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Ausstellung: Die besten Bauten Europas

Ein Plattenbau mit 500 Wohnungen um einen Euro kaufen? Das tat das Konsortium De Flat in Amsterdam. Eigentlich sollte das 1971 errichtete Gebäude namens „Kleiburg“ im Problemviertel Bijlmermeer abgerissen werden. Doch auf Druck der Bevölkerung überlegte es sich der Eigentümer noch einmal.

Im Verkaufsprozess gab es 50 Bieter. Weil De Flat zusammen mit NL Architects und XVW Architectuur ein ganz neues Konzept für das Haus realisieren wollte, erhielt es den Zuschlag: Kleiburg sollte zwar teilweise saniert und umgebaut werden, der massive Betonbau aber erhalten werden und die Wohnungen innen komplett leer bleiben. Ziel war, dass die künftigen Bewohner ihre Apartments selbst kostengünstig ausbauen konnten – je nach vorhandenem Budget.

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Ausgerechnet der Plattenbau Kleiburg, der mit seinen 400 Metern Länge extrem wuchtig und auf den ersten Blick nicht besonders einladend wirkt, wurde zum Vorzeigeprojekt für ganz Europa: Das Gebäude gewann 2017 den „ Mies van der Rohe Award“, den wichtigsten Architekturpreis Europas, der alle zwei Jahre vergeben wird. Nun zeigt das Architekturzentrum Wien (AzW) in der Ausstellung „Europas beste Bauten“ (bis 22. Oktober) jene 40 Projekte, die die Jury in die Longlist des Mies van der Rohe Awards gewählt hat.

Überraschend ist, dass in den vergangenen Jahren spektakuläre Kulturbauten wie Museen als Preisträger geehrt wurden und nun Wohnbauten im Vordergrund stehen. Neben Kleiburg erhielt etwa das Architekturbüro MSA/V+ für einen sozialen Wohnbau in Brüssel den Nachwuchspreis. „Die Hinwendung zum sozialen Wohnbau, aber auch zum Thema Umbau und Weiterbau des Bestandes setzt ein klares Zeichen für eine Reorientierung der Architektur“, sagt AzW-Direktorin Angelika Fitz (siehe Interview Seite 11).

Die Richtung ist klar: Die Architektur nimmt stärker das Recht auf Wohnen und den Umgang mit vorhandenen Ressourcen in den Blick. Gerade mit den großen Nachkriegsbauten aus den 1960er- und 1970er-Jahren tun sich Stadtplaner schwer: Was tun mit den massiven Betonburgen? Alles niederreißen? Gerade Kleiburg, das die Jury mit der Zuschreibung „gewöhnlich und heldenhaft zugleich“ lobt, könnte in dieser Hinsicht ein Vorbild sein. „Wir müssen dorthin kommen, dass Diversität und Flexibilität im sozialen Wohnbau ermöglicht werden“, sagt Hannes Swoboda, AzW-Präsident.

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Im von hohen Wohnungspreisen geplagten Amsterdam stieß die Idee zur Neukonzeption des Plattenbaus Kleiburg auf offene Ohren. „Die ursprünglichen Grundrisse von rund 55 Quadratmetern blieben bestehen, aber es wurde die Möglichkeit geschaffen, mehrere Wohnungen zusammenzulegen“, so Kurator Ivan Blasi von der Fundació Mies van der Rohe. „Mit diesem Konzept wurden verschiedene Zielgruppen angesprochen.“

Viele Bewohner kauften sich daher zwei oder drei der Apartments, die sie – auch über verschiedene Etagen – zusammenlegten. Eine Gruppe erwarb gar neuen Wohnungen und machte daraus so etwas wie eine „Groß-WG“.

Auch in Wien ist es bereits Thema, wie man künftig mit Großwohnbauten wie die Großfeldsiedlung oder die Rennbahnweg-Siedlung umgeht. Die meisten dieser Bauten erreichen ein Alter um die 40 Jahre. Sie wurden zwar stetig instand gehalten und gewartet, aber grundsätzlich stellt sich die Frage, wie eine gemischte soziale Struktur erhalten und ein Generationenwechsel eingeläutet werden kann. „Die AzW-Ausstellung ist dahingehend eine Ermutigung, neue Modelle wie Kleiburg auszuprobieren“, sagt Angelika Fitz.

Auch das beste Nachwuchsprojekt des Mies van der Rohe Awards, Navez in Belgien, setzt in dieser Hinsicht neue Standards: Das Gebäude wurde 2015 an einer der wichtigsten Einfahrtsstraßen in Brüssel errichtet. Es sollte dem Viertel eine neue Identität geben und Wohnraum für kinderreiche und einkommensschwache Familien bieten. Das Architekturbüro MSA/V+ setzte diesen Anspruch mit einem Landmark-Building mit fünf große Wohnungen, die alle lichtdurchflutet gestaltet sind, um. Die helle Fassade aus Ziegelsteinen stammt übrigens vom österreichischen Ziegelhersteller Wienerberger.

Insgesamt 355 Projekte aus 36 europäischen Ländern wurden beim Mies van der Rohe Award eingereicht. Die international besetzte Jury reiste quer durch Europa, um die einzelnen Projekte zu besichtigen. Die Architekten ließen sich dabei einiges einfallen, um ihre Bauten kreativ zu präsentieren, wie AzW-Direktorin Angelika Fitz berichtet: Das Team um den französischen Architekten Rudy Ricciotti etwa galoppierte mit Pferden zum Projekt, dem Rivesaltes Memorial Museum.

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Das Museum im Süden Frankreichs ist neben den beiden Hauptpreisträgern eines von vier Finalisten. Die anderen drei sind: das Katyn Museum in Warschau (BBGK Architekci, Jerzy Kalina, Maksa), das Wohnbauprojekt Ely Court in London (Alison Brooks Architects) und das Kirchengebäude

Kannikegarden im dänischen Ribe (Lundgaard & Tranberg Architects).

Der Mies van der Rohe Preis ist mit 80.000 Euro einer der best dotierten Architekturpreise Europas und wird von der EU mit rund 350.000 Euro unterstützt. 1988 wurde er zum ersten Mal vergeben. Seit 1996 nimmt auch Österreich daran teil. Heuer kam keines der eingereichten Projekte auf die Longlist, allerdings sind die 18 eingereichten Projekte mit österreichischer Beteiligung in der AzW-Ausstellung zu sehen.

www.azw.at