Wirtschaft

Gentlemen's Agreement: Darf’s ein bisschen mehr sein?

Die Causa wird das Wiener Handelsgericht noch länger beschäftigen. Rudolf Kemler, der 2015 nach drei Jahren als umstrittener Chef der Staatsholding ÖIAG (heute ÖBIB) abtreten musste, wollte sich am Mittwochabend nicht mit seinem ehemaligen Arbeitgeber vergleichen.

Kemler will 150.000 Euro für an Pensionsleistungen und knapp 100.000 Euro für 58 nicht konsumierte Urlaubstage. Nachfolgerin Martha Oberndorfer revanchierte sich mit einer Gegenklage über 300.000 Euro.

Die Vorgeschichte zeigt, wie in der Staatsholding, die immerhin die wertvollsten Unternehmensbeteiligungen der Republik Österreich (Post, Telekom, OMV, Casinos) verwaltet, gemauschelt und gedealt wurde. Zur Erinnerung: Der unabhängige Aufsichtsrat bestand damals aus einer privat und beruflich eng miteinander verbandelten Freundespartie.

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Kemler erzählt vor der Richterin sehr offen. Bei seiner Anstellung 2012 habe ihm AufsichtsratspräsidentPeter Mitterbauer (Bild, Eigentümer des Autozuliefer-Konzerns Miba) zusätzlich zehn Prozent seines Gehaltes – rund 500.000 Euro – als Beitrag in die Pensionskasse APK zugesagt. Doch eine Anwältin im Aufsichtsrat machte darauf aufmerksam, dass diese Vereinbarung gegen die Bundesvertragsschablonen-Verordnung verstoße. Diese begrenzt die Jahresgage von Managern in Staatsunternehmen mit 500.000 Euro.

Mündliche Vereinbarung

Was also tun? Damit er trotzdem auf sein Geld komme, seien die 150.000 Euro mit Mitterbauer mündlich ausgemacht worden, falls er, Kemler, vorzeitig abgehe. Erzählt Kemler. Obwohl im Anstellungsvertrag ausdrücklich steht, dass Kemler Pensionsleistungen erst nach fünf Jahren zustehen und Nebenabreden nicht gelten.

Kemler dazu: Man habe ja nicht absehen können, wie sich die Dinge entwickeln und eben ein "Gentlemen’s Agreement" getroffen.

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Diese Version ist durchaus glaubwürdig. Drei Jahre später muss Kemler gehen, Aufsichtsrats-Vorsitzender ist inzwischenSiegfried Wolf. Und der stark in Russland engagierte Ex-Magna-Spitzenmanager (Bild) bestätigt Kemler in einem Auflösungsvertrag die 150.000 Euro.

Minister-Paraphe

Eine Version ist auch von Finanzminister Hans-Jörg Schelling paraphiert. Bedeutet eine Paraphe die Kenntnisnahme oder eine Zustimmung? "Nur die Kenntnisnahme", beteuert der damals für die ÖIAG zuständige Spitzenbeamte.

Kemler meint, der Gesamt-Aufsichtsrat habe die Vereinbarung mit Wolf dann abgesegnet. Laut den Protokollen war das allerdings nicht der Fall, das Gremium schob die heiße Kartoffel vielmehr an die Hauptversammlung – sprich dem Beamten – weiter. Dieser wagte ebenfalls keine Entscheidung. Wozu ihm ein Amtsbote auf dem Weg zur Hauptversammlung das paraphierte Minister-Papier nachtrug, kann der an starken Erinnerungslücken leidende Beamte nicht erklären.

Die große Frage: Gilt die Vereinbarung trotzdem? Nein, sagen ÖBIB und die Finanzprokuratur.

Die ÖBIB hätte die Summe Ende Oktober 2015 übrigens beinahe ausbezahlt. Oberndorfer war durch ein Detail stutzig geworden, stoppte die Überweisung und ließ die Sache rechtlich prüfen. Kemler hatte nämlich die (steuerbegünstigte) Auszahlung an die Pensionskasse beantragt, in der Auflösungsvereinbarung aber war die Auszahlung direkt an ihn vorgesehen. Vor Gericht hatte Oberndorfer jedoch ziemliche Probleme, sich präzise auszudrücken.

Weshalb Kemler seinen Resturlaub, den er jetzt einklagt, nicht konsumieren konnte, klärt sich nicht auf. Der Manager war von Juni bis zum Schluss seines Dienstverhältnisses Ende Oktober 2015 freigestellt. Über den Resturlaub wurde aber nie konkret gesprochen.

Mit den Insignien der Manager-Macht wars's teilweise schon vorher vorbei. Kemler durfte zwar das Dienstauto bis zum Schluss behalten, nicht aber den Chauffeur. Mailsystem und Zutrittskarte wurden abgedreht. Man verzichte auf seine Dienste, wurde ihm am 23. Juni 2015 mitgeteilt. Die Erneuerung des Syndikatsvertrages mit Abu Dhabi für die OMV durfte Kemler nicht mehr verhandeln.

Die Gegenforderungen der ÖBIB, von Kemler als "ehrenrührig" abgetan, werden vorläufig nicht verhandelt. Kemler habe gegen die Sparsamkeitsregeln des Public Corporate Governance Kodex verstoßen. Er soll beispielsweise in der Schlussphase Boni-Regeln für vier Mitarbeiter massiv erhöht haben.

Es bleibt jedenfalls spannend. Die Richterin will Mitterbauer, Wolf und Schelling als Zeugen laden.