Marmeladekönig und Gurkenprinz
Von Simone Hoepke
Nach wie vor kochen die Österreicher mehr Marmelade ein als die gesamte Industrie im Handel absetzt. Und weil heuer besonders viel in den Gärten geerntet wurde, haben Private besonders viel eingekocht – das lässt sich an den Verkaufszahlen von Gelierzucker ablesen.
"In Österreich ist um 20 Prozent mehr Gelierzucker verkauft worden als im Vorjahr – und da war die Basis schon sehr hoch", weiß der Wiener Marmeladekönig Hans Staud. "Das werden wir bei der Inlandsnachfrage spüren." Auf genaue Zahlen will er sich nicht festlegen, aber auch sein Tiroler Branchenkollege Darbo stellt sich schon auf weniger Geschäft am Heimmarkt ein.
Gut laufen die Geschäfte auch in Italien, wo die Mailänder Handelskette Esselunga, die 170 Märkte in Norditalien betreibt, das Angebot an Staud-Konfitüren auf 25 Sorten ausbauen will. Unterm Strich werde der Unternehmensumsatz heuer steigen, "wir liegen über dem Vorjahreswert", sagt Staud.
Dennoch findet er, dass wir in einer "witzlosen" Zeit leben. "Oder kennen Sie einen neuen Beamten- oder Steirerwitz? Eben. Das sagt viel über uns aus", findet er. Es werde nicht mehr so viel gelacht, schon gar nicht über sich selbst, eine gewisse Lethargie habe sich eingeschlichen, auch in der Politik.
Die Wiener Stadtpolitik hat der "Marmeladinger" im Sommer wach gerüttelt. Mit seiner lauten Überlegung, die Produktion nach Niederösterreich, etwa Poysdorf, zu verlegen. Dort hätte er weniger Probleme mit den Behörden und der Parkplatzsituation und vor allem könnte er dort auf der grünen Wiese billiger bauen als mitten im 16. Bezirk. Staud: "Wir sind mit beiden Bundesländern in Verhandlung, bis Februar wollen wir entscheiden." Bis zu zehn Millionen Euro will er investieren – das ist mehr als sein Jahresumsatz, zuletzt 8,5 Millionen Euro.
Schauproduktion
Staud hat aber auch noch anderes zu tun. Etwa seine Nachfolge zu regeln, sagt der 66-Jährige. Verheiratet war er immer nur mit dem Unternehmen. "Die Übergabe wird eine Stiftungslösung werden, bei der ich Mitarbeiter und Landwirte dabei haben will. Bis Mitte nächsten Jahres will ich das geregelt haben."
„Die 25-Prozent-Rabatte im Handel sind eine Katastrophe, irgendwann wird das System implodieren“, ärgert sich Marmeladenproduzent Hans Staud über Angebote für ganze Sortimente. Der Kunde werde so ja zu einem einzigen Aktionsjäger erzogen.
Das ärgert auch den Bauernbund, der am Donnerstag eine weitere Anzeige bei der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) erstattet hat (mehr dazu hier). Weil Zielpunkt an zwei Tagen Haltbarmilch von Schärdinger um 54 Cent verkauft. Die Molkereien zahlten ihren bäuerlichen Lieferanten zuletzt 38,91 Cent netto je Kilo (brutto 43,58 Cent), der Bauernbund spricht von Preisdumping. Zielpunkt kontert: „Die Kosten der aktuellen Aktion tragen wir, sie geht nicht zulasten der Bauern.“
Schon im September hat der Bauernbund sich über eine Frischmilch-Aktion von Penny bei der BWB beschwert. Diese prüft jetzt in beiden Fällen, ob eine Wettbewerbsverzerrung vorliegt. Ist dem so, könnten den Händler Geldbußen drohen.