Wirtschaft

Doppelmayr-Gruppe: Mit der Seilbahn über die Stadt

London, Singapur, Istanbul, Caracas und ab Sommer auch im bolivianischen La Paz. Diese Metropolen setzen bei öffentlichen Nahverkehrsmitteln zusätzlich auf Seilbahnen. Mit dem Bau beauftragt wurde in all diesen Fällen die Vorarlberger Doppelmayr-Gruppe. "Speziell nach Errichtung der Bahn in London zu den Olympischen Spielen 2012 werden wir mehr und mehr angefragt", sagt Firmenchef Michael Doppelmayr zum KURIER.

Doppelmayr-Seilbahn in La Paz

Alle Inhalte anzeigen

Die Vorteile der Seilbahn gegenüber anderen Öffis liegen für ihn auf der Hand: "Eine Seilbahn ist viel schneller und günstiger gebaut als eine U-Bahn." In London etwa dauerte die Errichtung zehn Monate und kostete 75 Mio. Euro.

Elf Stationen

Alle Inhalte anzeigen
Während es in der britischen Hauptstadt nur zwei Stationen (dies- und jenseits der Themse) gibt, werden es in La Paz elf Stationen, verteilt auf elf Kilometer und drei Strecken sein. "Hier sind wir nicht nur für die Bahn, sondern auch für die Gebäude verantwortlich", sagt Doppelmayr. Stündlich würden dann 9000 Menschen in jede Richtung in weniger als einer Viertelstunde befördert werden können, eine Zeitersparnis von bis zu einer Stunde gegenüber der Fahrt mit dem Pkw. Die Errichtung der größten Stadtseilbahn der Welt wird knapp 150 Mio. Euro kosten.

Weitere Projekte seien in Vorbereitung, jedoch nicht in Österreich. "Der Prophet zählt im eigenen Land nichts." In Wien wurde nichts aus einer Seilbahn zum Hauptbahnhof – "wohl ein Kostenthema", mutmaßt der Firmenchef. Auch um eine Bahn auf den Kahlenberg ist es ruhig geworden, das Projekt sei aber noch nicht gestorben, versichert er.

"Der Prophet zählt im eigenen Land nichts."


Trotz des Booms bei Stadtseilbahnen bleibt das traditionelle Geschäft mit Bergseilbahnen Hauptumsatzbringer. Doppelmayr: "Zu 80 Prozent leben wir vom Wintertourismus." Für die Olympischen Spiele in Sotschi wurden 40 Bahnen für rund eine Viertelmilliarde Euro errichtet.

In Russland ist Doppelmayr seit 20 Jahren tätig, der Anteil am Gesamtumsatz beträgt schon 20 Prozent. Die Spannungen zwischen Russland und der Ukraine will er nicht kommentieren, mögliche Wirtschaftssanktionen der EU sieht er gelassen. "Wir haben eine Produktion in Russland."

Dass Bernd Schedler, designierter Nachfolger von Doppelmayr als Geschäftsführer, überraschend "wegen Auffassungsunterschieden über die strategische Entwicklung" im Februar den Konzern verlassen hat, will er nicht weiter erläutern. Nur so viel: "Wir sind dabei, jemand zu suchen. Im nächsten halben Jahr werde ich etwas mehr arbeiten müssen."

Das Geschäftsjahr 2013/’14 (mit Ende März) werde ähnlich ausfallen wie das Jahr zuvor (795 Mio. Euro Umsatz, 76 Mio. Gewinn).

Das Werk von Doppelmayr in Sahne, eine Autostunde außerhalb von Chinas Hauptstadt Peking, ist von Hochhäusern umgeben. "Vor ein paar Jahren war hier noch gar nichts", veranschaulicht Michael Seitz, Chef des Doppelmayr-Werks, die wirtschaftliche Entwicklung. Zum Betriebsgelände gehört auch eine riesige Grünfläche. "Ein Mitarbeiter mäht sie mit dem Handrasenmäher. Das Gras nimmt er dann mit nach Hause. Für seine Kuh", erzählt Produktionsleiter Peter Tempelmayr.

In China ins Geschäft zu kommen, war für die Vorarlberger Seilbahnbauer nicht einfach. "Wir sind mindestens 30 Prozent teurer als die chinesische Konkurrenz", rechnet Michael Seitz vor. Mit rund hundert Mitarbeitern werden in Sahne jährlich 1200 Tonnen Stahl verarbeitet. Im Vergleich zu Österreich liegen die Lohnkosten bei 15 bis 20 Prozent. Jährliche Lohnsteigerungen von acht Prozent verkürzen den Abstand aber stetig, zudem hinke die Produktivität aufgrund der schlechteren Ausbildung der Arbeiter hinterher, erklärt Seitz. Inklusive der Überstunden verdient ein Schweißer hier brutto rund 360 Euro, dazu kommen Arbeitskleidung und ein kostenloses Mittagessen. Viele Arbeiter kommen aus der Provinz, um Geld zu verdienen, ihre Kinder sehen sie oft nur ein Mal im Jahr.

Die Ansprüche der chinesischen Auftraggeber an Sicherheit und Komfort steigen seit ein paar Jahren, womit Doppelmayr verstärkt ins Geschäft kommt. Vor allem im urbanen Bereich, für den Transport von Mensch und Material – etwa zu Tempelanlagen und anderen touristischen Destinationen. Kürzlich haben die Vorarlberger den Auftrag erhalten, eine veraltete Seilbahn auf die Chinesische Mauer zu ersetzen. Nur jede zehnte Anlage in China wird für Wintersportgebiete gebaut.

Maultier statt Heli

Die Vorarlberger sind 1993 in China an den Start gegangen und haben seitdem mehr als 60 Anlagen in Betrieb genommen. Der Aufbau ist oft eine besondere Herausforderung. "Hubschraubereinsätze sind in China dem Militär vorbehalten, das heißt, wir müssen alles händisch aufbauen", erzählt Seitz von Aufbauten, bei denen Maultiere und 800 Arbeiter im Einsatz waren.