Rekord bei Wohnungsneubau in Wien
„Ein guter Tag beginnt mit einer rechtsgültigen Baugenehmigung“, so stellte Wolfdieter Jarisch, Chef des Immobilienentwicklers S+B, diese Woche das neuestes Projekt „Danube Flats“ vor. Nach einer langwierigen Entwicklungsphase, die sieben Jahre dauerte und von Anrainerprotesten begleitet war, baut S+B gemeinsam mit der Immobiliengruppe Soravia nun auf der Wiener Donauplatte den höchsten Wohnturm Österreichs mit 49 Stockwerken und rund 600 Apartments. Vorarbeiten wie der Abriss des bestehenden Cineplexx-Gebäudes haben bereits begonnen.
Derzeit erreicht der Bau neuer Wohnungen in Wien Rekordniveau. Danube Flats ist dabei nur eines – wenn auch das spektakulärste von mehreren großvolumigen Wohnprojekten, die derzeit realisiert werden. In den vergangenen Jahren lagen die Baubewilligungen im Wohnbau bei rund 7000 bis 9000 Stück pro Jahr. Derzeit sind es mehr als 20.000 Bewilligungen (siehe auch Grafik rechts). „Solch eine Dynamik am Wohnungsmarkt haben wir seit den 1990er-Jahren nicht mehr gesehen“, sagt Sandra Bauernfeind von EHL Immobilien. Prognose für heuer: Rund 12.000 neue Wohnungen kommen auf den Markt. 2020 werden es sogar mehr als 15.000 Einheiten sein.
Vor allem in Bezirken mit hohen Flächenreserven wie Donaustadt, Simmering, Favoriten, Penzing und Leopoldstadt werden große Neubauten geplant. Drei Beispiele: Der Wohnungskonzern Buwog baut mit dem Projektentwickler IES den Marina Tower am Handelskai mit 500 Wohnungen; JP Immobilien plant ein Projekt in der Favoritenstraße mit 99 Mietwohnungen; und in Erdberg entstehen im Projekt „The Marks“ mehrere Hundert Wohnungen in drei verschiedenen Wohntürmen, die von unterschiedlichen Bauträgern errichtet werden.
Bei Danube Flats, die direkt am Donauufer liegen und spätestens 2024 fertig sein sollen, werden hauptsächlich hochpreisige Eigentumswohnungen errichtet. „Wir wollen Wohnraum schaffen für Leute, die viel arbeiten und gut verdienen. Die hohe Qualität erreichen wir unter anderem mit vielen Dienstleistungen wie Fitness, Carsharing und Angebote für die Nahversorgung“, sagt Erwin Soravia: „Bewohner können alle alltäglichen Besorgungen im Jogging-Anzug erledigen.“
Allerdings wird die Zahl der neuen Eigentumswohnungen relativ gleich bleiben. Großen Zuwachs hingegen verzeichnen Mietwohnungen. Der Grund: Da viele der neuen Wohnhäuser sehr groß dimensioniert sind – sie werden mehrere Hundert Wohnungen beherbergen – sind sie Ziel von Investoren wie Pensionsfonds und Versicherungen. Sandra Bauernfeind erklärt: „Lange vor Fertigstellung werden die Projekte als Ganzes an große Fonds verkauft. Diese vermieten dann die einzelnen Wohnungen.“
Tatsächlich sind die Investitionen von institutionellen Anlegern in den Wohnsektor spürbar gestiegen: Laut dem Immobiliendienstleister CBRE wurden rund 1,2 Milliarden Euro 2018 in österreichische Wohnimmobilien investiert . Während bis 2015 praktisch keine ausländischen Investoren heimische Wohnimmobilien erwarben, stammten 2018 bereits 70 Prozent der Käufer nicht aus Österreich – ein Novum am Wohnungsmarkt. Vor allem deutsche Investoren treten verstärkt in der österreichischen Bundeshauptstadt auf. So kaufte etwa eine Gruppe deutscher institutioneller Investoren ein Wohnportfolio auf der Erdberger Lände und die britische Investmentcompany Aberdeen Standard Investment sicherte sich ein Wohnprojekt im Sonnwendviertel beim Hauptbahnhof.
„Wir erwarten auch 2019 eine sehr hohe Investmentaktivität institutioneller Investoren, weil der Wohnungsneubau in Wien auch in den nächsten Jahren für ein attraktives Investmentprodukt sorgen wird“, sagt Georg Fichtinger, Head of Investment Properties von CBRE.
Trotz der hohen Anzahl des derzeitigen Angebots an Wohnungsneubauten erwarten Experten keinen Rückgang der Preise. Aufgrund des Bevölkerungswachstums – 2027 sollte Wien die Zwei-Millionen-Einwohner-Grenze knacken – und dem Trend zu kleineren Haushalten wird eine weiterhin hohe Nachfrage nach Wohnraum prognostiziert. Vor allem leistbare Mietwohnungen mit maximal 7,50 Euro pro Quadratmeter sind dabei sehr gefragt. Laut EHL steigen die Mieten heuer um 1,9 Prozent, die Preise für Eigentumswohnungen in guten und sehr guten Lagen zwischen 4,25 und fünf Prozent, in guten Lagen immerhin zwischen 2,75 und vier Prozent. 2018 betrug der durchschnittliche Kaufpreis einer Eigentumswohnung 4250 Euro pro Quadratmeter in der Bundeshauptstadt.
Der Baubranche beschert der Boom währenddessen volle Auftragsbücher. Baufirmen lehnen derzeit zwar keine Aufträge generell ab, suchen wohl aber besser aus, wo sie Angebote stellen und wo nicht. „Wenn es viele Vorbedingungen wie eine unrealistische Bauzeit oder hohe Pönalen gibt, dann werden Baufirmen die Aufträge eher nicht annehmen“, sagt Rainer Pawlick, Innungsmeister der Landesinnung Wien Bau.
Ein Wermutstropfen für Bauträger und Immobilienentwickler allerdings ist die neue Bauordnung, die im November von der Stadt beschlossen wurde. Demnach müssen künftig auf allen zusätzlichen Flächen, die zum Wohnen gewidmet werden, zwei Drittel geförderte Wohnungen geschaffen werden. Erwin Soravia meinte bei der Präsentation der Danube Flats diese Woche: „Die Wohnungen in unserem Projekt werden die letzten in Wien sein, die diesen hohen Standard aufweisen.“
Da die Kosten für einen Wohnturm wesentlich höher sind – bei Danube Flats werden 250 Millionen Euro investiert – könnten laut Soravia mit dem Inkrafttreten der Bauordnungs-Novelle künftig keine derartigen Projekte mehr umgesetzt werden. Branchenexperten erwarten daher, dass das Angebot nach dem Boom deutlich niedriger ausfällt.