Wirtschaft

Die Krise steuert dem Ende zu – die Menschen leiden weiter

Sieben Monate wurde verhandelt, am Dienstag kam endlich grünes Licht für die (vorerst) letzte Tranche aus dem Hilfspaket für Griechenland. Die Troika, das Geldgeber-Dreigespann aus Internationalem Währungsfonds, EU-Kommission und Europäischer Zentralbank, habe sich mit der Regierung in Athen geeinigt, erklärte der Sprecher von EU-Währungskommissar Olli Rehn. "Das war die härteste Überprüfung bisher", sagte Finanzminister Yannis Stournaras.

Bis zuletzt stritten die Verhandler, wie viele Beamte die Regierung noch entlassen muss und wie sie den erstmaligen Budget-Überschuss (ohne Zinszahlungen) verwenden darf. Seit 2010 sind 240 Mrd. Euro an Hilfskrediten geflossen, um das Land vor der Pleite zu bewahren.

Keiner hat einen Job

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Die Menschen haben davon wenig – sie zahlen einen hohen Preis: Die Troika diktiert einen strikten Spar- und Reformkurs, damit die Finanzen dauerhaft saniert werden. Das trifft die Ärmsten in der Bevölkerung mit Abstand am härtesten. Wie sehr hat die Reiche-Länder-OrganisationOECD untersucht. Die Studie ("Gesellschaft auf einen Blick 2014"), die am Dienstag vorgelegt wurde, zeichnet ein dramatisches Bild.

Bürde Arbeitslosigkeit: So leben 20,5 Prozent der Griechen – jeder fünfte Erwachsene – in einem Haushalt, in dem überhaupt keine Person ein Einkommen aus Arbeit bezieht. Das sind doppelt so viele wie vor der Krise. In den anderen Euro-Krisenländern Irland (18 Prozent) und Spanien (17 Prozent) sind die Zahlen ebenfalls dramatisch. Die Krise nicht gespürt haben Deutschland und die Türkei: Dort gibt es sogar weniger Arbeitslosenhaushalte als 2007 (siehe Grafik).

Kein Geld für Essen: Fast jeder dritte Ungar (31 Prozent) gibt an, 2012 zumindest einmal nicht genügend Geld gehabt zu haben, um für sich oder die Familie ausreichend Nahrung zu kaufen. Vor der Krise waren es "nur" 17 Prozent. Die USA, ein Land im Überfluss? Das gilt nicht für alle: Jeder Fünfte musste die Nahrungszufuhr ungewollt drosseln. In Europa hungerte fast jeder vierte Este, jeder fünfte Grieche und jeder siebte Slowake zumindest zeitweise. (In Österreich waren es laut OECD 4,8 Prozent.)

Weniger Geburten: In 23 der 34 OECD-Länder ist die Zahl der Kinder pro Frau während der Krise zurückgegangen. Besonders drastisch war das in den USA: Der Rückgang von 2,07 auf 1,89 Kinder in nur vier Jahren bedeutet ein Allzeittief. (In Österreich gab es eine minimale Steigerung von 1,41 auf 1,43.)

"Der Aufschwung allein wird nicht ausreichen, um die soziale Spaltung zu überwinden und jenen auf die Füße zu helfen, die es am härtesten getroffen hat", warnt OECD-Generalsekretär Angel Gurria. Die Regierungen müssten beim Sparen aufpassen, nicht die Ärmsten zu treffen oder Zukunftsinvestitionen wie Bildung zu kürzen. Das könne auf Dauer sehr teuer werden.

Kredite für Athen

Die Finanzmärkte scheinen die Krise abgehakt zu haben. Griechenland erhielt am Dienstag so günstige Kredite wie nie seit Jänner 2010. Für dreimonatige Schuldtitel wurden nur 3,1 Prozent Zinsen fällig. Sogar für zehnjährige Anleihen würden aktuell nur 6,8 Prozent Zinsen verlangt werden. So scheint nicht völlig utopisch, was Infrastrukturminister Michalis Chrysochoidis angekündigt hat: Griechenland wolle noch vor der EU-Wahl den Anleihenmarkt anzapfen.

Der permanente Euro-Rettungsschirm ESM kann aufgespannt bleiben. Das deutsche Bundesverfassungsgericht hat am Dienstag Klagen gegen den ESM endgültig zurückgewiesen.

Die Kläger hatten argumentiert, mit dem ESM werde die im Grundgesetz verankerte Budgethoheit des Bundestages untergraben. Die Verfassungsrichter sehen das anders. „Trotz der eingegangenen Verpflichtungen bleibt die Haushaltsautonomie des Deutschen Bundestags hinreichend gewahrt“, sagte Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle bei der Urteilsverkündung. Es müsse jedoch sichergestellt werden, dass Deutschland rechtzeitig und vollständig zahlen könne, wenn weiteres Kapital nachgeschossen werden muss. Und der Bundestag müsse der Ort bleiben, an dem eigenverantwortlich über Einnahmen und Ausgaben entschieden werde – auch im Hinblick auf europäische Verbindlichkeiten.

Mit mehr als 37.000 Beschwerdeführern, darunter Rechtsprofessoren, Ökonomen, Abgeordnete und der Verein „Mehr Demokratie“ war dies die größte Verfassungsbeschwerde in der Geschichte des Gerichts.

Die deutsche Regierung sieht sich durch das Urteil, der ESM stehe im Einklang mit dem Grundgesetz, bestätigt. Finanzminister Wolfgang Schäuble dazu: „Das stärkt Glaubwürdigkeit und schafft Vertrauen.“

Einen Teil des Verfahrens hatten die Richter schon früher abgetrennt und im Jänner dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt. Dabei geht es darum, ob die EZB mit ihrem umstrittenen Anleihen-Kaufprogramm innerhalb ihrer Kompetenzen geblieben ist. Diese Frage ist weiter offen.