IV-Chef: "Netto mehr in der Geldbörse"
Von Anita Staudacher
Lohn- und Einkommensteuer senken, Konsumsteuern anheben, Lohnnebenkosten drücken und Sozialstaat abbauen: So lässt sich grob formuliert das neue Steuerkonzept der Industriellenvereinigung (IV) zusammenfassen. Mit einer Vereinfachung des bisherigen, „unfairen und intransparenten“ Steuersystems will die IV den Faktor Arbeit entlasten und so das Wachstum ankurbeln: „Wir wollen, dass allen Menschen netto mehr in der Geldbörse bleibt“, betonte IV-Präsident Georg Kapsch bei der Vorstellung des Reformpapiers.
Größter Entlastungsposten ist eine Systemänderung bei der Lohn- und Einkommensteuer. Durch die Senkung der bisherigen Steuersätze bliebe den Steuerzahlern 8,4 Milliarden Euro mehr in der Geldbörse, errechneten die Experten von IHS und dem Wirtschaftsforschungsinstituts EcoAustria. Konkret schlägt die IV ein Fünf-Stufen-Modell von zehn bis 50 Prozent vor (siehe Grafik) .
Davon profitieren würden vor allem mittlere und höhere Einkommen. Der Spitzensteuersatz käme erst ab 100.000 Euro Jahresbrutto zur Anwendung. Der Eingangssteuersatz soll zwar von 36,5 auf 10 Prozent sinken, dafür aber für mehr Personen gelten als bisher.
Mehr Steuerzahler
Derzeit zahlen rund 2,7 Millionen Personen gar keine Lohnsteuer, weil sie weniger als 11.000 Euro im Jahr verdienen. Beim IV-Modell liegt diese Steuerfreigrenze bei 9280 Euro, dem Niveau der Bedarfsorientierten Mindestsicherung. Jeder der mehr verdient, müsste daher Lohnsteuer zahlen. Das träfe zusätzlich 180.000 Niedriglohn-Bezieher, die meisten davon Frauen. Zur Entlastung der Unternehmen soll ein Großteil der Lohnnebenkosten gesenkt bzw. einzelne Abgaben ganz gestrichen werden.
Die Steuer- und Abgabensenkungen sollen durch Strukturreformen im Gesundheits- und Pensionssystem, sowie durch eine höhere Besteuerung des Konsums gegenfinanziert werden. Die Anhebung des Normalsteuersatzes von 20 auf 22 Prozent und des begünstigten Steuersatzes von zehn auf elf Prozent würde 2,5 Milliarden Euro an Mehreinnahmen bringen. „Konsumsteuern wirken sich nicht negativ auf das Wachstum aus“, so IV-Generalsekretät Christoph Neumayer. Um die zusätzliche Steuerbelastung für Niedriglohn-Bezieher auszugleichen, soll die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel von zehn auf fünf Prozent gesenkt werden. Allerdings soll gleichzeitig die Anzahl der Produkte mit ermäßigten Steuersatz wie (Pflanzen, Tierfutter) reduziert werden, was den Spareffekt deutlich mindert.
Mogelpackung
Die Gewerkschaft begrüßt zwar die Absicht, den Faktor Arbeit steuerlich zu entlasten, hält das IV-Konzept aber für eine Mogelpackung. Durch die Anhebung der Mehrwertsteuer müssten die Arbeitnehmer ihre Steuerentlastung selbst finanzieren, so GPA-djp-Chef Wolgang Katzian. Die Geringverdiener würden nicht nur unter hohen Lebensmittelpreisen leiden. ÖGB-Chef Erich Foglar kritisiert, dass die niedrigsten Einkommen zusätzlich belastet, die höchsten aber entlastet würden.