Holzkastenfenster: Eine Frage der Tradition
Von Ankica Nikolić
Die Hauptstrasse ist leer gefegt. Es herrscht absolute Stille. Nur ein leises, monotones Motorengeräusch aus einem Gebäude am Ortsende dringt heraus. Hinter den riesigen Portalen, inmitten der südoststeirischen Marktgemeinde Jagerberg, befindet sich die Firma Schaden Lebensräume. Im Eingangsbereich stapeln sich Fenster- und Türrahmen übereinander. Auf einer Palette werden gerade fertig sanierte Elemente einsortiert. Mittendrin koordiniert Florian Schaden das Geschehen. Gemeinsam mit Vater Anton und Bruder Christoph wird der 125 Jahre alte Betrieb, heute bereits in sechster Generation geführt. „Die Anforderungen an eine Tischlerei haben sich sicherlich verändert, aber der Anspruch an das Handwerk selbst wird immer die wichtigste Komponente bleiben“, erklärt Florian Schaden. „Wir haben die Möglichkeit historisch authentisch zu sanieren, das ist vor allem bei denkmalgeschützten Gebäuden ein wichtiger Aspekt.“
Im obergeschoss der Produktion lagern die vorgetrockneten Hölzer. Zum Großteil stammen sie aus heimischen Wäldern. Lärche wird am häufigsten verwendet, sie ist besonders feuchtigkeitsresistent und das authentischste Material für die Sanierung von historischen Holzkastenfenstern. Fichte und Tanne eignen sich ebenfalls. Insgesamt werden pro Jahr etwa 80 bis 100 Kubikmeter verbraucht. „Die gröbsten Fehler passieren bei der fehlerhaften Instandhaltung. Viele glauben, nach einem Anstrich ist alles getan, doch das stimmt leider nicht. Denn meist werden hierfür keine atmungsaktiven Farben verwendet. Auf der Oberfläche sieht es zwar wie neu aus, aber der Rahmen selbst ist meist morsch und kann brechen“, beschreibt Schaden. Dasselbe gilt auch für alte Flügeltüren. „Hier sind vor allem die Füllungen betroffen. Meist müssen dann ganze Querfrieshölzer heraus genommen, reproduziert und neu zusammengesetzt werden.“
Im Fachjargon nennt man diese historischen Beschläge Fitschenbänder. Das Tür- und Fensterscharnier wird nicht wie heute üblich aufgeschraubt, sondern eingestemmt. Mit einer Stemmmaschine oder manuell mit einem Fitscheneisen werden Schlitze in das Holz des Fensterflügels oder des Türblattes und den Rahmen gemacht. Hier wird dann je ein Bandlappen des Fitschenbandes eingesteckt. Anschließend werden durch Rahmen und vorgebohrte Löcher im Band Metallstifte (sogenannte Fitschenbandstifte) gesteckt, die das Band fixieren. Diese Technik war bis Anfang der 1960er-Jahre weit verbreitet. „In Österreich gibt es derzeit nur drei Maschinen, die diese Bänder produzieren. Eine davon steht hier. Wir haben sie auf einem Flohmarkt ersteigert und Messerklingen anfertigen lassen und können nun Fitschenbänder selbst erzeugen“, erklärt Schaden. „Eine originalgetreue Verarbeitung wird durch solche historische Maschinen überhaupt erst möglich gemacht.“ Für jedes Fenster wird eine individuelle Fräsung für das Profil angefertigt. Mehr als 100 Exemplare davon findet man in den Schubladen der Werkstatt. Bei Kommissionsaufkäufen wird regelmäßig nach historischen Beschlägen Ausschau gehalten, um sie vor Ort neu aufzubereiten.
Der betrieb widmet sich aber nicht nur alten Modellen und hat in den letzten Jahren ein neues Holzkastenfenster aus Eiche entwickelt. In Kombination mit moderner Architektur können damit spannende Kontraste gesetzt werden. Traditionelles Handwerk und alte Techniken sind ein wichtiger Grundstein für die heutige Baukultur. Ohne dem Wissen von früher hätten etwa Hausfassaden mit alten Kastenfenstern wenig Überlebenschance. Und das wäre doch schade.
Das Unternehmen wurde im Jahre 1888 vom Kunsttischler Anton Gutmann in Jagerberg gegründet. Im Jahr 1929 übernimmt sein Schwiegersohn Florian Schaden den Betrieb und schafft die ersten Maschinen an. Er war es auch, der die für die Gestaltungsphilosophie des Unternehmens heute noch gültigen Maßstäbe gesetzt hat.1949 übernimmt Anton Schaden die Leitung, 1978 folgt ihm sein Sohn Anton, der die Tischlerei auf Innenarchitektur spezialisiert. Zwanzig Jahre später wird der Name des Unternehmens in „Schaden Lebensräume“ geändert. Das Unternehmen ist im Privatkundengeschäft (Einrichtung von Lebensräumen) und im Projektgeschäft tätig, hier besonders in der Sanierung historischer Kastenfenster. Mittlerweile zählt das Unternehmen rund 50 Mitarbeiter. Heute wird der Betrieb von Anton Schaden und seinen Söhnen Christoph (Bereich Renovierung alter Holzfenster) und Florian (Bereich Innenarchitektur) geführt. Die Spezialisierung auf die Sanierung von Holzkastenfenster zählt seit neun Jahren zum Kerngeschäft des Unternehmens.