Wirtschaft

Großbaustellen: Sichere Beweise

Rückblick zum Skylink. Der Neubau des Terminals 3 am Flughafen Wien hatte sich zum Desaster ausgewachsen. Kosten- und Zeitplan davongeflogen, Firmen, die nicht kontrolliert wurden und machten, was sie wollten, die Staatsanwaltschaft auf Hochtouren ermittelnd, Vorstände und Aufsichtsräte vor dem Abgang.

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Da fragte ein Gericht bei Matthias Rant (Bild) an, ob er für das Großprojekt die Beweissicherung durchführen könne. 2500 technische und bauliche Mängel wurden vermutet. Diese galt es aufzuspüren und zu dokumentieren.

"Es stellte sich rasch heraus, dass es sich bei diesem Auftrag um fast unvorstellbare Dimensionen handelte", erinnert sich Rant im KURIER-Gespräch. 10.000 Pläne und 3600 Räume – das war selbst für den Profi Rant, langjähriger Präsident der gerichtlich zertifizierten Sachverständigen, mit herkömmlichen Methoden unmöglich zu schaffen.

200.000 Fotos wurden angefertigt; im Format A4 ausgedruckt ergäben die Bilder nebeneinander gelegt eine Strecke von 42 Kilometern. Das Beweissicherungsgutachten für nur eine Partei hätte in Papier ausgedruckt etwa eine Tonne gewogen. Doch es mussten 14 Parteien beliefert werden.

Um diese Datenmengen zu dokumentieren, entwarfen Rant und sein Partner Gerhard Schuster eine neue Softwarelösung für digitale Bau-Dokumentation. Jeder Raum sollte fotografisch und videomäßig in Sekundenschnelle auf einem Notebook abrufbar sein, in diesem Fall für das Gericht. "Die Fotos konnten per Mausklick so stark vergrößert werden, dass man sogar eine Schraube in der Wand erkannte", erklärt Rant.

An der Software docu-tools arbeiteten 27 Experten für die verschiedensten Bereiche mit, von Stahlbau und Gebäudetechnik bis zu Software-Spezialisten, IT-Anwendungstechnikern und Foto- und Filmteams. Das Projekt gelang, "wir hatten die erste voll elektronische Beweissicherung in dieser Dimension in Österreich abgewickelt".

Rant und Schuster entwickelten docu-tools über ihre Firma Sustain Solutions 2012 zum Geschäftsmodell. Heute arbeiten etwa der Baukonzern Strabag, der Anlagenbauer Andritz, die ÖBB für den Wiener Hauptbahnhof oder die Berliner Charité, eine der größten Universitätskliniken Europas, damit.

Der große Vorteil: Bei Streitigkeiten zwischen Bauherrn und Auftragnehmern kann nicht manipuliert werden. Rant: "Die Speicherung ist urkundsecht, kann also nachträglich nicht verändert werden. Das bedeutet eine hohe Beweiskraft bei strittigen Verfahren." Und erschwert obendrein die in der Baubranche immer noch recht ausgeprägte Korruption. Über ein Tablet können alle Daten gleich direkt auf der Baustelle exakt erfasst und eingespielt werden. Die nachherige mühsame und zeitaufwendige Dokumentation erübrigt sich.

Unter der Wand

Oft treten Mängel an einem Bauwerk erst viel später auf oder neue Installationen sind notwendig. "Wie es hinter jeder abgehängten Decke und unter jeder verputzten Wand wirklich aussieht, weiß dann niemand mehr", erläutert Rant. Meist muss mehr Wand aufgerissen werden, als eigentlich notwendig wäre. Mithilfe der Doku-Software könnten Wände und Decken auf einige Zentimeter genau geöffnet werden.

Zielgruppe sind Bauherren, Architekten, Professionisten und Controller. Aber auch Häuslbauer und Wohnungseigentümer. Die Anwender müssen jedenfalls, schwört Rant, "keine EDV-Spezialisten sein".