Wirtschaft

Fondsmanager ächten Samsung

November 2013, Goyang in Südkorea: Samsung glänzt mit einem spektakulären Messeauftritt. Kunststück, die Koreaner haben hier ein Heimspiel. Allerdings stehen nicht etwa die schicken Galaxy-Handys und Tablets in der Auslage: Bei Asiens größter Militärmesse SeoulAdex wird handfesteres Gerät vorgeführt. Etwa die selbstfahrende Panzerhaubitze K-9. Oder automatische Schussapparate wie der SGR-1, die in Werbevideos präsentiert werden.

Ins Bild der hippen Unterhaltungselektronik, das der europäische Handy-User vor Augen hat, passen die Tötungsmaschinen so gar nicht. Kaum jemand weiß, dass der koreanische Mischkonzern über seine Tochter Techwin und das koreanisch-französische Joint-Venture Samsung Thales in der Rüstungsproduktion tätig ist.

Das schwedische Friedensinstitut Sipri führt Samsung auf Rang 54 der größ-ten Waffenhersteller. Zwar macht die Sparte nur rund ein Prozent des Umsatzes aus. Dennoch schließt die österreichische Erste Asset Management (EAM) den gesamten Elektronikkonzern aus ihren selbstverwalteten Fonds aus. Und zwar nicht nur aus den Ethik- oder Nachhaltigkeitsfonds, sondern aus allen.

UN-Konvention

Der Grund: Samsungs Kampfroboter und Waffensysteme können mit Streumunition bestückt werden. Und diese steht auf der UNO-Liste geächteter Waffen – wie auch Anti-Personen-Minen und ABC-Waffen. Samsung ist also kein Einzelfall: Zirka 70 Unternehmen stehen bei der Erste-Fonds-Familie auf der schwarzen Liste, die es seit 2011 gibt.

Allerdings behandelt nicht jeder das Thema gleich. Bei Raiffeisen Capital Management (RCM) gibt es ein ähnliches Dokument, das mit 40 Titeln kürzer ausfällt. Große Rüstungskonzerne wie United Technologies, Lockheed, Boeing, BAE-Systems, Airbus, Saab, Thyssen oder Rheinmetall stehen bei beiden Fondsanbietern auf der "Watchlist". Samsung beispielsweise gilt bei RCM nicht als verpönt – weil es zwar Trägersysteme, aber nicht die Streubomben selbst erzeugt, sagt RCM-Nachhaltigkeitsexperte Wolfgang Pinner.

Kontroversielle Waffen sind das häufigste Kriterium für einen Ausschluss. Zwingende Vorgabe ist das für Fondsmanager aber keine: "Es ist eine Selbstverpflichtung, wir tun es aus Überzeugung", sagt Martin Cech von der Erste Asset Management. Weltweit steige der Druck, nach ethischen Gesichtspunkten zu entscheiden – etwa durch die Investoreninitiative UN-PRI (Prinzipien für Verantwortliches Investieren der Vereinten Nationen), die es seit 2006 gibt. Diese hat weltweit 1260 Unterzeichner, die über 45 Billionen US-Dollar verwaltetes Vermögen bestimmen – das sind rund 15 Prozent des global investierten Kapitals. Sie bekennen sich zu einem verantwortungsvollen Agieren. Sanktionen drohen bei Zuwiderhandeln allerdings nicht.

Noch nicht so lange verpönt ist Spekulation mit Lebensmitteln – diese lässt die Preise steigen und kann somit Hungerkatastrophen auslösen. Derivate auf Nahrungsmittel finde man weder bei der RCM noch der EAM, versichern die Manager. "Wir sind kein Hedgefonds, somit sind Derivate ohnehin kein großes Thema", sagt Cech.

Strengere Regeln

Wer noch strengere Maßstäbe an sein Geld anlegt, muss zu Nachhaltigkeits- oder Ethik-Fonds greifen. Diese berücksichtigen dann auch Standards für Soziales (wie Arbeitsrecht, Kinderarbeit, Glücksspiel), Umweltschutz oder Governance (keine Korruption).

Als Vorbild in Sachen moralisches Investieren gelten skandinavische Pensionsfonds: Sie machen nicht nur schwarze Listen öffentlich, sondern wirken direkt auf Missetäter ein.

In vier Fällen war das 2013 erfolgreich, in vier anderen sei man gescheitert, bilanzierte Christina Kusoffsky Hillesöy vom Ethikrat der schwedischen AP-Fonds: So respektiere der EnergiekonzernAES nun in jedem Land die Menschenrechte. Die Toyota-Tochter auf den Philippinen erlaube ihren Arbeitern, sich gewerkschaftlich zu organisieren.Alstom undVeolia würden sich von Geschäften in Westjordanland zurückziehen. Vier Unternehmen schmiss Kusoffsky aus den Fonds: US-SupermarktrieseWal-Martverweigere den Angestellten weiter Arbeits- und Gewerkschaftsrechte. MinenbetreiberFreeport McMoRanleite in Indonesien nach wie vor Abfälle in die Flüsse. Und Incitec PivotsowiePotash kauften unverändert Phosphat im besetzten Westsahara.

Wal-Mart führt auch der niederländische Pensionsfonds ABP auf seiner Schwarzen Liste – dazu noch 14 Unternehmen wie den japanischen Fukushima-Betreiber Tepco oder Petrochina. Elf Schurkenstaaten dürfen sich auch kein Geld erwarten – von Nordkorea über Liberia bis Somalia.

Gleich 63 Unternehmen schließt der mächtige norwegische Staatsfonds aus – alle großen Waffen- und Tabakkonzerne, dazu Rohstoffgiganten wie Rio Tinto und Norilsk Nickel und erneut Wal-Mart. Die Liste derer, die der Bannstrahl trifft, ändert sich ständig. Jüngst wurden Aktien von 60 Palmölproduzenten und Minenbetreibern verkauft. Derzeit prüft der Staatsfonds (offiziell: Government Pension Fund Global), ob er angesichts des Klimawandels noch in Kohle- und Ölkonzerne investieren darf. Skurril, wenn man bedenkt, woher das gewaltige Fondsvolumen von 604 Mrd. Euro stammt – nämlich aus Norwegens eigenen Öleinnahmen, die für die Zukunft bewahrt werden sollen...

KURIER: Warum ist Samsung aus Ihren Fonds verbannt?

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Martin Cech: Es gibt eine UNO-Deklaration, die festlegt, was geächtete Waffen sind – das reicht von Streubomben über ABC-Waffen bis zu Landminen. Wir verfolgen dabei einen recht strengen Ansatz. Wenn es einen Graubereich gibt, stellen wir gemeinsam mit Research-Agenturen Nachforschungen an. Lässt sich ein Unternehmen nicht einwandfrei als unbedenklich belegen, wird es sicherheitshalber ausgeschlossen.

Kann man auf so einen Technologiegiganten verzichten?

Wenn man konsequent sein will, ja. Als Nachhaltigkeitsteam folgen wir natürlich einer Überzeugung – aber wir wollen auch generelle Reputationsrisiken vermeiden.

Andere namhafte Konzerne wie Hewlett-Packard, NEC, Mitsubishi, General Electric oder Fiat-Iveco stellen auch Waffen her. Wo zieht man da die Grenze?

Genau das ist die Aufgabe unseres Teams. Von allen Fonds ausgeschlossen sind Waffen, die auf eine Massenvernichtung oder Tötung ziviler Personen abzielen. In den nachhaltigen Fonds sind darüber hinaus auch Hersteller von herkömmlichen Waffen kein Thema. Intensiv diskutiert wird gerade über Roboter, weil diese für zivile und militärische Zwecke genützt werden können.

Ist Ihre schwarze Liste öffentlich verfügbar?

Nein, sie wird nur intern von Portfolio-Managern verwendet.

Bewirkt das was oder beruhigt nur der Anleger sein Gewissen?

Der Anlegerwunsch, dass sein Geld sauber investiert wird, spielt eine Rolle. Ob es etwas bewirkt? Das geht in kleinen Schritten, aber das Thema gewinnt global stark an Bedeutung. Ich glaube schon, dass es langfristig für die Unternehmen Folgen hat.

Legt man strenge Maßstäbe an, wo darf ein Nachhaltigkeitsfonds noch investieren? Ist z. B. Fossil-Energie generell tabu?

Öl ist ökologisch nicht unproblematisch, aber wir gehen den pragmatischen Weg. Energiekonzerne sind nicht per se ausgeschlossen, aber untergewichtet. Wir investieren hier gezielt in die Vorreiter bei erneuerbarer Energie.