Wirtschaft

Hundstorfer: "Lernen aus Fehlentwicklungen"

KURIER: Arbeitslosigkeit, Pensionen, Mindestsicherung – es gibt fast keine Baustelle, die nicht zu Ihrem Ressort zählt.

Rudolf Hundstorfer: Das Sozialressort ist immer im Brennpunkt. Das sind aber keine Baustellen. Ein niedriges Wirtschaftswachstum erzeugt unerfreuliche Arbeitslosenzahlen. Umgekehrt gibt es trotzdem einen weiteren Zuwachs an Arbeitsplätzen.

Die Zuwanderung wächst schneller als die Jobs.

Aber die Qualität der Zuwanderer ist besser geworden. Hauptsächlich geht es um die europäische Binnenwanderung, also um jüngere Ungarn, Rumänen und Bulgaren.

"Ganz unten" herrscht Verdrängungswettbewerb.

Auf einen Hilfsarbeiterjob kommen 23 Bewerber. Diese Gruppen muss man nachqualifizieren, aber wenn dann noch ein Gesundheitsproblem dazukommt, wird es schwierig.

Diese Gruppen sind bisher in Hacklerpension gegangen.

Nein, die meisten Hacklerpensionisten sind Mitarbeiter so wie Sie.

So jemand sollte nicht in die Hacklerpension gehen.

Das ist genau der Punkt. Die Hacklerpension war eine gut gemeinte Aktivität von Wolfgang Schüssel und Herbert Haupt (damaliger Sozialminister, Anm.) und ist nichts anderes als eine Langzeitversichertenpension.

Sie hätte 2010 auslaufen sollen. Die Regierungen danach haben sie zwei Mal verlängert.

Stimmt. Aber ich habe das Alter dann auf 62 hinaufgesetzt und Abschläge eingeführt. Jetzt hat man damit im Schnitt ein zwanzigprozentiges Pensions-Minus.

Was hält Leute länger im Job?

Es muss ein Umdenkungsprozess stattfinden. Das Senioritätsprinzip – dass ältere Arbeitnehmer teurer sind – gilt nicht überall: zum Beispiel im Handel nicht.

Firmen fürchten, Ältere schwerer loszuwerden, weil diese eine Kündigung wegen Sozialwidrigkeit anfechten können.

Die Judikatur der Arbeitsgerichte in den letzten Jahren zeigt keinen automatischen Kündigungsschutz. Wir sind am Weg zu höherer Beschäftigung im Alter. Wenn man die Invalidität wegrechnet, dann gehen die Österreicher mit 62,4 Jahren in Pension.

Genau jene, die besonders geschützt sind, gehen besonders früh in Pension – siehe pragmatisierte Eisenbahner oder Wiener Landesbeamte.

Das Durchschnittsalter der Wiener Magistratsbeamten beim Pensionsantritt ist rund 57,1. Da stecken alle möglichen Berufsgruppen – von der Krankenschwester bis zur Feuerwehr – drinnen. Der Magistratsbeamte hat einen höheren Pensionssicherungsbeitrag als der Bundesbeamte, es gibt keine Langzeitversichertenpension und keine Abfertigung. Und auch Frauen haben ein Antrittsalter von 65.

Wien hat die Übergangsbestimmungen für das neue Pensionsrecht aber mehr als ausgereizt.

Ich habe das für die Wiener Gemeindebediensteten selbst verhandelt. Das endet im Jahr 2042, in Niederösterreich 2035 (Bundesbeamtenrecht: 2024). Die Rechnungshof-Kritik daran ist veraltet.

Es gibt Berechnungen, dass der Staat schon die Hälfte zu den Pensionen dazuschießen muss.

Falsch. Alle Pensionsversicherungen – ohne Beamte – haben ein Volumen von 38 Milliarden, davon trägt der Staat zehn Milliarden. Darunter sind reine Sozialleistungen, etwa die Ausgleichszulage. Für Beamte überweist der Staat weitere neun Milliarden, die man nicht dazuzählen kann, weil es da kein Umlagesystem gibt.

23 Prozent der Steuerleistung geht an die Pensionen – das ist dennoch ziemlich viel.

Gar nicht! Das ist ein normaler Zustand. Der Staat bezahlt die Beamten aus dem Budget, aber auch die Beiträge der Beamten fließen ins Budget. Beamte können sich ja nicht mit 70 auflösen.

Wenn es so weitergeht, geben wir aber bald jeden zweiten Euro für Pensionen aus.

Nein. Die Staatseinnahmen steigen und die Leistungen für die nächsten Generationen sinken. Es muss doch endlich anerkannt werden, dass wir ordentlich eingreifen! Wir lernen aus den Fehlentwicklungen der Vergangenheit. Damit angefangen hat – zugegeben – der Herr Schüssel.

Ihre Gewerkschaft ist dagegen damals auf die Barrikaden gestiegen.

Aber nur wegen der Ad-hoc-Einführung des Pensionskontos. Seit 2005 leben wir in einer neuen Welt, die haben wir seither noch verfeinert. Ich habe an vielen Schrauben gedreht, auch bei der Invaliditätspension.

Die Mindestsicherung wird neu verhandelt. Was kommt? Vor allem in Wien laufen die Kosten davon.

Stimmt. Es spricht nichts dagegen, manche Geldleistung in eine Sachleistung (etwa Mietzahlungen, Anm.) umzuwandeln. Natürlich bekommen auch 10.000 der 17.000 als arbeitslos gemeldeten Asylberechtigten daraus Geld. Im Schnitt wird die Leistung 8,2 Monate bezogen.

Fürchten Sie, dass all diese Debatten Ihre Hofburg-Kandidatur beeinträchtigen könnten?

Die Frage der Kandidatur stellt sich erst zu Weihnachten. Es steckt offenbar eine Strategie dahinter, mich zu beflecken. Aber das ist Kindergarten-Niveau!

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