Wirtschaft

Ein Goldrausch, noch unter Vorbehalt

US-Touristen haben den Iran entdeckt – trotz ausdrücklicher Reisewarnung ihres Außenministeriums. Sie kommen freilich nicht wegen Sehenswürdigkeiten wie dem Juwelenmuseum nach Teheran, sondern wegen eines anderen Goldrausches: Es sind mehr oder minder gut getarnte Business-Delegationen, die Chancen ausloten wollen.

Die USA gelten seit der islamischen Revolution von 1979 im Iran als Land des "Großen Satans". Geschäfte sind für US-Bürger deshalb eine Gratwanderung. Es will aber keiner zu spät kommen, falls die Sanktionen gegen die Islamische Republik aufgehoben werden.

Die Chancen stehen nach der Grundsatzeinigung im Atomstreit von April gut. Morgen, Dienstag, gehen in Wien die Gespräche weiter, bis Ende Juni muss das endgültige Abkommen stehen.

Irans Jugend hofft

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Das Rangeln um die besten Startpositionen hat längst begonnen. "Alle bringen sich seit 2014 in Stellung", sagt Georg Weingartner, Österreichs Wirtschaftsdelegierter in Teheran, im Gespräch mit dem KURIER. Es ist Goldgräberstimmung ausgebrochen. Der Iran ist ein riesiges Land – mit einer größeren Bevölkerung als Frankreich –, und obendrein sehr jung. Die konsumfreudige Mittelschicht musste durch die Währungskrise kräftig Federn lassen. Zuletzt verließen Jahr für Jahr 180.000 junge Iraner, viele davon Uni-Absolventen, das Land. Der reformorientierte Präsident Hassan Rohani konnte nun aber zumindest den Absturz der Währung Rial stoppen und die Inflation stabilisieren – wenn auch bei immer noch exorbitanten 15 Prozent.

Jetzt zeichnen sich bessere Zukunftschancen ab – die absehbare Lösung des Atomstreits lässt die Iraner feiern. "Sie sind in allem extrem – und aktuell eben himmelhoch jauchzend", sagt Weingartner. Für die Geschäftschancen sei das sogar wichtiger als die Frage, wann Sanktion A oder B aufgehoben wird. Hier bremst der Außenhandelsexperte zu großen Eifer: Er erwartet, dass die Hindernisse schrittweise suspendiert werden – womöglich beginnend im Frühjahr 2016.

Könnte man nicht Verträge auf Vorrat abschließen? Ausgeschlossen, sagt OMV-Sprecher Johannes Vetter. Das würde gegen die Sanktionen verstoßen, die der Energiekonzern "zu hundert Prozent" einhalte. Einen Fuß in der Tür hat man dank eines kleinen Repräsentationsbüros in Teheran: "Wir haben den Dialog nie abbrechen lassen. Das unterstreicht, dass wir offen sind für das Land."

South Pars oder anderes

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Die OMV wollte 2007 mit der staatlichen Energiegesellschaft NIOC das weltgrößte Gasfeld South Pars entwickeln. Durch die Sanktionen hatten sich die Pläne zerschlagen. Wäre ein Revival möglich? Dazu äußert sich der OMV-Sprecher nicht; das sei zu früh. Und: "Der Iran ist ein großes Land."

Allein ist die OMV mit ihrem Interesse nicht. Die Gas- und Ölindustrie wittert gewaltige Chancen. Bis zu 4 Millionen Fass Rohöl täglich könnte der Iran fördern – momentan exportiert er nur 1,3 Millionen Fass pro Tag.

Als Goldgrube könnten sich auch geplante Privatisierungen erweisen. Investitionsbedarf gibt es auf jeden Fall: 80 Prozent der Industrie-Anlagen sind veraltet. Der Iran ist auch als Autohersteller eine Größe, wegen der Sanktionen aber auf Rang 18 zurückgefallen. Die größten Hersteller, Iran Khodro (IKCO) und Saipa, bauen unter anderem Modelle von Peugeot bzw. Kia für den asiatischen Markt.Stichwort Asien: Zuletzt kam ein Fünftel der Importe aus China. Für Peking gehört der Iran zum Seidenstraßen-Projekt – die alte Handelsroute soll wiederbelebt werden. Werden die Sanktionen aufgehoben, hätten die Europäer aber gute Chancen, Marktanteile zurückzuerobern, sagt Weingartner: "Die Iraner schätzen Technologie aus dem Westen wesentlich mehr."

Apple-Handys, Coke und Pepsi, Nike-Kleidung: US-Produkte sind im Iran allgegenwärtig. Wie geht das, bei den angeblich so strengen Sanktionen? Schließlich ist laut US-Regeln alles verboten, was nicht ausdrücklich erlaubt ist. Ausländische Banken jedenfalls mussten Iran-Deals teuer büßen: BNP Paribas zahlte in den USA 9 Mrd. Dollar, Commerzbank 1,45 Mrd. Dollar Strafe.

So genau wird aber nicht immer hingeschaut. Teils gibt es Ausnahmen für Getränke und Lebensmittel, teils kommen die Produkte über Drittländer in den Iran. Coca-Cola erwähnt Verkäufe an lokale Abfüller, die durch noch schärfere Sanktionen gefährdet sein könnten. Getränkehersteller Pepsico betont, die iranische Tochter sei 2014 nur mit ihrer Schließung beschäftigt gewesen, habe keine Umsätze erzielt. Geschätzt wird jedenfalls, dass die US-Iran-Exporte in Wahrheit zehn Mal so hoch sind wie die offiziellen 182 Mio. Dollar des Vorjahres.

Die EU-Sanktionen erlauben alles, was nicht explizit auf "schwarzen Listen" steht. "85 Prozent der österreichischen Exportprodukte wären davon nicht umfasst", sagt der Wirtschaftsdelegierte Georg Weingartner. Große Probleme bereitet aber der Zahlungsverkehr. Und es gibt keine Exportversicherungen, etwa durch die Kontrollbank. Dieses Risiko ist vielen Firmen dann doch zu groß.