Wirtschaft/Immo

Wiener Wolkenkratzer: Der neue Höhenrausch

Schon von Weitem ist das große Baufeld bei der Donaumarina am Wiener Handelskai zu sehen. Bagger heben Erde aus, ein Kran steht bereit. Am Bauzaun hängen die Logos der beteiligten Baufirmen. Nur ein kleines Werbeplakat gibt einen Hinweis, was auf dem 3600 Quadratmeter großem Grundstück entsteht: der Marina Tower, der mit rund 130 Metern höchste Wohnturm Wiens. „Der Weitblick vom Haus wird sensationell“, sagt Andreas Holler vom Wohnunternehmen Buwog.

In der Bundeshauptstadt entsteht derzeit eine neue Generation an Hochhäusern, vor allem Wolkenkratzer zum Wohnen. Projekte wie der Marina Tower, Triiiple am Donaukanal, The Marks in St. Marx und Hoho in der Seestadt Aspern werden die Skyline Wiens nachhaltig ändern. „Da Bauland knapp ist, sind Hochhäuser eine ideale Möglichkeit, um auf wenig Fläche mehr Wohnraum zu schaffen“, sagt Helga Mayer, Chefin der immo 360 grad, eine Tochterfirma des Österreichischen Siedlungswerk (ÖSW).

Immobilienexperten sprechen bereits vom neuen Segment der „Wohntürme“. In den nächsten Jahren kommen Hunderte Wohnungen in Turmprojekten auf den Markt. Weil Wien weiter wächst – die Zuwanderung beträgt etwa 1,3 Prozent im Jahr –, ist ein höheres Angebot an Wohnraum erforderlich. Helga Mayer: „Auch der Trend zu mehr Single-Wohnungen heizt die Nachfrage an.“

Manche Hochhaus-Projekte erzeugen allerdings durchaus Widerstand in der Bevölkerung – Stichwort Heumarkt. Auch bei der Entwicklung des Althan-Quartiers beim Franz-Josef-Bahnhof am Alsergrund wurden die vom Investor im Vorfeld angedachten Pläne für den Bau eines 126 Meter hohen Turms wieder fallen gelassen. Insgesamt aber ist der Trend zum vertikalen Verdichten, der in anderen europäischen Metropolen schon viel weiter fortgeschritten ist, in Wien nicht mehr aufzuhalten.

Doch wie hoch muss ein Haus sein, um überhaupt als Hochhaus durchzugehen? In Wien sind laut Bauordnung alle Gebäude ab 35 Metern als Hochhaus einzustufen. Gefühlt stellt sich ein Wolkenkratzer-Feeling erst ab 60 Metern Bauhöhe ein. International spielen Türme ab 100 Metern in der Hochhaus-Liga mit.

Der Marina Tower erreicht 130 Meter Bauhöhe und 39 Stockwerke. Er reiht sich zweifellos in die höchsten Büro- und Wohngebäude Wiens ein. Rund 500 Wohneinheiten sind geplant, dazu Infrastruktur wie Kindergarten, Ärzte, Nahversorger und Fitnesscenter. Außerdem wird der Handelskai samt Bahntrasse überplattet, sodass Bewohner und Anrainer einen Zugang zum Donauufer erhalten. Andreas Holler: „Die Preise für eine Wohnung beginnen bei 3800 Euro pro Quadratmeter und reichen bis 12.000 Euro brutto für Penthouse-Wohnungen.“

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Auch am Donaukanal im Bezirk Landstraße ist ein ähnliches Projekt namens „Triiiple“ geplant. Am Gelände des ehemaligen Hauptzollamts errichten die Projektentwickler Soravia Gruppe und ARE drei Wohntürme – Turm Eins ist rund 100 Meter hoch und hat 33 Stockwerken. Geplant wurde das Gebäude vom Architekturbüro Henke Schreieck. Auch bei Triiiple ist eine großflächige Überplattung der Verkehrsader Donaukanal geplant. Außerdem sind eine Reihe an Gemeinschaftsflächen wie ein Salon mit Bibliothek, Eventküchen, Gemeinschaftsterrassen, Rooftop-Pool und Barbecue-Location geplant. Die Überplattung schafft Freiflächen für Sport- und Kinderspielplatz, der auch für das umliegende Grätzel zugänglich ist. „Hochhäuser brauchen eine starke soziale Komponente, damit sie gut funktionieren“, sagt Yana Boyer-Telmer von der Soravia-Gruppe, „die Umgebung des Hauses muss ebenfalls mitgeplant werden, sonst steht es sehr isoliert da.“

Die Preise für eine der 1150 Wohneinheiten im Triiiple beginnen ab 4200 Euro pro Quadratmeter. Vor allem kleine Wohnungen zwischen 35 und 50 Quadratmeter sind sehr begehrt. Der Verkauf für Turm 1 ist bereits gestartet, für Turm 2 beginnt er im Oktober.

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Die Zielgruppe für den Wohnturm sei breit gefächert, so Boyer-Telmer. Keine ideale Wohnform ist es allerdings für Menschen, die Höhenangst haben. „Ein Wohnturm hat aber viele Vorteile. Der Ausblick ist unschlagbar gut“, meint Helga Mayer von der ÖSW-Tochterfirma immo 360 grad, „außerdem gibt es bei den meisten Projekten viele Extraleistungen wie ein Concierge-Service.“

Das ÖSW war bereits 2015 beim „Leopoldtower“ in Floridsdorf mit an Bord. Der von querkraft-Architekten geplante Turm beherbergt 302 frei finanzierte Wohneinheiten – vom flexibel gestaltbaren Penthouse über Eigentumswohnungen, smarte Mietwohnungen und ein Zuhause auf Zeit vom Anbieter room4rent. Helga Mayer: „Wir haben sehr gute Erfahrungen mit Hochhäusern gemacht.“

Seit dem ist das ÖSW bei zwei weitere Turm-Projekte beteiligt: Beim Wohnhochhaus Hoch 33 in Monte Laa und „The Marks“ in St. Marx. Am Geländes des Modegroßhandelscenter entsteht ein neuer Stadtteil. Den Kern bilden drei Wohntürme von drei Immobilienunternehmen, nämlich ÖSW, Buwog und WBV-GPA/Neues Leben. Die drei Gebäude, die mehr als 100 Meter hoch sein werden, teilen sich eine dreigeschoßige Sockelzone mit Nahversorgern, Büroflächen und Fahrradabstellplätzen. Die Fertigstellung ist für 2021 geplant.

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Weiter fortgeschritten ist die „best riechende Baustelle Wiens“, wie Projektentwicklerin Caroline Palfy augenzwinkernd sagt (siehe Interview rechts). Palfy ist verantwortlich für das Hoho Wien, das weltweit höchste Hochhaus aus Holz. Die Wände und Decken bestehen aus naturbelassenen Fichtenholz. Die Eröffnung des Büro- und Gewerbehauses ist für 2019 geplant. Geplant hat das Haus Architekt Rüdiger Lainer. Palfy: „International wird unser Projekt stark wahrgenommen.“

Weitere Vorzeige-Bauten  befinden sich  in den Schubladen der Projektentwickler: Die Soravia-Gruppe etwa wälzt Pläne für ein 160 Meter hohes Wohnhochhaus am Areal des Cineplexx-Kinos auf der Donauplatte. Außerdem werden gleich gegenüber auch die Nachfolgebauten vom DC1-Tower, derzeit höchster Büroturm des Landes, in Planung. Wien wächst demnach sicher auch weiterhin in den Himmel.

Diskussion „Wien und seine Hochhäuser“ am KURIER-Tag, 28.9.2018, am Leopold-Ungar-Platz 1, mit Christoph Chorherr (Grüne), Architekt Christian Kühn und Martina Salomon (KURIER). Mehr Infos: kurier.at/kuriertag