Wirtschaft

Experte: "Bankenrettung oft teurer als Abwicklung"

KURIER: In Österreich wurden Banken verstaatlicht und mit Milliarden gestützt. Die EU drängt jetzt auf den baldigen Ausstieg. Ist das realistisch?

Stefan Pichler: Bei der früheren Kommunalkredit läuft der Verkaufsprozess professionell ab, aber der Zeitplan ist sehr ehrgeizig. Bei seriöser Arbeit ist er in der vorgegebenen Zeit wohl nicht zu schaffen. Es besteht aber die Chance, dass jemand einen anständigen Preis bezahlt und der Staat mit einem blauen Auge aussteigt.

Was ist für Käufer so interessant an der Kommunalkredit?

Die Banklizenz an sich ist ein großer Wert, da gibt es immer eine Nachfrage. Und die langfristigen Kundenbeziehungen sind ein wesentlicher Faktor. Nicht zuletzt hat die Bank sehr geringe Kosten.

Und bei der Hypo Alpe-Adria?

Da ist die Lage viel schwieriger, weil sie über Jahre fehlgesteuert wurde und auch in Österreich unter Wasser ist. Wie es da weitergeht, ist völlig offen. Es kann gut gehen, zu einem Dauerproblem werden oder durch Insolvenz beträchtlich Steuergeld kosten.

Muss wirklich jede Bank gerettet werden?

Die Erfahrungen aus den 1930er-Jahren lehrten uns, bei Ausbruch der Finanzkrise möglichst jede Bank zu retten. Sie gelten als Teil der Infrastruktur wie Stromnetze oder öffentlicher Verkehr. Wenn da etwas nicht funktioniert, bricht in der Wirtschaft alles zusammen. Die Bankenrettungen sind aus diesem Blickwinkel zu betrachten. Damals war es richtig, heute weiß man, dass einige Institute nicht so wichtig gewesen wären oder eine Rettung teurer war als die Abwicklung. Der Hauptfehler war, dass man sie nicht geordnet in den Konkurs schicken konnte. Da kann ein Bankeninsolvenzrecht helfen.

Auch andere österreichische Banken stehen unter Beobachtung. Die Ratingagentur S&P hat ihren Ausblick für die größten Institute auf negativ gesenkt. Zu Recht?

Begründet wird dies mit Osteuropa. Dort ist die Ertragslage schwierig geworden, aber die Wachstumschancen sind größer als bei uns. Man muss zwischen den einzelnen Ländern differenzieren. In Polen etwa läuft die Wirtschaft grundsätzlich gut, in der Ukraine hingegen schlecht.

Auch das zu geringe Eigenkapital wird bemängelt.

Die Idee das Risiko einer Bank durch das Vorschreiben einer Mindesteigenkapitalquote in Abhängigkeit vom eingegangenen Risiko zu regulieren, ist an sich sehr gut. Eine Bank, die sehr riskante Kredite vergibt, soll mehr Eigenkapital vorweisen müssen, als eine Bank, die sehr vorsichtige Kredite vergibt. Das Eigenkapital dient dabei als Risikopuffer, um eine Insolvenz zu verhindern. Allerdings wird man immer Finanzprodukte finden, deren Risiko weder durch Gesetze noch durch die Bankenaufsicht ausreichend erfasst werden können, sodass es trotz kompliziertester Gesetze und Regulierungen zu keiner wirksamen Reduktion des Risikos in den Banken kommen wird. Die Kosten, diese Regulierungen umzusetzen und auch die damit einhergehende Rechtsunsicherheit, weil ja Banken und Aufsicht gleichermaßen überfordert sind, überwiegen meiner Ansicht nach den möglichen Nutzen.

Alle Inhalte anzeigen
In welchen Bereichen können heimische Banken noch nachhaltig Gewinne erzielen?

Solange die Zinsen so niedrig sind, die Kreditausfallsraten nicht zurückgehen und die Kosten der Regulierung so hoch bleiben, ist im klassischen Bankgeschäft sehr wenig zu verdienen. Aber Banken haben noch ein Alleinstellungsmerkmal als Provider für Informationstechnologie in der Finanzwelt. Aufgrund von Systemsicherheit, Anlegerschutz und Marktaufsicht kann das nicht so einfach von ein paar findigen Internetportalen wahrgenommen werden. Zahlungsverkehr, sichere Geschäftsabwicklung, Finanzbuchhaltung und Risikoanalysen sind vielleicht die wichtigsten Bankdienstleistungen der Zukunft.

Ist das österreichische Bankgeheimnis Geschichte?

Das Bankgeheimnis, im Sinne sich gegen einen europaweiten Datenaustausch zu wehren, ist nicht aufrechtzuerhalten. Abschaffung kommt.

Ein Teil der Österreicher fürchtet aber, dass es ein weiterer Schritt hin zum gläsernen Menschen ist.

Da muss unterschieden werden zwischen der Weitergabe von Daten an die Behörden und an Privatpersonen. Es darf nicht sein, dass dann etwa der Ex-Partner an relevante Bankinformationen gelangt. Das ist ohnehin nicht beabsichtigt, dennoch muss man die Ängste verstehen.

Finanzministerin Maria Fekter wollte zuerst die Steueroasen in Europa trockenlegen, ehe sie über das Bankgeheimnis verhandelt. Ist ihr Standpunkt für Sie nachvollziehbar?

Es ist nachvollziehbar, das einzufordern, aber es ist nicht leicht umzusetzen. Großbritannien etwa kann nicht einfach dem souveränen Inselstaat Jersey vorschreiben, was er tun soll. Es ist auch nicht die allein selig machende Maßnahme, denn es gibt auch Steueroasen außerhalb Europas.

Neben dem Bankgeheimnis sorgten auch heimische Bankmanager für Unruhe, die die Einlagensicherung auch für Spareinlagen unter 100.000 Euro infrage stellten.

Der Staat kann das System entweder komplett deregulieren und keinen Sparer schützen. Oder, so wie jetzt, kleine Sparer schützen. Dann muss er aber das Recht erhalten, Banken rechtzeitig vor einer Insolvenz zu übernehmen und die Fremdkapitalgeber, dazu zählen auch Sparer mit höheren Einlagen, zur Kasse zu bitten. Das wäre also ein Haircut ähnlich wie in Zypern. So könnte ich die Steuerzahler schonen.

Die Risikoaufschläge bei Staatsanleihen der europäischen Schuldenländer sind trotz Zypern-Krise und Italien-Wahlchaos aber wieder zurückgegangen ...

In den Schuldenländern investieren nur noch Investoren aus diesen Staaten oder die, die bewusst das Ausfallsrisiko zugunsten einer höheren Verzinsung eingehen. Die rechnen nicht mit einer Katastrophe und sind nicht so nervös wie all jene, die auf reine Werterhaltung setzen. Diese Investoren haben die Papiere schon alle verkauft.