Wirtschaft

ESM-Beschluss: Populisten-Festspiele im Nationalrat

Die Regierungsbank im Nationalrat ist voll besetzt – ein Signal des Zusammenhalts der rot-schwarzen Koalition in der Europa-Politik.

Dem gegenüber steht blau-oranger Aktionismus: Transparente und Taferln gegen den ESM und für eine Volksabstimmung; laute Zwischenrufe, in denen die Erklärung des Kanzlers über die EU-Gipfel-Beschlüsse phasenweise untergeht.

Kanzler Werner Faymann weist die Propaganda der Rechtsopposition zurück: "Wer Spaß an der Apokalypse hat, trägt nichts Positives bei. Das hat sich Europa nicht verdient, das hat sich Österreich nicht verdient. Die FPÖ will recht behalten mit ihren Prognosen der Zerstörung Europas."

Faymann kündigt einen Konvent für einen neuen EU-Vertrag an. Über diesen Vertrag werde es eine Volksabstimmung und "umfassende Information der Bevölkerung geben". Der EU-Vertrag bezwecke, "das füreinander Einstehen in Europa dauerhaft abzusichern".

SPÖ-Klubchef Josef Cap vermisst bei Blau-Orange Lob für die Regierung, weil diese die Finanztransaktionssteuer durchgeboxt habe. Cap zur FPÖ: "Warum sind Sie nicht stolz auf Österreich? Wo bleibt Ihr Nationalbewusstsein?"

ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf räumt Konstruktionsfehler in der Eurozone ein, aber: "Wir brauchen in Europa eine Gemeinschaft im Sinne eines besseren Ganzen. Wir dürfen einzelne Länder nicht den Spekulanten überlassen, sondern wir müssen ihnen die Chance geben, wieder auf die Beine zu kommen."

FPÖ-Chef Heinz Christian Strache sagt: Eine Schuldenunion sei "Verrat an Österreich". Und Strache warnt Faymann: "Wenn Sie heute eine Volksabstimmung verweigern, wird die Volksabstimmung bei der Nationalrats-Wahl stattfinden." Da werde die FPÖ das nötige Drittel von Abgeordneten erreichen (33 Prozent), um künftig Verfassungsbestimmungen im Nationalrat blockieren zu können.

Grünen-Chefin Eva Glawischnig macht FPÖ und BZÖ auf einen Denkfehler aufmerksam: "Für Sie ist der Euro die Wurzel des Übels. In Wahrheit ist die Wurzel des Übels aber die völlige Liberalisierung der Finanzmärkte. Das blenden Sie völlig aus. Was wollen Sie denn tun, wenn sich Italien nicht mehr finanzieren kann? Staaten in Wucherzinsen hinein treiben? Reden Sie mit österreichischen Unternehmen, was ein Straucheln von Italien für sie bedeuten würde!" Glawischnig wirft FPÖ und BZÖ vor, die harte europäische Arbeit zu scheuen. "Von Ihnen kommt nur Geplärre und Beschimpfungen – das ist zu wenig."

BZÖ-Chef Josef Bucher ergeht sich in dunklen Verschwörungstheorien: Kanzler Faymann sei von den Bilderbergern mit "Spielchen" der Banken "auf dem Rücken der Bevölkerung" beauftragt worden.

Vizekanzler Michael Spindelegger zitiert aus einer Berechnung des deutschen Finanzministeriums, wonach ein Nord-Euro (wie vom BZÖ gefordert) den Verlust von zehn Prozent der Arbeitsplätze bedeuten würde.

Christoph Matznetter (SPÖ) spöttelt über den Nord-Euro: der "Neuro".

Blau-orange Misstrauensanträge gegen Regierung und Kanzler werden von SPÖ, ÖVP und Grünen abgelehnt. Am späteren Nachmittag wird der Fiskalpakt und der ESM schließlich mit der erforderlichen Zwei-Drittel-Mehrheit angenommen. FPÖ und BZÖ stimmen erwartungsgemäß dagegen.

ESM und Fiskalpakt: Was sie bringen

Euro-Schutzschirm Der 700 Milliarden Euro schwere ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus) soll Euro-Staaten Anleihen geben können, wenn sich diese auf dem freien Kapitalmarkt nicht mehr finanzieren können. Auszahlungen sind an strenge Auflagen geknüpft. Zudem soll direkte Bankenhilfe ausgezahlt werden können.

Fiskalpakt Wer Geld aus dem ESM haben will, muss den Fiskalpakt gesetzlich verankert haben: Dieser verpflichtet die Euroländer zu strenger Budgetdisziplin. Erlaubt wird nur mehr ein "strukturelles Defizit" von 0,5 Prozent der Wirtschaftsleistung. Kritiker befürchten, dass der Pakt den Staaten die Möglichkeit für Wachstumsimpulse nimmt.

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