Wirtschaft/Immo

Spannende Stadtentwicklung: Frischer Wind am Wienerberg

Es wird gebohrt, gehämmert, geschraubt. Bauarbeiter huschen hinter den Bauzäunen hin und her. An der Ecke zur dicht befahrenen Triester Straße prangern Plakate von Baufirmen und Architekten. „Biotope City Wienerberg“ steht darauf geschrieben, dazu die Telefonnummern verschiedener Bauträger. Viele der Wohnungen sind allerdings schon vergeben. „Wien wird mit der Biotope City einen großen Sprung nach vorne machen“, so die Stadtplanerin Helga Fassbinder, „der Stadtteil wird zum international ökologischen Vorzeigemodell.“

Rund 900 Wohnungen entstehen derzeit in der Biotope City am Wienerberg. Eingebettet zwischen dem Naherholungsgebiet und dem Büroviertel mit dem bekannten Vienna Twin Tower, sollen hier bis 2020 rund 2000 Menschen leben. Damit ist der Wienerberg im Süden Wiens (Bezirk Favoriten) eines der wichtigsten Gebiete für den Wohnungsneubau der Bundeshauptstadt.

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Doch noch mehr: Die bestehenden Office-Türme wurden in den vergangenen Jahren modernisiert und weitere Baupläne liegen in den Schubladen der Projektentwickler. Vor allem die Anbindung an das U-Bahn-Netz – die Wiener Linien beginnen nächstes Jahr mit der Detailplanung dafür – treiben die Ausbaupläne voran. „Der Wienerberg hat großes Wertsteigerungspotenzial“, sagt Sandra Bauernfeind vom Immobilienunternehmen EHL, „das benachbarte Erholungsgebiet wird für eine Lage mit U-Bahn-Anschluss einzigartig bleiben.“

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Der Wienerberg, immerhin 244 Meter hoch, ist nicht nur ein markanter landschaftlicher Punkt im Süden Wiens, sondern taucht auch in der Historie der Stadt immer wieder auf: Die Ziegelfabriken am Wienerberg gelten als Wiege der Arbeiterbewegung. Hundert Jahre später, in den 1990er Jahren entstand parallel zur Donauplatte der erste Wolkenkratzer-Cluster Wiens, die „Wienerberg City“. Den Grundstein legte der bekannte Architekt Karl Schwanzer schon 1964 mit dem Philips-Haus. 2001 wurde schließlich der 138 Meter hohe Vienna Twin Tower fertiggestellt. Heute befinden sich acht Gebäude auf dem Areal, davon drei mit mehr als 100 Meter Höhe.

Das ehemalige Philips-Haus steht heute für den Wandel am Wienerberg: 2013 kauften die Projektentwickler 6B47 und Sans Souci das leere und teilweise unter Denkmalschutz stehende Gebäude. Sie bauten es zu einem Apartmenthaus mit 135 Einheiten namens „PhilsPlace“ samt Restaurant, Fitnesscenter und Supermarkt um. „Unsere Apartments, die auch für längere Aufenthalte gedacht sind, kommen sehr gut an“, so Kristin Oberweger, Managerin des PhilsPlace.

Den besten Blick auf die vielen Baustellen des Wienerbergs haben Besucher zweifelsohne vom neuen Restaurant im Erdgeschoß des PhilsPlace. Durch die großen Panoramafenster lassen sich die vielen Kräne auf der gegenüber liegenden Straßenseite bestaunen. Auf dem Areal des ehemaligen Coca-Cola-Abfüllwerks könnte nun wieder ein Stück Wiener Geschichte geschrieben werden: Auf 5,4 Hektar entsteht die Biotope City. Die ursprüngliche Idee des neuen Quartiers geht auf den mittlerweile verstorbenen Stararchitekten Harry Glück, dem Planer von Alt-Erlaa, zurück.

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Auf 13 Bauplätzen errichten verschiedene Bauträger, darunter Buwog, Wien Süd, Mischek, ÖSW, Gesiba und Arwag rund 900 Wohnungen, davon 600 gefördert. Das Besondere an der Biotope City: Die dichte Stadt soll in die Natur eingebettet werden und der neue Stadtteil zum internationalen Vorzeigemodell für nachhaltige Stadterweiterung werden. „Die Versiegelung des Bodens etwa wird minimiert“, so Architekt Rüdiger Lainer, der Teil des interdisziplinären Planungsteams war.

Außerdem wird das Areal komplett autofrei. Geparkt werden kann in den Tiefgaragen – das soll die öffentlichen Flächen für die Bewohner attraktiver machen und die Kommunikation fördern.

Das Konzept der Biotope City wurde von der niederländischen Stadtplanerin Helga Fassbinder entwickelt. Ihr schwebt vor, „die Stadt zu renaturieren“. Erreicht werden soll das mit begrünten Fassaden und Dächern, natürlichen Wiesen und begrünten Balkonen. Helga Fassbinder erklärt: „Wir werden Nistplätze für Vögel in den Hausfassaden schaffen und auf Insekten Rücksicht nehmen.“

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Das Wohnungsunternehmen Buwog beispielsweise errichtet in drei Bauteilen unter dem Namen „Amelie“ 136 frei finanzierte Eigentumswohnungen. Fassaden- und Dachbegrünungen werden dafür eingesetzt, im Sommer Hitzeinseln zu vermeiden, Feinstaub zu binden und ein frisches Klima zu erzeugen. Bis Mitte des Jahres sollen die Wohnungen bezugsfertig sein. „Bis jetzt konnten bereits 80 Prozent der Wohnungen vom Plan weg verkauft werden“, sagt Andreas Holler, Geschäftsführer der Buwog Group. Im Schnitt kostet ein Quadratmeter knapp über 4000 Euro im Amelie-Projekt.

Den dichten Verkehr der Triester Straße wird der Gebäudekomplex „The Brick“ vom Wohnviertel abschirmen. In zwei der drei Gebäudeteile wird Ende 2019 der Ziegelhersteller Wienerberger seine neue Unternehmenszentrale ansiedeln: Optisch soll das Haus mit den begrünten Ziegelfassaden an alte Gewerbebauten erinnert.

Dass das Miteinander im neuen Grätzel auch klappt, dafür setzt sich das Quartiersmanagement der Caritas ein. Mit Festen, Picknicks und Infoveranstaltungen sollen die neuen Bewohner vernetzt werden. Außerdem hilft die Caritas den Bauträgern bei der Bespielung der 1700 Quadratmeter großen Gemeinschaftsflächen, die von allen Bewohnern des neuen Viertels genutzt werden können. „Wir haben aus anderen Stadtentwicklungsgebieten bereits Erfahrungswerte, was gut funktioniert“, sagt Tamara Schwarzmayr von der Caritas-Stadtteilarbeit.

Das soziale Leben spielt auch im bestehenden Geschäftsviertel eine immer wichtigere Rolle. Eigentümer der Liegenschaften ist nach wie vor der Immobilienkonzern Immofinanz. Insgesamt sind es aufgeteilt auf mehrere Baukörper rund 170.000 Quadratmeter Bürofläche, zwölf Gastronomiebetriebe und eine Shoppingmall. Das Unternehmen hat in den vergangenen drei Jahren mehr als 40 Millionen Euro in den Standort investiert. So wurden etwa ein großer Fahrradraum mit Duschen eingebaut, das Konferenzzentrum erneuert und das Einkaufszentrum samt Cineplexx-Kino modernisiert. Derzeit wird ein Büro- und Hotelturm saniert, wo kommenden Sommer ein „Holiday Inn“ seine Pforten öffnet.

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Die Immofinanz erprobt außerdem seit zwei Jahren das neue Bürokonzept „my hive“ am Wienerberg. Ziel ist es, die mehr als 3400 Mitarbeiter der rund hundert angesiedelten Unternehmen zu vernetzen und ihnen Freizeitaktivitäten anzubieten. Dafür ist die „Community Managerin“ Julia Dobler zuständig. „Ich organisiere Sportkurse wie Yoga und Boxen, und lade zu After-Work-Treffen ein. Demnächst veranstalte ich einen Rodel-Tag am Semmering,“ erzählt Dobler. Über eine App bekommen die Mitarbeiter alle Informationen.

Ihre Investitionspläne am Wienerberg hat die Immofinanz aber noch nicht abgeschlossen: Ein großes, brachliegendes Grundstück direkt an der Triester Straße, dort wo möglicherweise der U-Bahn-Aufgang hinkommen könnte, steht im Besitz des Konzerns. Die Projektentwickler in der Immofinanz tüfteln derzeit am Bebauungskonzept.