Wirtschaft

Ackermann wirbt um Verständnis für sich

Sonntagabend 15. 9. 2008: Die größte Weltfinanzkrise seit 1930 droht mit der gerade crashendenHypo Real Estate“, dem wichtigsten Hypotheken-Halter Deutschlands, nun auch dessen Geldautomaten versiegen zu lassen. Die Banken wollen das mit Stützungen verhindern, einige aber nur mithilfe der Politik. Als Chef der wichtigsten Bank des Landes kann Josef Ackermann nach nervtötenden Stunden die lange zögernde Kanzlerin Merkel damit überzeugen: „Das wäre der GAU“. Um als um ein Uhr die Börse Tokio öffnet, ist die HRE gerettet – mit 8,5 Milliarden Euro Steuergeld. Und Ackermann einer von Merkels engsten Finanzberatern.

So schildert sein Ex-Pressesprecher in einem neuen Buch den wichtigsten Moment in Ackermanns Karriere (Stefan Baron: „Späte Reue“, Econ, 24,99 Euro). Sechs Jahre als Chef der Deutschen Bank machten ihn wie keinen anderen deutschen Banker zum Symbol für Glanz und Elend des Bankenkapitalismus.

Der Schweizer, Jahrgang 1948, der nie den Akzent ablegte und zu Hause Reserve-Oberst ist, kam 2002 nach Frankfurt zur ersten Adresse der deutschen Hochfinanz. Vier Jahre später war er ihr unumschränkter Herrscher.

Als international geprägter Manager, Spitzname „Joe“, fürchtete er nichts mehr als die Übernahme durch potente US-Geldhäuser, die der niedrige Aktienkurs des ertragsschwachen Flaggschiffs anzog. Als Rezept dagegen machte er extremen Druck auf sein Haus, dessen Gewinne und damit den Aktienkurs zu pushen.

Exzesse

„Joes“ öffentlich verkündete Vorgabe von „25 Prozent Jahresrendite“ steht heute für die Exzesse dieser Jahre, was inzwischen auch er zugibt. Ein leichtsinnig vor Fotografen gemachtes Victory-Zeichen in einem Schadenersatzprozess gegen die Bank wurde zum visuellen Symbol dieser Überheblichkeit.

So wie der frühe Spott auf Kollegen, er selbst würde „sich schämen, Staatsgeld anzunehmen“. Denn er stieß, anders als in seiner vom Geldgeschäft stark lebenden Heimat, hier auf ein Grundmisstrauen, das weit in bürgerliche Kreise und Medien reicht.

Nicht mehr in Deutschland sondern am Finanzzentrum London erwirtschafte die Abteilung des Inders Anshu Jain mit Spekulation auf alles, was der Markt bot, zeitweise 90 Prozent ihres Gewinns. Die Hälfte ihrer Manager versteuerte dort. Unter Ackermanns Führung überstand die Bank die Finanzkrise aber damit besser als der Großteil der Konkurrenz.

Trotzdem blieb er umstritten. Zuletzt, weil er seine Nachfolge nicht selbst regelte, die Jain und Co-Chef Jürgen Fitschen erst nach quälenden Intrigen übernahmen. Sie revidierten manche seiner Entscheidungen, haben bisher aber kein klar erkennbares eigenes Rezept.

Ackermann selbst ist nun wohl am Ende seiner außergewöhnlichen Karriere angelangt. Er tritt aus der Führung der Aufsichtsräte von Siemens und Zurich Financial Services, die er nach 2012 übernommen hatte, zurück: Nach dem Selbstmord des Finanzchefs des Schweizer Konzerns hatte ihn dessen Familie mitverantwortlich dafür gemacht. Das wies er bei der Buchvorstellung am Donnerstag in Berlin klar zurück.

Er wolle, dass man „mich als Mensch besser versteht – und die Zwänge von Vorstandschefs“. Wichtig ist ihm auch die Bilanz seiner Banker-Zunft und -Zeit: Die meisten hätten „nach der Krise verstanden, welche Geschäfte unethisch sind. Das Problem sind die fünf Prozent, die sich nicht daran halten.“