Wirtschaft/Immo

Wie viel ist meine Wohnung wert?

Wer sein Haus verkauft, verschenkt oder vererbt, sollte dessen Wert kennen. Das Gutachten eines Sachverständigen kann helfen.

Wer braucht ein Gutachten?

"Auftraggeber sind in den meisten Fällen Gerichte, Banken, Versicherungen und Immobilienfonds", sagt Otto Bammer, Gerichtssachverständiger und Studiengangsleiter am Institut für Immobilienwirtschaft der FHWien der WKW. "Aber auch Privatpersonen, die Immobilien kaufen und verkaufen wollen oder müssen; Damen und Herren, die ihre Scheidung vorbereiten und versuchen, das Immobilienvermögen intelligent aufzuteilen; ältere Menschen, die Immobilienvermögen an ihre Kinder weitergeben wollen."

Worauf kommt es bei der Bewertung von Haus, Wohnung und Grundstück an?

Ein seriöser Sachverständiger wird sich immer vor Ort ein Bild machen. "Wir schauen uns die Wohnung und die allgemeinen Teile des Hauses an. Wird ein Zinshaus bewertet, gehen wir auch in den Keller und auf den Dachboden", erklärt Otto Bammer. Dann werden relevante Grundbuchsurkunden ausgehoben. Bei der Hausverwaltung wird eruiert wie hoch die Betriebskosten sind, wie viel Geld im Instandhaltungstopf ist und welche Maßnahmen in den nächsten Jahren anstehen.

"Bei der Baupolizei nehmen wir Einsicht in den Bauakt. Vor allem im Altbestand schauen die Wohnungen in Wirklichkeit oft ganz anders aus als in den Plänen. Viele Umbauten wurden der Baupolizei nie gemeldet", sagt Bammer. Gibt es keine Baugenehmigung, kann das den Wert mindern. Einen großen Einfluss auf den Wert einer Immobilie hat die Lage. Nicht immer geht es um objektive Kriterien, manchmal ist allein die Adresse ausschlaggebend. "Im 19. Bezirk gibt es Gegenden wo man man weit und breit keinen Supermarkt und keine öffentlichen Verkehrsmittel hat. Aber die Immobilie ist mehr wert, weil es ruhig ist und man sagen kann: Wir wohnen im Neunzehnten", erklärt Bammer.

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Vor allem Eigentümer von Einfamilienhäusern neigen dazu, den Wert ihrer Immobilie zu überschätzen. "Viele finden ihr Haus schöner als es für den durchschnittlichen Marktteilnehmer ist – vor allem, wenn vieles in Eigenleistung erbracht wurde", sagt Georg Edlauer, Gerichtssachverständiger und Geschäftsführer der Realkanzlei Edlauer in Niederösterreich. Er rät von privaten Bewertungsversuchen ab: "Es hat keinen Sinn, irgendwelche Tabellen im Internet auszufüllen. Die Größe eines Grundstücks sagt zum Beispiel nicht viel aus. Es macht einen Unterschied, ob es flach oder geneigt ist. Wenn es geneigt ist, kommt es darauf an, wie steil und in welche Himmelsrichtung. Ist ein Grundstück lang und schmal, ist es schwieriger und teurer zu bebauen und daher auch weniger wert als ein Grund mit dem idealen Längen-Breiten-Verhältnis von zwei zu drei."Auch wenn ein Objekt nicht zur Umgebung passt, kommt man allein mit der Berechnung nicht weit. Hier ist Marktkenntnis gefragt. Ein Beispiel: Eine sehr luxuriöse Villa mit 600 Quadratmeter Wohnfläche kann rein rechnerisch eine Million Euro wert sein. Steht das gute Stück im nördlichen Waldviertel wird der Bewerter einen sogenannten Marktanpassungsabschlag vornehmen. "Findet man in einem strukturell benachteiligten Gebiet keinen Käufer für eine Immobilie, kann dieser Abschlag in Ausnahmefällen bis zu 60 oder 70 Prozent betragen", sagt Edlauer. "Andererseits wird in einer besonderen Lage – zum Beispiel ganz oben am Sonnenhang mit unverbaubarem Fernblick – auch für ein Abbruchhaus viel Geld bezahlt.
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"Bei der Bewertung eines Zinshauses geht es nicht nur um den Sachwert des Gebäudes, sondern auch um Renditen. Daher werden alle Mietverträge unter die Lupe genommen. Um den Ertrag geht es auch bei Land- und Forstwirtschaften: "Es macht einen Unterschied, ob in einem Wald nur junge Bäume stehen oder ob es viele 50-jährige Eichen und Buchen gibt, die man schlagen und verkaufen kann", sagt Georg Edlauer.

Ist ein Gutachten immer richtig?

Ein Sachverständiger muss nicht nur die verschiedenen Berechnungsmethoden beherrschen, sondern auch den Markt sehr gut kennen. Die Frage ist immer: Was würde ein typischer Marktteilnehmer für diese Liegenschaft bezahlen? "Abweichungen bis zu 20 Prozent bedeuten noch nicht, dass eine Bewertung falsch ist", sagt Georg Edlauer. "Heute arbeiten wir auf Basis des Liegenschaftsbewertungsgesetzes. Bis Ende der 1990er-Jahre hieß die Rechtsgrundlage Realschätzordnung. Das drückt besser aus, was Immobilienbewertung ist."

Wie viel kostet ein Gutachten?

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Das Honorar hängt vom Aufwand im Einzelfall ab und ist Vereinbarungssache. Ein Gutachten für ein Einfamilienhaus oder eine Eigentumswohnung kostet im Durchschnitt zwischen 1500 und 2000 Euro. Im Gerichtsverfahren wird nach dem Gerichtsgebührenanspruchsgesetz abgerechnet. Je größer der Wert der Immobilie, umso teurer ist das Gutachten. Ein realistischer Preis liegt bei 0,5 bis 1,5 Prozent des Schätzwertes. Privatpersonen brauchen oft gar kein volles Gutachten. "Wenn jemand seine Wohnung verkaufen will oder sein Testament vorbereitet, genügt meistens eine vereinfachte Verkehrswerteinschätzung", sagt Bammer. So ein "Gutachten light" ist um 20 bis 40 Prozent günstiger. Der Sachverständige besichtigt zwar das Objekt, recherchiert aber nicht selbst, sondern arbeitet mit den Informationen, die ihm der Eigentümer gibt. Der Auftraggeber muss sich also dessen bewusst sein, dass seine Daten nicht überprüft werden.

Wie findet man einen guten Immobilienbewerter?

Sachverständiger nennen kann sich jeder, der sich in einem Bereich besonders gut auskennt. Beim Hauptverband der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen gibt es eine Liste von gerichtlich geprüften Gutachtern. Suchen kann man nach Bundesländern und Fachgebieten. Auch die Mitgliedschaft bei internationalen Berufsverbänden wie der Royal Institution of Chartered Surveyors (RICS) ist ein Qualitätsmerkmal. www.sdgliste.justiz.gv.at www.sachverstaendige.at www.rics.org