Ein Wohnhaus, das sich der Umgebung anpasst und sie zugleich neu interpretiert.
Knapp über der Nebelgrenze auf einer kleinen Anhöhe bei Kitzbühel befindet sich – umgeben von vier Nachbarhäusern – ein Neubau aus Holz und Beton. Das asymmetrische, zweigiebelige Dach und die großen Fenster wirken auf den ersten Blick modern - dass die Planer beim Entwerfen eine Scheune vor Augen hatten, ist kaum zu erahnen.
Bei genauer Betrachtung erkennt man jedoch typische Elemente wie die Ausführung in Holz oder den Steinsockel in einer Neuinterpretation wieder. Die Idee dazu kam dem Team von mostlikely während eines Spazierganges in der Umgebung. "Der Ort befindet sich in der Nähe von Kitzbühel, wo eine kohärente Architektur besteht. Viele Wohngebäude sind in ihrem Aussehen alten Wohnhäusern nachempfunden. Wir wollten keinen Fremdkörper hineinsetzen, sondern die Umgebung aufgreifen und weiterbauen", sagt Architekt Mark Neuner, der das Projekt leitete. Die Frage, die sich dabei stellte: Wie baut man zeitgenössisch und nähert sich dennoch der gewachsenen Struktur an, ohne optisch etwas nachzueifern, das vor 100 Jahren entstanden ist?
Als Prototyp für weitere Entwicklungen wurde die Scheune herangezogen und neu interpretiert. Der Sockel wurde etwa nicht mit Stein, sondern mit massiven, aufwendig verzierten Betonplatten verkleidet. Der Bildhauer Stefan Buxbaum fertigte dafür Schablonen an, mit denen fliegende Fische, Fabelwesen und ein Blumenmotiv in den Beton geätzt wurden. Diese Optik setzt sich auch beim Garagentor fort, das mitunter eine der heikelsten Aufgaben des Projekts war: "Ein Tor aus reinem Beton würde 30 Kilo wiegen. Das würde die Konstruktion nicht tragen", sagt Neuner. "Es musste im Kern leichter werden." Dazu wählte er Styropor, das mit einer nur drei bis vier Millimeter dicken Betonschicht überzogen und mit dem Löwenzahn-Motiv verziert wurde.
Weitere Zitate an die Scheune finden sich auch im Innenraum. Der loftartige Grundriss und der offene Dachstuhl mit sichtbarem Gebälk verweisen darauf. Der Aufbau erstreckt sich auf zwei Ebenen von unten nach oben. Schlaf- und Badezimmer sind im blickgeschützten Erdgeschoß, Küche, Wohn- und Essbereich sind darüber und durch verschiedene Raumhöhen voneinander getrennt. Die Galerie ist Rückzugsort und holt den Wilden Kaiser ins Blickfeld.
Mark Neuner arbeitete für international bekannte Architekturbüros wie Söhne&Partner, Coop Himmelblau oder Harry Seidler, ehe er sich 2009 selbstständig machte. Seit 2013 betreibt er zusammen mit Kurt Mühlbauer mostlikely architecture, den Architekturzweig der interdisziplinären Agentur mostlikely. Das Wiener Kollektiv wird von fünf Partnern betrieben: Kurt Mühlbauer, Wolfgang List, Mark Neuner, Robert Schwarz und Maik Perfahl (v. li.). In ihren Arbeiten vereinen sie Architektur, Grafik, Design und Sound zu einer Symbiose. Das Ergebnis umfasst Bauwerke, audiovisuelle Installationen bis hin zu Möbeln, wie etwa faltbare Papierleuchten.