Arbeitszeit neu aufgezogen: Immer und überall erreichbar
Von Anita Staudacher
Im Urlaub das Handy abgeschaltet, oder etwa gar nicht mit? In der heutigen Arbeitswelt schon fast undenkbar. Ständige Erreichbarkeit mit Handy, Smartphone oder Tablet-PC verwischt die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit immer mehr.
Nicht einmal mehr die Hälfte, konkret 43 Prozent der Angestellten, haben eine fixe Arbeitszeit, geht aus einer Umfrage des Instituts für Empirische Sozialforschung (IFES) im Auftrag der Gewerkschaft GPA-djp hervor. Bei den leitenden Positionen sind es nur noch 17 Prozent. Für ein Drittel der Befragten hört die Arbeit mit dem Verlassen des Büros nicht auf, sie erledigen Dienstliches in der Freizeit, lesen bzw. beantworten eMails oder nehmen Arbeit mit nach Hause. 21 Prozent werden im Krankenstand von ihrer Firma kontaktiert, 15 Prozent sind sogar im Urlaub dienstlich immer erreichbar.
Um diese Entgrenzung der Arbeitszeit abzugelten, greifen Unternehmen immer häufiger zu variablen Arbeitszeitregelungen. Bereits jeder dritte Angestellte hat einen sogenannten All-inclusive-Vertrag, womit der Arbeitgeber pauschal alle Mehr- und Überstunden abdeckt.
Der Gewerkschaft sind All-in-Verträge schon lange ein Dorn im Auge. Erstens weil sie sich inflationär verbreiten und damit das Arbeitszeitgesetz aushöhlen und zweitens weil die vereinbarten Pauschalen oft geringer sind als die geleisteten Überstunden. „All-in-Verträge sind in der Arbeitswelt schon fast die Regel geworden, wir wollen sie wieder auf die Managementebene beschränken“, kündigt GPA-djp-Vorsitzender Wolfgang Katzian eine Gesetzesinitiative für den Herbst an. Auch bei den Kollektivvertragsverhandlungen sollen All-in-Verträge thematisiert werden.
Rückschritt
Die Wirtschaftskammer (WKÖ) sieht keinen Regelungsbedarf. „Von All-in-Verträgen profitieren beide Seiten, jede Einschränkung wäre ein Rückschritt“, betont WKÖ-Sozialpolitiker Martin Gleitsmann. Schließlich würden die Pauschalen auch dann bezahlt, wenn die vereinbarten Überstunden gar nicht geleistet wurden. Eine gewisse Flexibilität sichere die Beschäftigung, weil Unternehmen besser auf Auftragsschwankungen reagieren könnten. Was die ständige Erreichbarkeit betrifft, appelliert Gleitsmann an die Selbstdisziplin. Vielfach sei das „Allzeit bereit“ gar nicht gefordert, sondern selbst gewollt, weil es der Zeitgeist erfordere. Eine Einschätzung, die auch die IFES-Umfrage untermauert. Demnach werden dienstliche eMails in der Freizeit in erster Linie deshalb bearbeitet, „um auf dem Laufenden zu bleiben“ (70 Prozent), oder „Zeit im Büro zu gewinnen“ (52 Prozent). Nur 28 Prozent tun es, weil es der Vorgesetzte erwartet. Mit dem Slogan „Schalt mal ab“ wirbt die Gewerkschaft in den nächsten Wochen dafür, das eigene Verhalten zu überdenken.