Wirtschaft/Immo

Ganzes Tal: Das Erbe der Grafen

Florian Staudingers Erbschaft ist eine Lebensaufgabe. Schließlich vermachten ihm seine Vorfahren nicht nur eine Hammerherrenvilla in Göstling an der Ybbs, sondern gleich ein 217 Hektar großes Tal samt 13 Nebengebäuden und der einzigen noch funktionsfähigen Holztriftanlage Mitteleuropas. Mit knappem Kapital aber ganzem Herzen will der kunstsinnige Jungunternehmer aus der Mendling „einen guten Ort machen“.

Die Gegend atmet Geschichte. Unweit des Haupthauses findet sich die ebenfalls im Familienbesitz stehende „Erlebniswelt Mendlingtal“ (sie soll heuer in Natur- und Kulturpark umbenannt werden), die heute von der Gemeinde betrieben wird. Ein Holzsteg entführt entlang eines Wasserfalls an der ältesten funktionsfähigen Holztriftanlage Mitteleuropas in wildromantisches Gelände. Im vergangenen Jahr zog die Einrichtung 39.000 Besucher, meist Familien mit Kindern, an.

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Vergangene Woche hatte der Hausherr ungewöhnlichen Besuch: Auf den ersten Blick hätte man die Tiroler Truppe, die da mit Flöten, Trommeln und Weihrauch ins Mendlingtal im niederösterreichischen Voralpenland anreiste, wohl für fahrende Musiker gehalten. Doch sie kam in einem Spezialauftrag des Hausherren: „Ich wollte auch die Nebengebäude säubern lassen.“ Wie bitte? „Man kann davon ausgehen, dass im Laufe der Jahrhunderte hier nicht immer alles eitel Wonne war“, erläutert der 39-Jährige, dessen „Putztrupp nicht physischem Schmutz, sondern Feinstofflichem, potenziellen negativen Energien nämlich, zu Leibe rückte.

Das Haupthaus, die Hammerherrenvilla aus dem 14. Jahrhundert mit 600 Quadratmetern Wohnfläche und 16 Zimmern, die Staudinger sukzessive eins nach dem anderen renoviert hat, ist schon „clear“. Apropos Renovierung: Ehe das von den schwarzen Grafen, wie die ehemaligen Hammerherren im Voralpenland genannt werden, erbaute Schlösschen im heutigen Glanz erstrahlte, waren substanzielle Instandhaltungsarbeiten nötig. Das Dach des Ediktes, das seit 200 Jahren im Familienbesitz steht, war reparaturbedürftig. Und der bei Schönwetter so romantisch plätschernde Bach, der die historischen Gemäuer umspült, unterspülte das Fundament nach anhaltenden Regenfällen immer wieder.

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Mit den Sanierungsmaßnahmen haben schon Staudingers Eltern Renate und Heinz begonnen, als sie das Anwesen 2003 von der 99-jährig verstorbenen Großmutter erbten. 2013 übernahm dann der kunstsinnige Filius. Was er mit seinem untrüglichen Gespür für Interior Design aus dem Herrenhaus machte, war sogar der „New York Times“-Beilage „Great Homes & Destinations“ eine Titelgeschichte wert. Florian Staudinger, der nach einem abgebrochenen Wirtschaftsstudium in Wien 2008 am Sotheby“s Institute of Art zeitgenössische Kunst studierte, wo er ein Jahr später zum Master graduierte, ist ein ideenreiche Zauberer von Atmosphären.

In seinem Haupthaus stehen alte Fundstücke im Dialog mit modernen Bildern, Fotos, Skulpturen und Mobiliar. Die Küche mit gelben Fliesen, Betonboden und schwarzen italienischen Lackkästchen, in der sich die Gäste gerne zum Aperitif aufhalten, hat der weltgereiste Niederösterreicher, der außer in New York auch für Sothebys in Kapstadt tätig war, selbst entworfen; ebenso den Esstisch vor der alten Schmiede und die imposanten Messingleuchten neben dem Haupteingang des Hauses.

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Einzigartig sind auch Staudingers Arrangements: Zwei alte Fauteuils, echte Dachbodenfunde, erhalten frisch tapeziert und überzogen wieder eine tragende Rolle auf dem Perserteppich vor dem Kamin. Und das jahrzehntelang im Schrank versteckte Spätbiedermeier-Speiseservice aus der Wiener Kaiserlichen Manufaktur avanciert – kunstvoll arrangiert an die Wand gehängt – zum Schaustück, wenn daraus nicht gerade gegessen wird.

Auch die Idee, alte Perserteppich überlappend auf den Boden zu legen, ist alles andere als alltäglich. Sogar Ladenhüter, wie der zwei Meter hohe Sukkulent, der im Baumarkt jahrelang vergeblich auf einen Käufer wartete, erblühen hier in neuem Glanz. In einer anderen Fensternische steht ein imposanter 1,80 Meter großer Kaktus, den Staudinger auf einer Online-Plattform fand. „Die Welt ist der kreative Pot, aus dem ich schöpfe“, räsoniert der Jungunternehmer, der früher auch als Design- und Kunstberater sowie Einrichter luxuriöser Yachten tätig war.

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In New York, das Staudinger als seine Wahlheimat bezeichnet, lernte er seinen Lebensmenschen, den amerikanischen Real-Estate-Investmentbanker Paul Hallam kennen. Inzwischen sind die beiden amtlich verpartnert und seit vergangenem Jahr ist auch noch die weiße Whippet-Dame Sookie, eine anmutige Hunde-Prinzessin, mit von der Partie im schönen Mendlingtal. Während Paul Hallam von Wien aus als Partner der Unternehmensberatung Gal Cap Europe tätig ist, arbeitet Staudinger unermüdlich an der Weiterentwicklung seines wunderbaren Tals. Ein Landart Park, mit Artists in Residence, soll aus dem Mendlingtal werden. Die Villa, in deren jahrhundertalten Gemäuern schon heute zeitgenössische Bilder, Fotos und Skulpturen im spannenden Dialog mit dem historischen Erbe stehen, soll einmal eine bekannte Kunst- und Design-Destination werden.

In den Nebengebäuden will der Erbe, der auch ein begnadeter Koch ist, Galerien und Studios einrichten. Und so ein Wohlfühltal schaffen, das dank der intensiven Begegnung mit Natur, Kunst, Kultur und erlesener Kulinarik alle Sinne ansprechen soll. Florian Staudinger: „Die Mendling soll ein Ort werden, an dem Menschen ausschließlich Gutes widerfährt“, so die Vision des kreativen Ästheten und leidenschaftlichen Gastgebers.

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