Bei Wienerberger schupfen Roboter die Ziegel
Wer glaubt, dass die Produktion von Ziegeln keine Wissenschaft ist, der täuscht sich gewaltig. Ohne Roboter und Automatisierung läuft beim Baustoffkonzern Wienerberger schon lange nichts mehr. Digitalisierung zieht sich mittlerweile durch alle Bereiche, sagt Wienerberger-Vorstandsvorsitzender Heimo Scheuch. Das Unternehmen kann unter anderem Produkte visualisieren und Daten in Planungsprozesse integrieren.
Einsatz von Satelliten
Nicht nur bei Ziegeln und Oberflächen wie Fassaden, auch am Dach werden moderne Technologien eingesetzt, sagt Scheuch. Durch ein Satellitenfoto können Dachdecker die energetische Effizienz messen und veranschaulichen, wie das neue Dach aussehen wird. „Dadurch werden die Prozesse für die Kunden und die verarbeitende Industrie, also Dachdecker, Maurer oder Projektenwickler, einfacher“, sagt Scheuch.
Durch Digitalisierung könnte am Bau vieles schneller gehen. Auch wenn heute noch viele Möglichkeiten ungenutzt bleiben, soll in den kommenden fünf Jahren viel professioneller ans Werk gegangen werden – in den Abläufen, in der Vorfertigung und in der Planung, glaubt der Wienerberger-Chef. In Europa werde zum Beispiel ein Haus derzeit im Durchschnitt 2,5-mal geplant bevor es gebaut werde. „Da haben Sie in der Bauphase dann noch einige Umplanungen, die viel kosten“, sagt Scheuch. Daher sei eine optimale Planung entscheidend.
Virtuelles Haus
Am besten geht das derzeit mit virtuellen Werkzeugen, etwa einer Virtual-Reality-Brille, mit der der Kunde oder Projektentwickler sich das Haus nicht nur vorstellen kann, sondern durch die virtuellen Räume spazieren und sich alles ansehen kann. Er kann entscheiden, wie er das Haus gestaltet haben will, bis hin zu Details, wo zum Beispiel die elektrischen Anschlüsse sein sollen.
Wegen der Digitalisierung, die beim Traditionskonzern eingezogen ist, braucht sich keiner der 17.000 Mitarbeiter Sorgen wegen des Arbeitsplatzes zu machen, sagt Scheuch. „Im Gegenteil, wir schaffen neue.“ Es werde eine andere Art von Arbeiten geschaffen, die technischer und interessanter sei. Das mache sich sowohl in Bereichen wie Vertrieb und Produktion, besonders stark aber in der Entwicklung neuer Produkte bemerkbar.
Ein Beispiel aus der Praxis: Früher seien Außendienstmitarbeiter mit dem Auto zum Kunden, einem Baustoffhändler, gefahren, hätten mit ihm über die Materialien und deren Verfügbarkeiten gesprochen, erzählt Scheuch. Das passiere heute nicht mehr. Heute würden Mitarbeiter mit dem Projektenwickler digital arbeiten, mit ihm Haustypen aussuchen, durchplanen und Lösungen suchen.
Digitale Produktion
Vorzeigebeispiel für die digitale Produktion ist das Wienerberger-Werk in Haiding bei Wels. Dort wurde eine vollautomatische Anlage errichtet, die die Hohlräume von Mauerziegeln mit Mineralwolle füllt. Dafür werden die Ziegel auf Paletten in die Verfüllanlage transportiert, erklärt Produktionsmitarbeiter Daniel Steinbacher.
Die Mineralwolle werde vorher mit einem Wasserstrahl, der mit mehr als 400 bar aus einer Düse austritt, in sogenannte Stecklinge zurechtgeschnitten. Ein Roboterarm nimmt sie und fügt sie in die Löcher in den Ziegeln ein. Mitarbeiter kontrollieren, ob alles richtig sitzt.
Der Ziegelausstoß hat sich dadurch um ein Vielfaches erhöht. Die Anlage wurde 2013 errichtet, sagt Werksleiter Werner Staudinger. Sie ist videoüberwacht, sämtliche Daten können jederzeit via App am Smartphone abgerufen werden.
Haiding ist laut Staudinger das jüngste und mordernste Werk von Wienerberger in Österreich. Deshalb verfüge das Werk in der Produktion über die beste Technologie, wodurch die Ziegel eine sehr hohe Genauigkeit hätten. Das sei ein Vorteil für die automatische Mineralwollverfüllung, da diese problemloser von statten gehe.
Die Herausforderung bei der Digitalisierung sei, ein gesundes Mittelmaß zu finden, nicht zu viele, aber auch nicht zu wenige Abläufe zu digitalisieren, sagt Staudinger. Außerdem müsse man die Daten nutzen und gleichzeitig mit dem natürlichen Rohstoff Ton umgehen können. In Zukunft könnten weitere Schritte digitalisiert werden, wie zum Beispiel die Qualitätskontrolle oder die Messdatenerfassung.
Großer Wandel
Digitalisierung soll bei Wienerberger in Zukunft eine größere Rolle spielen. „Wir wollen stärker mit dem Endkunden zusammenarbeiten und stärker in Innovation gehen, um noch bessere Lösungen zu finden“, sagt Scheuch. Wienerberger stehe der Digitalisierung sehr offen gegenüber, weil es eine Riesenchance für das Unternehmen biete. Die Kundenbindung, die Wienerberger über viele Jahrzehnte aufgebaut habe, könne dadurch noch mehr verfestigt werden.
„Wienerberger hat vor zehn Jahren ganz anders ausgesehen. Der Umbau ist schnell gegangen. In den kommenden fünf Jahren wird es noch schneller gehen“, glaubt Scheuch. Künstliche Intelligenz werde genauso ein Thema wie die Ausweitung der Automatisierung in der Produktion. Dadurch könnte das Unternehmen, aber auch die Kundschaft, effizienter arbeiten und bauen.
Mitarbeit: Tobias Pehböck, Wolfgang Semlitsch, Wolfgang Seehofer, Lukas Kren, Karin Höllwerth