Wirtschaft

Gugging: Eine Galerie der besonderen Art

Es ist eine andere Welt, die sich auf der Anhöhe am Waldrand oberhalb von Klosterneuburg, Niederösterreich, auftut. In der abgeschiedenen Idylle am Gelände der aufgelassenen Landesnervenheilanstalt Gugging, eine halbe Autostunde von Wien entfernt, ist ein weltweit einzigartiges Art-Brut-Zentrum entstanden.

Basis ist eine kleine Künstler-Kolonie, die im "Haus der Künstler" wohnt und arbeitet. Darunter, im ehemaligen "Kinderhaus", befinden sich das Museum Gugging und das wirtschaftliche Kernstück, die vor 20 Jahren gegründete Galerie.

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Deren Geschäftsmodell ist international einzigartig. "Wir sind die einzige Galerie weltweit, die besachwalteten Künstlern gehört", erklärt Geschäftsführerin Nina Katschnig. Die Einnahmen aus der Galerie, die im Jahr rund 800.000 Euro Umsatz erzielt, ermöglichen den Künstlern ein Auskommen. "Menschen mit chronisch psychischen Erkrankungen gelten in unserer Gesellschaft als Sozialschmarotzer, die dem Staat auf der Tasche liegen", ärgert sich Katschnig über Vorurteile. "Die Künstler geben unserer Gesellschaft so viel. Alleine könnten sie sich aber nicht vermarkten, dafür haben sie uns".

Die Galerie hängt seit einigen Jahren als GmbH an der "Künstler aus Gugging Beteiligungs KG". Die Kommanditisten sind über ihre Sachwalter sechs Gugginger Künstler. Seit dieser Konstruktion kann die Galerie auch den Nachlass bereits verstorbener Künstler betreuen, wie etwa von August Walla, einem der berühmtesten Vertreter der Art Brut.

Nicht planbar

50 Prozent der Einnahmen aus dem Verkauf der Bilder gehen direkt an die Künstler. Mit dem Rest werden die Kosten der Galerie abgedeckt. Große Gewinne werden freilich nicht gemacht, es geht sich gerade aus.

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Eines braucht die Kunst-Expertin, die sich seit 1997 in Gugging engagiert – viel Geduld. Weil das Business-Modell eben nach wirtschaftlichen Gesetzen funktionieren soll. Auf der einen Seite muss der Kunstmarkt bedient werden. Auf der anderen Seite stehen Künstler, deren Arbeit überhaupt nicht planbar ist. "Es gibt so gut wie keine Auftragsarbeiten. Die Künstler machen ausschließlich, was sie wollen. Was entsteht, das entsteht", schildert Katschnig. Schließlich bekommt die Galerie im Gegensatz zum Museum "keine Subventionen. Jeder Cent ist selbst verdient".

Eine der ganz seltenen Ausnahmen bei Auftragsarbeiten ist das bemalte Ohr von Johann Garber vor dem ORF-Funkhaus. Solche Aufträge sind für die öffentliche Hand gedacht und müssen einen Mehrwert für den Künstler haben.

Natürlich ist es nicht einfach, Besucher und potenzielle Käufer nach Gugging zu bringen. Rund 30 bis 40 Prozent des Kaufpublikums sind internationale Kunstliebhaber. Da gibt es schon einmal Interessenten aus den USA, die im "Sacher" absteigen und sich nach Gugging chauffieren lassen. Die Galerie ist inzwischen international bekannter als in Österreich.

Leichter wäre es mit einem Standort in der Wiener Innenstadt. Doch die Miete ist viel zu teuer, winkt Katschnig ab. Außerdem wäre die Galerie nicht mehr in das Gesamtkonzept eingebunden. In der City würden Besucher die Künstler nicht mehr in ihrem Alltag antreffen.

Rentable Geldanlage

Kooperationen mit anderen Galerien und Museen funktionieren gut. Im Vorjahr beispielsweise gestaltete das Gugging-Team in einer renommierten New Yorker Galerie eine Einzelausstellung mit Arbeiten von Günther Schützenhofer. Die Ausstellung war ausverkauft. "Als klar war, dass Schützenhofer in den USA was gilt, hat er sich auch in Österreich besser verkauft", schildert Katschnig die Mechanismen des Kunstmarktes.

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Durch die neue Firmenkonstruktion konnte die Galerie auch für Künstler geöffnet werden, die nicht zur Gugginger Kolonie gehören, sich aber mit Art Brut auseinandersetzen. So kann Katschnig parallel zur derzeitigen Adolf-Wölfli-Ausstellung im Museum um 80.000 Euro eines der wenigen käuflichen Werke des Schweizer Art-Brut-Stars anbieten.

Wer in Kunst als Geldanlage investiert, ist bisher mit Art Brut gut gefahren. Der Preis für ein Blatt von Johann Hauser etwa stieg seit 1986 von 2000 auf heute 40.000 bis 60.000 Euro. Die Werke der Gugginger Künstler haben durchaus noch viel "Kursfantasie nach oben", wie man bei einer Aktie sagen würde. Preise um die 100.000 Euro sind zwar derzeit am oberen Limit, im internationalen Kunstbetrieb sind solche Größenordnungen aber immer noch bescheiden.

Den Begriff prägte der französische Maler Jean Dubuffet. Er bezeichnete damit eine „edle, herbe, ursprüngliche Kunst“, jenseits etablierter
Kunstformen und -strömungen. Im anglo-amerikanischen Raum ist der – mittlerweile umstrittene – Begriff „Outsider Art“ (Außenseiter-Kunst) gebräuchlich.
Seit den 70er-Jahren gehören die Künstler aus Gugging zu den weltweit wesentlichen Exponenten der Art Brut.

„Art Brut ist eine Kunst, die nicht von Kunst beeinflusst ist. Das Einzige, was Art-Brut-Künstler gemeinsam haben, ist dass sie nichts gemeinsam haben“, definiert der Bildhauer und Psychiater Johann Feilacher.

Er übernahm 1986 als Direktor die Agenden des Psychiaters Leo Navratil, der Gugging aufbaute und die Künstler gezielt förderte. Feilacher machte aus dem ursprünglich klinisch orientierten Zentrum eine Wohngemeinschaft für die Künstler.