Interview: „Begrünung allein ist nicht genug“
KURIER: Wie hoch wird der Grünanteil in der Biotope City sein?
Michael Herbek: Die fast 55.000 Quadratmeter große Liegenschaft wird aus fast zwei Drittel Grünflächen bestehen.
Was bringt die Begrünung?
In der Biotope City konzentrieren wir uns auf das Kühlen der Oberflächen, um an Hitzetagen die Behaglichkeit zu erhöhen. Die Begrünung hat aber mehrere positive Effekte. Nicht nur die Wohnräume, das gesamte Wohngebiet wird gekühlt und dadurch werden Hitzeinseln vermieden.
Wie werden die Flächen begrünt?
An den Fassaden wird mit Kletterpflanzen wie beispielsweise wildem Wein und Efeu begrünt. Auf den Balkonen sind Tröge aufgestellt, die beim Einzug an die Bewohner übergeben werden. Die Dächer sind ebenfalls begrünt und auf den Freiflächen zwischen den Gebäuden werden größere Bäume gepflanzt. Sie sollen so viel Schatten wie möglich generieren.
Wurden auch andere Maßnahmen gesetzt, die einen Kühleffekt verstärken, wie beispielsweise kleinere Fenster, oder ist das nicht nötig?
Es wäre grundsätzlich notwendig, weil der Effekt im Winter die Wärme im Gebäude zu behalten ungefähr derselbe ist, wie im Sommer die kühlere Luft zu speichern. Wir haben aber keine kleineren Fenster eingebaut, sondern das Ziel auf einem Weg erreicht, der die Wohnqualität nicht einschränkt. Das Gebäude ist kühler durch die Begrünung und die niedrigeren Temperaturen werden länger gespeichert.
Ist die Fassadenbegrünung die Klimaanlage der Zukunft?
Als Ergänzung, ja. Die Begrünung deckt viel mehr Aspekte ab als nur entsprechende Oberflächentemperaturen zu kühlen. Auch die weitere Umgebung profitiert vom Verdunstungseffekt der Pflanzen und der frischeren Luft.
Begrünung in Ergänzung zu was?
Zu herkömmlicher, thermischer Sanierung. Pflanzen allein können den Komfort nicht erfüllen. Daher kann Begrünung nur als Ergänzung gesehen werden.
Wie viele Dachflächen werden in Wien derzeit begrünt?
Es ist in der Widmung meist vorgeschrieben, dass Flachdachflächen von Neubauten entsprechend zu begrünen sind, sofern nicht technische Aufbauten oder Ähnliches notwendig sind.
Sie beschäftigen sich seit Jahren mit nachhaltigem Bauen. Wie muss ein Haus mitten in der Stadt gebaut sein, dass es im Wohnraum trotz 30 Grad Außentemperatur und Tropennächten angenehm kühl bleibt?
Grundsätzlich muss die Gebäudestruktur richtig beschaffen sein. Die Oberflächen sollten im Verhältnis zum Raumvolumen so gering wie möglich gehalten werden, da wird es jetzt sehr technisch. Speichermassen und Verschattungen müssen ebenfalls entsprechend vorhanden sein , damit das Gebäude im Sommer die kühle Luft speichert.
Woraus muss die Wärmedämmung bestehen?
Herkömmliche Produkte wie Vollwärmeschutzfassaden sind sehr gut und der technische Ist-Stand. Nachhaltig gedacht eignen sich auch Produkte wie Hanf, Schafwolle oder Stroh – obwohl das bei uns selten verbaut wird.
Wie mache ich ein Gründerzeithaus hitzetauglich?
Das kommt darauf an, welcher Standard vorhanden ist. Wenn es ungedämmt ist, wird eine gesamtheitliche thermische Sanierung viel bringen. Das umfasst Dachflächen und Kellerdecken und bessere Fenster samt Verschattung. Maßnahmen, die das Gebäude dichter machen, speichern kühle Luft besser.
Wie schauen die Bauten der Zukunft aus?
Ich denke, dass zukünftig so gebaut werden muss, dass die Gebäude nicht mit Technik überladen sind. Eine Zeit lang waren Passivhäuser in aller Munde. Es müssen Häuser geschaffen werden, die Wohlbefinden ermöglichen, auch an Hitzetagen.
Was halten Sie von Systemen, die automatisch Fenster öffnen und schließen – braucht es das überhaupt?
Ich denke nicht, dass wir automatisierte Fenster im Wohnbau brauchen. Zielführend ist es eher in Bürogebäuden, wo gewisse Raumtemperaturen vorgegeben sind. Teilautomatisierung im Wohnbau ja, Vollautomatisierung und Entmündigung des Nutzers ist nicht zielführend.