Wirtschaft

Großes Fressen in Rot-Weiß-Rot

Mittwoch, 5. Oktober, sechs Minuten vor Mitternacht. Die Wiener Börse schlief schon längst, wie auch viele Aktionäre. Da überraschte der heimische RHI-Konzern mit einer Ankündigung: Die Österreicher, die feuerfeste Auskleidungen für Schmelztiegel und Brennöfen herstellen, verleiben sich den brasilianischen Konkurrenten Magnesita ein. Immerhin ein Unternehmen, das mit einem Umsatz von 0,9 Milliarden Euro halb so groß ist wie die RHI.

Mit diesem voraussichtlich 1,17 Milliarden Euro schweren Deal schaffte es die RHI an die Spitze einer Rangliste: Im Vorjahr war es die größte Transaktion eines österreichischen Unternehmens im Ausland. Auf Platz 2 in dieser Kategorie landete der steirische Sensor- und Chiphersteller ams, der für 845 Millionen Euro die Firma Heptagon mit Sitz in Singapur schluckte. Immerhin noch 320,7 Millionen Euro schwer war die Übernahme des australischen Glücksspielbetreibers Ainsworth Game Technology durch den niederösterreichischen Novomatic-Konzern. Insgesamt stieg die Zahl der Übernahmen von ausländischen Unternehmen von 116 auf 129, geht aus der jüngsten Studie des Beratungsunternehmens EY hervor. Die Österreicher nahmen dabei insgesamt 3,1 Milliarden Euro in die Hand – fast drei Mal so viel wie im Jahr davor.

Hunger auf Österreich

Auch ausländische Investoren verdreifachten im Vorjahr ihren Einsatz in Österreich. Der Transaktionswert in diesem Bereich erhöhte sich um mehr als das 2,5-Fache auf 6,7 Milliarden Euro. Hochgetrieben wurde dieser Wert vom mit Abstand größten Deal des Jahres: Vonovia, der größte deutsche Wohnungskonzern, übernahm für 2,9 Milliarden Euro den heimischen Immo-Konzern conwert. Dieser Kauf landete auch in der heimischen Wirtschaftsgeschichte: Es ist, laut EY, die fünftgrößte jemals getätigte Übernahme mit österreichischer Beteiligung. Größer waren etwa der Kauf der BA-CA durch die HypoVereinsbank oder die Übernahme der rumänischen BCR durch die Erste Group.

Österreicher kaufen im In- oder Ausland, Ausländer kaufen Österreicher – alles in allem kommt EY für das Transaktionsjahr 2016 auf einen Wert von 10,7 Milliarden Euro (nach 4,7 Milliarden im Jahr davor). Besonders im Immobiliensektor gab es rege Aktivität, weil sich Investoren angesichts der winzigen Zinsen erbauliche Renditen erhoffen.

Interessantes Detail der EY-Untersuchung: Finanzinvestoren spielten in Österreich fast keine Rolle. Bei 95 Prozent aller Übernahmen gaben Firmen, die ihr eigenes Geschäftsmodell durch einen Kauf stärken oder neue Felder erobern wollen, den Ton an.