „Kindeln“ – das sind kleinen Auswüchse –, gewundene Karotten und kleine Äpfel zum Beispiel, weil der Sommer heuer trocken war. In der Landwirtschaft wächst nicht alles, wie man es plant.

Ist das nicht dennoch ein Marketinggag? Die Produkte werden ja nicht weggeworfen, sondern weiterverarbeitet.

Doch, Kartoffeln werden zum Beispiel eingeackert.

Wie wichtig ist Marketing?

Wichtig – der Name soll auch Programm sein. „Wunderlinge“ schafft ein Bild, das aufgeht. Die beste Idee mit schlechtem Namen kann nichts werden. Die Kunst des Marketings ist es, den Kunden ins Herz zu treffen.

Wie viele Heiratsanträge hat eigentlich der „Ja! natürlich“-Bauer bekommen?

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Unzählige, weil er so fesch ist (lacht).

Und wie viele Generationen von Bioschweinderl aus dem Spot gibt es schon?

Wir sind im achten Jahr, pro Jahr brauchen wir drei Schweinderl, die übrigens alt werden dürfen.

Wird mit „Bio“ nicht auch viel Schindluder getrieben?

Ja, es gibt Trittbrettfahrer, weil man damit Geld verdienen kann. Unsere Kunst ist es, sich abzugrenzen und sauber zu arbeiten.

Warum, glauben Sie, sinkt die Zahl der Vorzeigefrauen in der heimischen Wirtschaft?

Verantwortung ist anstrengend. Junge sagen oft, dass sie sich das nicht antun wollen – Mädchen häufiger als Burschen. Es geht ihnen öfter um Selbstverwirklichung als um Ehrgeiz. Sehr häufig höre ich das Wort „Auszeit“.

Ist das jetzt die „Generation Hängematte“?

Sie sind anders, weniger aufstiegsorientiert. Firmen sind aber auch oft sehr männerorientiert.

Als Präsidentin der International Advertising Association (IAA) haben sie 2012 den Spruch „Mut statt Wut“ mit Promis plakatiert. Das wäre auch jetzt kein schlechter Spruch.

Ja, wir müssten die Kampagne eigentlich aktivieren – dafür bräuchten wir aber Sponsoren. Dieses Land kann viel, es hat viel, aber wir sind leider Raunzer.

Zur Person: Martina Hörmer

Die Handelswissenschafterin ist langjähriger Profi im Lebensmittelbereich und seit 2002 für Rewes Eigenmarkenabteilung zuständig.

„Ja! Natürlich“ gibt es bereits seit 1994, seit mehr als sieben Jahren wird die umsatzstarke Marke mit Bauer und Schweinderl beworben. Der „Bio-Pionier“ passt zur Strategie von Rewe, die auf „Nachhaltigkeit“ setzt. Zur Gruppe gehören Billa, Merkur, Penny, Bipa, Adeg . Sie führen u. a. die Billigmarke „Clever“ sowie neuerdings im höher preisigen Segment „Billa Corso“.

Bilder: Die teuersten Lebensmittel der Welt

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