Frischer Wind fürs Dorf - so werden Ortskerne belebt
Von Ulla Grünbacher
Ländliche Regionen, vor allem ehemalige Industriezentren, kämpfen seit vielen Jahren gegen die Abwanderung, verwaiste Ortszentren und den Verlust wichtiger Infrastruktur. Eines dieser Dörfer ist Trofaiach, 11.000-Menschen-Ort in der Obersteiermark. „Mein erster Eindruck war: das wird Arbeit. In der Hauptstraße war wenig los, das Leben hat sich um den historischen Ortskern herum entwickelt“, schildert Roland Gruber vom Architekturbüro Nonconform, das sich auf Ortsentwicklung spezialisiert hat.
1. Schritt: Perspektiven öffnen
Wie es zu dieser Spezialisierung kam? „Wir haben erkannt, dass man bei der Phase Null beginnen muss, vor dem Entwurf“, erklärt Gruber. Beauftragt werde das Unternehmen von der Kommune, meist vom Gemeinderat. Meist sei das, wenn die letzte Bank schließe, dann sei der Schmerzpunkt erreicht. In Trofaiach hat Nonconform in einem ersten Schritt dem Gemeinderat und interessierten Bürgern Perspektiven eröffnet, durch eine Reise in vergleichbare Dörfer, die für ähnliche Probleme gute Lösungen gefunden haben, wie Waidhofen an der Ybbs.
Einen Berater im Ort finden
Der nächste Schritt bestand darin, eine Person im Ort zu finden, die sich um den Prozess und alle Anliegen kümmern kann. In Trofaiach hat die Rolle des Beraters im eigenen Ort Erich Biberich übernommen, er wurde über eine Ausschreibung gefunden. Dann hat ein Ideenkorridor stattgefunden, an dem sich 1000 Personen beteiligten. Schließlich stand fest: Das historische Zentrum sollte neu belebt werden, im Umfeld sollte möglichst wenig Neues entstehen.
Neue Geschäft statt Leerstand
„Zunächst musste man sich von der Hauptstraße als Handelsstraße verabschieden“, so Gruber, „und das Zentrum neu erfinden. Der erste Schritt war ein neues Geschäft, mit dem etwas gegen den Leerstand in den Erdgeschoßzonen unternommen wurde. So ist ein Tandler in ein leer stehendes Geschäftslokal eingezogen. „Vorne Laden, hinten Werkstatt“, beschreibt Roland Gruber. Die Lebenshilfe produziert, Künstler entwickeln neue Dinge. „Die Bewohner kaufen hier ihre Geburtstagsgeschenke ein.“
Aus der Peripherie ins Zentrum verlagern
Auch die Gemeinde wollte einen Beitrag zur Belebung der Gemeinde leisten, daher wurde die örtliche Musikschule aus der Peripherie in die alte Sparkasse im Ortszentrum übersiedelt – heute zählt sie bereits 400 Schüler. „Nach wie vor war jedoch der öffentliche Raum sehr desolat“, beschreibt Gruber. Schließlich entschied man sich, aus dem Ortskern eine Begegnungszone zu machen. „Alle Gehsteige kamen weg“, so Gruber. Dann hat das vor Ort ansässige Architekturbüro Stingl-Enge die Begegnungszone zum Leben erweckt, mit einer Farbgebung und einfachen, wirkungsvollen Mustern. Wie ein Teppich legt sich das Muster über die Begegnungszone Trofaiachs, dafür wurden Ort und Planer mit dem Ögut-Umweltpreis ausgezeichnet.
Neuer Busterminal
„Autos fahren heute viel langsamer durch den Ortskern“, weiß Gruber. Dann wurde der öffentliche Raum schließlich noch möbliert, ebenfalls von Stingl-Enge Architekten. Zu guter Letzt hat man die Mobilität in den Griff bekommen. Drei desolate Gebäude wurden abgerissen, an ihrer Stelle ist ein Mobilitätsterminal entstanden mit Busterminal, Fahrradstellplatz und Bücherei. Erich Bibierich, der Koordinator, hat sein Büro in einem leer stehenden Gebäude bezogen. „Immer dann, wenn dieses vermietet wird, zieht er in ein anderes leer stehende Gebäude um“, so Gruber. Sein Büro ist so konzipiert, dass er durch das Dorf wandert.
Prozess dauert zehn Jahre
Denn die Arbeit an einem lebendigen Ort ist mit diesen Maßnahmen noch nicht zu Ende. „Der Prozess dauert in der Regel zehn Jahre, es gibt Tiefschläge und Höhepunkte“, so Gruber. Wichtig sei, das auf der politischen Ebene durchzuhalten. Die gemeinsame Gestaltung mache sich bezahlt. „Wir werden nicht mit nassen Fetzen davongejagt.“