Frauenquote: Sozialpartner haben Nachholbedarf
Von Anita Staudacher
Am internationalen Frauentag kommende Woche (8. März) gab es schon mehr zu feiern: Obwohl in Österreich beinahe jede zweite Firmengründung (45 Prozent) von einer Frau erfolgt und fast die Hälfte aller Arbeitnehmer (47 Prozent) weiblich sind, scheint das Geschlechterverhältnis in den Führungsfunktionen wie eingefroren. In den Vorstandsetagen heimischer Börsefirmen ging der Frauenanteil im Vorjahr sogar von 6,0 auf 4,8 Prozent zurück. Arbeiterkammer (AK) und Gewerkschaft werden nicht müde, diese Ungleichheit wortreich zu beklagen. Sie haben aber selbst quotenmäßig noch gehörig Aufholbedarf, wie Recherchen des KURIER ergaben (siehe Grafik unten).
Während „die“ Wirtschaft auf Arbeitgeber- wie Arbeitnehmerseite immer weiblicher wird, halten deren Interessensvertretungen mit der Entwicklung nicht Schritt. Ganz oben sieht es bei den Sozialpartnern nicht anders aus als in den Vorständen: Frauen müssen mit der Lupe gesucht werden. Mit Renate Anderl (AK) gibt es nur eine einzige Präsidentin. Auf Bundesländerebene sieht es nicht besser aus. Die Wirtschaftskammer (WKO) hat zwei Landespräsidentinnen, die Arbeiterkammer eine. Die Landwirtschaftskammer ist an der Spitze eine reine Männerbastion. Ebenso wie die – freiwillige – Industriellenvereinigung (IV).
Präsidentinnen fehlen
Die Arbeiterkammer (AK), die 1,7 Millionen weibliche Beschäftigte vertritt und gerne die Quote trommelt, erfüllt diese selbst nur zum Teil. Es mangelt vor allem an Länderchefinnen. Seit AK-Präsidentin Renate Anderl im Vorjahr das Zepter von Rudi Kaske übernahm, geht es mit dem Frauenanteil jedoch bergauf. Im Bundes-Präsidium sind 40 Prozent Frauen, im Bundesvorstand immerhin 30 Prozent. Anderl ist eine engagierte Kämpferin für Frauenrechte. Sie selbst sprengte in den 1980er-Jahren eine Männerdomäne und zog als erste Frau ins Führungsteam der Metallergewerkschaft ein.
Apropos Gewerkschaft: Die ÖGB-Präsidenten sind seit Johann Böhm 1945 durchwegs Männer, den Vize-Posten bekleidet eine Frau. Die vor Jahren von Gewerkschaftsfrauen eingebrachte Forderung nach einer Mann-Frau-Doppelspitze ruht in einer Schublade. Bundes-Vorstand und Geschäftsführung überspringen die 30-Prozent-Quote locker, während es in den Teilgewerkschaften ungleicher zugeht.
Männerlastige vida
Ausgerechnet im frauendominierten Dienstleistungssektor ist die zuständige Gewerkschaft vida männerlastig. Im engeren Bundespräsidium der vida sind nur zwei von acht Funktionären weiblich, in der vida-Geschäftsführung sitzen nur Männer. Vida-Vorsitzender Roman Hebenstreit zeigt sich auf Anfrage zerknirscht: „Die Gewerkschaft muss weiblicher werden, keine Frage. Da haben wir gehörigen Aufholbedarf“, gibt er zu. Gerade sei er dabei, einige Führungspositionen neu zu besetzen. „Bei gleicher Qualifikation werden Frauen bevorzugt.“
Der Funktionärinnen-Mangel hat auch mit dem schwachen gewerkschaftlichen Organisationsgrad im Dienstleistungssektor zu tun. Zwar sind die Beschäftigten im Dienstleistungssektor (Tourismus, Reinigung, Gesundheit, Soziales, Anm.) mehrheitlich weiblich, zwei Drittel der 134.000 vida-Mitglieder sind aber Männer. Viele davon kommen von der gut organisierten Eisenbahner-Gewerkschaft. Hoher Teilzeitanteil, hohe Fluktuation sowie Betreuungspflichten stehen einem gewerkschaftlichen Engagement häufig im Wege.
Unternehmerinnen
In der WKO tut sich quotenmäßig recht wenig. Im Präsidium sind lediglich zwei von acht Mitgliedern weiblich, in den wichtigen Sparten-Gremien sind nur im Gewerbe/Handwerk und im Tourismus zumindest 30 Prozent Frauen vertreten. „Wir sind noch nicht da, wo wir sein wollen“, ist WKO-Vize-Präsidentin Martha Schultz unzufrieden über den geringen Funktionärinnen-Anteil.
Als „Wanderpredigerin“ (Eigendefinition) in Sachen Gleichberechtigung will Schultz den kommenden WKO-Wahlkampf nutzen, um mehr Frauen „anzuwerben“. Die langjährige Vorsitzende von „Frau in der Wirtschaft“ leitet auch das größte europäische Unternehmerinnen-Netzwerk EWN, dem 45 Länder angehören. Der Zeitaufwand sei mit mindestens zwei Tage in der Woche schon sehr hoch, meint sie, aber „es bringt ja auch sehr viel“.
Industriefrauen
In der Industriellenvereinigung (IV) fällt auf, dass zwar auf Bundesebene alle Spitzenpositionen mit Männern besetzt sind, in den Ländern hingegen gibt es in den Geschäftsführungen einen Frauenanteil von 44 Prozent. IV-Frauenbeauftragte Melanie Eckl-Kerber kann sich die Diskrepanz nur schwer erklären. Es könnte aber auch damit zusammenhängen, dass es die aktuelle Spitze in der Bundes-IV schon seit sieben Jahren gibt. "Auf Bereichtsleiter-Ebene gibt es einige Frauen in der IV und auf ExpertInnen-Ebene sogar mehr Frauen als Männer", erläutert Eckl-Kerber.
Generell sei der Frauenanteil in den Vorständen der Industrie sehr gering, was natürlich auch Auswirkungen auf deren Interessensvertretung habe. Dies soll sich aber bald ändern, hofft die Frauenbeauftragte. Seit drei Jahren gebe es in der IV ein eigenes Frauennetzwerk, das genau dieses Ziel verfolge.
Parallelstrukturen
Umstritten ist, ob eigene Frauengremien in den Interessensvertretungen überhaupt noch zeitgemäß sind. „Durch diese Parallelstrukturen müssen Frauen noch mehr Zeit investieren als Männer“, meint Hebenstreit und plädiert für gemeinsame Strukturen. „Es wäre schön, wenn wir keine eigenen Gremien mehr bräuchten, aber dafür ist es noch viel zu früh“, argumentiert Schultz. „Gäbe es Frau in der Wirtschaft nicht, würden Themen wie Vereinbarkeit oder Kinderbetreuung wohl komplett untergehen.“
Übrigens sind in der redaktionellen Führungsebene des KURIER 45 Prozent Frauen.