Neue Designs in der Arztpraxis
Von Julia Beirer
Kribbeln im Bauch, der Blick wandert nervös durch den Raum. Viel zu sehen gibt es allerdings nicht. Die Wände sind kahl. Auf einem Beistelltisch in der Mitte des Raums liegen Magazine aus längst vergangenen Zeiten. Sie betrauern das Beziehungsende von Prinz Charles und Lady Diana.
Rundherum sitzen Patienten, die auf ihre Behandlung warten. Anspannung liegt in der Luft. „In Arztpraxen sitzen meist Menschen, die besorgt sind, Schmerzen haben. Das ist tendenziell eine gestresste Situation. Dieser kann mit gutem Interieur entgegengewirkt werden“, erklärt Wohnpsychologe Harald Deinsberger-Deinsweger.
Ablenkung für alle Sinne lautet das Zauberwort. Der Wohnpsychologe erklärt den Hintergrund: Das menschliche Nervensystem, die Sinnesorgane und das Gehirn brauchen Grundnahrungsmittel. Die Rede ist hier nicht von temporären Glücklichmachern wie Pizza oder Schokolade, sondern von Stimuli, die unsere visuellen, auditiven und olfaktorischen Sinnesreize bespaßen.
In Arztpraxen sind das farbige Visualisierungen und Naturbilder an Wand und Decke, das Plätschern eines Wasserbrunnens oder ein erfrischender, aber dezenter Duft, der in der Luft liegt. Fehlen diese äußeren Impulse, ziehen körpereigene Stimuli die Aufmerksamkeit auf sich. Der Wohnpsychologe: „Das ist vor allem dann unvorteilhaft, wenn Schmerzen verstärkt zu spüren sind.“
Schlichtes und karges Interieur beruhigt also nur im ersten Moment, bei längerem Aufenthalt entsteht genau das Gegenteil: innere Unruhe steigt, ohne, dass Patienten die genaue Ursache benennen können. „Den Mangel an Stimuli nimmt niemand bewusst wahr. Er wirkt indirekt. Das ist in vielen Studien nachgewiesen“, erklärt Deinsberger-Deinsweger.
Dem sind sich auch Planer wie die Abendroth Architekten oder das Architekturbüro Mutant Arch. Media bewusst. Sie tüfteln seit Jahren an funktionaler Innenarchitektur für Ordinationen, die zugleich das Wohlbefinden steigert. Ganz allgemein gesprochen gelingt das durch gut dimensionierte Warteräume und lebendige Farbkonzepte.
Auch die Disziplin der Ärzte spielt eine hervorgehobene Rolle. Thomas Abendroth: „Beim Zahnarzt haben Patienten kurzfristige Angst vor Schmerzen und brauchen im Wartezimmer mehr Ablenkung als beim Augenarzt.“ Gynäkologen sollten hingegen eine warme Situation schaffen, wo Patientinnen ankommen können, ähnlich geht es Kinderärzten. Bei Letzteren kommt den Sitzgelegenheiten im Warteraum zudem eine besondere Rolle zu. Heinz Glatzl von M&G Innenarchitektur: „Kinder kuscheln gerne mit ihren Eltern, bevor der Arzt ihren Namen aufruft. Auf Bänken mit haptisch ansprechenden Stoffen geht das besser als auf einzelnen Sesseln, die oft glatt und hart sind.“
Neben dem Komfort kann gutes Interieur auch dabei helfen den Patientenstamm zu erweitern. Gerade Ordinationen, die neu eröffnen, müssen Kompetenz ausstrahlen. Designerin Almut Becvar weiß: „Durch professionelle Ausstattung und Gestaltung wird professionelle Behandlung vorweggenommen und Ärzte schaffen Vertrauen durch ein gut durchdachtes Interieur-Design.“