Wirtschaft

Erste-Bank-Vorstand: "Enteignung der Sparer"

KURIER: Laut Nationalbank haben die Banken die Kredit-Anforderungen fünf Quartale in Folge verschärft. Gibt es eine Kreditklemme?

Thomas Uher: Bei uns nicht. Wir haben die Richtlinien in den letzten 12 Monaten nicht verschärft. Dass mehr Eigenkapital für Immobilienprojekte gebraucht wird als vor der Krise ist klar. Es wird auch immer Kunden geben, die einen Kredit wollen und keinen kriegen. Unsere Kernaussage lautet: Wir können und wollen finanzieren – und für vernünftige Projekte gibt es jetzt interessante Konditionen.

Das Konjunkturtal scheint durchschritten, erkennen Sie schon eine Investitionswelle?

Wir spüren es bei der Kredit-Nachfrage noch nicht. Der Zeitpunkt wäre aber richtig, auch für Privatpersonen. Wir raten Kunden dabei dringend, Fixzinskredite zu nehmen. Es ist kurios: Bei der Veranlagung sind die Österreicher extrem vorsichtig. Bei Krediten ist es umgekehrt: In Deutschland sind drei Viertel der Kredite fix, bei uns weit über 90 Prozent der Kredite variabel verzinst.

Wie erklären Sie sich das?

Beim derzeitigen Zinsniveau ist ein variabel verzinster Kredit zu Beginn günstiger. Aber was ist in 10 oder 15 Jahren? Wenn der Aufschwung kommt, steigen die Zinsen früher oder später. Noch nie war es so billig, dieses Risiko auszuschließen. Wir glauben, dass sich Fixzinsen über die Laufzeit auszahlen, wenn eine Firma größere Investitionen oder ein Privater den Eigenheim-Kauf plant.

Vorerst haben die Zentralbanken das tiefe Zinsniveau aber einzementiert.

Derzeit werden die Zinsen in Europa zugunsten der Länder im Süden künstlich niedrig gehalten. Diese Enteignung der Sparer kann nicht auf Dauer bleiben. Dass wir japanische Verhältnisse auf 15 Jahre bekommen, glaube ich nicht.

Die Österreicher verlieren auf dem Sparbuch real nicht wenig Geld. Trotzdem haben Sie vor einem Jahr die sinkende Sparquote kritisiert. Warum?

Das war primär gegen Aufrufe gerichtet, die Österreicher sollten ihr ganzes Geld ausgeben. Klar ist: Für eine vernünftige Verzinsung muss ich heute verschiedene Anlageformen wählen. Mit zwei, drei Produkten kann ich für relativ kleine Beträge eine gute Mischung aus Aktien, Anleihen und Rohstoffen finden. Aber ich muss mir der Risiken bewusst sein.

Andere Banken wie die Bank Austria schließen viele Filialen, was macht die Erste?

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Ich glaube nicht, dass eine Bank ohne Filialen funktioniert. Wir haben viel Geld in Netbanking und Handy-Applikationen wie die Kontoabfrage investiert. Transaktionen sollen einfach sein. An Hotspots wie am Westbahnhof wird es Filialen mit vielen Selbstbedienungsautomaten geben. Und an anderen Orten Großfilialen, wo es die gesamte Palette der Beratung gibt.

Einige Banken streichen Kunden vollautomatisch den Kontoüberziehungsrahmen. Das stößt auf Unverständnis: Die Banken verdienen doch daran.

Aber nur, wenn Überziehungen zurückgezahlt werden. Fehler können immer passieren, aber wir gehen nicht so pauschal vor. Das schaut sich immer noch ein Mitarbeiter an, der die Maschine notfalls korrigiert.

Für wie viele Banken ist in Österreich Platz?

Die eine oder andere Bank ohne funktionierendes Geschäftsmodell wird verschwinden. Aber die Großen wird es weiterhin geben.