Grüne Woche: Bio-Strohhalme und Hengst-Sprünge
Von Simone Hoepke
Der Oberösterreicher Josef Mahlinger ist mit 30.000 Strohhalmen nach Berlin gereist. Dort hat er einen Stand in der Bio-Halle der Agrarmesse bezogen, ein paar Strohballen aufeinandergetürmt und eine überdimensional große rot-weiß-rote Flagge mit Bundesadler aufgehängt. Sein Produkt ist "doof", sagt er selbst. Eigentlich ist es auch gar nicht seines, sondern das von seinem Nachbarn Daniel Auinger. Aber der Bio-Bauer ist noch nicht in Berlin angekommen.
In der Tierhalle gibt es mehr Stroh als in so manchem Stall. Die Pferde, Ziegen, Schafe und Rinder sind herausgeputzt, das Publikum begeistert. Die Pfauenziege, die regungslos vor sich hindöst, lässt das kalt. Nur einmal zuckt sie kurz mit dem Ohr, was eine Dame begeistert in die Hände klatschen lässt. "Die lebt ja wirklich", ruft sie ihrem Mann zu. Der hat es eilig, denn die Ränge auf der Tribüne füllen sich. In fünf Minuten beginnt der Freispringwettbewerb der 4-jährigen Hengste, wird per Lautsprecher verkündet.
Zeltfeststimmung
In der Nachbarhalle, wo ein ukrainische Restaurant samt Gastgarten aufgebaut ist, wird bereits getanzt und gesungen. "Probieren Sie die ukrainische Wurst", ruft die Sängerin in Tracht zwischen den Liedern ins Publikum, das in Frühschoppen-Manier zu schunkeln beginnt. "Leckeres ukrainisches Bier, hell oder dunkel. Probieren Sie", hallt es von der Theke her.
Schräg gegenüber, hinter der Donezker Fleischtheke, tanzt eine Frau mit Blumenkranz in den Haaren. Zumindest, wenn sie kurz Zeit dazu findet. Die Studentin aus Kiew verkauft eine traditionelle ukrainische Suppe mit Champions – in Plastikschüsseln zum Mitnehmen. Das Gedränge in den Gängen nimmt zu. Wo es gratis Kostproben gibt, bilden sich Menschentrauben. Ein Aussteller verteilt kuhförmige Luftballons, die sich über die Hallen ausbreiten und so manchem Besucher ins Gesicht klatschen. Und draußen, auf der Straße, trommeln 50.000 Tierschützer gegen Massentierhaltung, Gentechnik und TTIP.
Die Speckjause ist angerichtet, der Wein eingeschenkt, der Musiker hat die Ziehharmonika umgeschnallt, und Agrarminister Andrä Rupprechter steht inmitten gekrönter Häupter. Milch-, Elsbeer- und Waldprinzessinnen sind angereist, genauso wie die Karpfenkönigin, die offenbar das Regiment am Hofe führt. Die Nervosität am AMA-Gemeinschaftsstand steigt. Es ist kurz nach 9 Uhr morgens. "In vier Minuten sind sie da", sagt ein deutscher Sicherheitsmann. Sie – das sind der Bürgermeister von Berlin und der deutsche Agrarminister – namentlich die Herren Müller und Schmidt. Sie sind auf Ländertour und schon in der Schweiz. Nur der Stand von Peru trennt sie noch von Österreich. Schon schiebt sich der Tross von Security, Presseleuten und Kamerateams an den Österreich-Stand. Händeschütteln, zuprosten, posieren, weiter geht’s. Die Gruppe bahnt sich den Weg nach Rumänien. Nur ein Herr lässt sich noch geduldig und fast unbemerkt fotografieren. Phil Hogan, der EU-Agrarkommissar.
Elf Stunden und einen Termin-Marathon später kommt Rupprechter bestens gelaunt zum Empfang der Weinmarketing Austria. Er bringt gute Nachrichten aus Russland. Der russische Botschafter hätte ihm gesagt, dass er gerne Grünen Veltliner trinkt. Allerdings habe er das erst nach dem fünften Wodka erwähnt, so Rupprechter.
Tags darauf trifft er seinen russischen Amtskollegen Fjodorow. Beide Seiten seien interessiert, bald die Beziehungen zu verstärken, wenn es die politische Situation zulässt. Und in die Sache mit den gesperrten österreichischen Betrieben komme Bewegung.
Bei der weltgrößten Agrarmesse von 16. bis 25 Jänner in Berlin stellen knapp 1700 Aussteller aus 68 Ländern aus. Ganze Bauernhöfe werden aufgebaut, hunderte Tiere angekarrt, tonnenweise Spezialitäten verkauft. 400.000 Gäste werden erwartet, davon 100.000 Fachbesucher. Sie treffen sich auf der Messe und an Hotelbars zu offiziellen und informellen Gesprächen. 70 Agrarminister kamen auf der Messe zusammen. Sie fordern globale Leitlinien für die Landwirtschaft.