Wirtschaft

"Die Gesetze sind zu Mieter-freundlich"

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Die beiden Juristen Peter Kunz und Thomas Seeber der auf Wirtschaftsrecht spezialisierten Kanzlei Kunz Schima Wallentin vertreten in- und ausländische Klienten, unter anderem in Immobilienangelegenheiten.

KURIER: Wohnen gilt als Preistreiber, viele Menschen stöhnen unter den hohen Mieten. Sind die Wehklagen nachvollziehbar?

Peter Kunz: Zum Teil ja, weil der Markt sehr verengt ist. Er schützt primär die, die schon eine Wohnung haben – in einer Form, die nicht angemessen ist zu Lasten des Hauseigentümers. Hinzu kommt ein reichlich komplexes Mietrecht. Wir haben sehr viele ausländische Klienten; es ist nahezu unmöglich, es ihnen zu erklären. Es herrscht große Rechtsunsicherheit.

Wieso ist es so kompliziert?

Kunz: Es stammt noch aus der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg, da hat es seine Berechtigung zum Schutz der Mieter gehabt. Über die Jahrzehnte hat es sich dann weiterentwickelt, zum Teil widersprüchlich. Heute ist es nicht mehr zeitgemäß.

Haben Sie ein Beispiel?

Kunz: Wir unterscheiden ganz wesentlich, wie alt ein Haus ist. Die klassischen Zinshäuser unterliegen Beschränkungen. Bei diesen ist für die Höhe der Mieten relativ egal, wie viel Geld ein Eigentümer hineingesteckt hat. Das führt dazu, dass nichts mehr investiert wird und das Haus irgendwann abgerissen wird. Das Problem besteht vor allem in Wien, wo es besonders viele dieser Häuser gibt.

Wie viel Rendite wirft ein Zinshaus bzw. die Vermietung von Wohnungen darin ab?

Kunz: Praktisch ist es nicht möglich, irgendeine Rendite zu erzielen. Bestenfalls ist es ein Prozent im Jahr. Drei bis vier Prozent wären fair.

Das klingt nach Dilemma. Eigentümer verdienen damit nichts, in Neubauten sind die Mieten sehr hoch. Was wäre zu tun?

Kunz: Der Gesetzgeber sollte keine Preise festlegen, er macht dies ja auch nicht für andere Konsumgüter. Für Menschen, die sich den freien Markt nicht leisten können, gibt es den sozialen und geförderten Wohnbau.

Aber es gibt günstige Mietwohnungen in Gründerzeithäusern.

Thomas Seeber: Ja, dank Friedenszins und Eintrittsrecht von Verwandten. Somit werden Mietverträge wegen der Ausnahmen nicht kündbar. Es soll ja ein Eintrittsrecht geben, aber nicht zum bisherigen Mietzins. Wegen all dieser Ausnahmen hält sich der Reiz, Wohnungen zu vermieten, in Grenzen. Die Eigentümer lassen sie lieber leer stehen, weil sie es sich nicht antun wollen.

Daher wird ja eine Leerstandsabgabe diskutiert.

Seeber: Das ist verfassungsrechtlich bedenklich, jemanden zu zwingen, sein Eigentum zu vermieten. Außerdem ist es nur mit größtem Aufwand überprüfbar, ob eine Wohnung leer steht.

Kunz: Die Gesetze sind zu Mieter-freundlich.

Ernsthaft?

Seeber: Ja, aber auch massiv Neumieter-unfreundlich, weil sie die Neuvergabe erschweren. Die Überreglementierung trifft letztendlich den Konsumenten. Das ist wie bei den Banken, die keine Kredite mehr vergeben. Überall wird ein bisschen zu viel reglementiert, das behindert die Wirtschaft.

Eine Einigung auf ein neues Mietrecht ist nach wie vor nicht in Sicht. Was wären schnelle Maßnahmen?

Kunz: Relativ schnell zu machen wäre die Abschaffung der Vertragsgebühr, die der Mieter zahlt. Ich höre seit Jahren, dass sie sich nicht rechnet. Denn viele umgehen diese Gebühr. Sie stammt ja noch aus der Monarchie, als die Verträge von Beamten aufgesetzt wurden. Das wäre nicht der große Wurf, aber ein Zeichen.

Was noch?

Seeber: Die Betriebskosten sind stark gestiegen. Wie etwa in Wien bei Müll und Wasser. Anstatt zu versuchen, diese Kosten auf die Vermieter zu überwälzen, sollten sie weniger stark steigen. Und es sollte Investitionsanreize für neue Wohnungen geben. In Wien gibt es mit 10.000 fehlenden Wohnungen den größten Bedarf, da braucht man die Privaten auch. Sie wollen aber auch etwas verdienen, sonst investieren sie woanders.

Seeber: Uns wird immer gesagt, wir sollen für die Pension privat vorsorgen, entweder mit Aktien oder Immobilien. Beide Möglichkeiten sind seit der Abschaffung der Spekulationsfrist beim Verkauf nicht mehr steuerfrei. Über das ärgere ich mich schon. Das trifft vor allem den Mittelstand. Wir haben weniger Immobilieneigentum als in anderen Ländern.

Neu geregelt werden soll auch die Maklerprovision. Künftig soll sie der Vermieter zahlen. Sinnvoll?

Kunz: Prinzipiell hat ein guter Makler schon seinen Mehrwert und er ist sinnvoll für beide Seiten. In dem derzeit schwierigen Markt ist das Interesse für die Suchenden aber größer.

Seeber: Tragen die Vermieter die Kosten, würde dies die Rendite weiter schmälern.

Debattiert wird auch eine Mietzinsobergrenze.

Kunz: Das würde die ohnehin schon schlechte Lage noch weiter verschlimmern.

Seeber: Das Grundproblem ist, dass eine 80-Wohnung im Altbestand um die Hälfte billiger ist als eine 40-Wohnung, die neu vermietet wird.

Kunz: Es wäre schon längst an der Zeit, den Altbestand aufzuheben. Es gibt keinen Grund der Welt, diese alten Regelungen aufrechtzuerhalten. Das geht natürlich nicht von heute auf morgen, Übergangsregeln sind nötig.

Der Verfassungsgerichtshof hat vor kurzem entschieden, dass die Richtwerte nicht verfassungswidrig sind. Hätte eine neuerliche Klage Chancen?

Kunz: Ob eine neuerliche Klage Aussicht auf Erfolg hätte, trauen wir uns nicht zu beurteilen. Die Tatsache, dass schlechte Regelungen nicht verfassungswidrig sind, macht sie aber nicht zu guten. Sohin kann niemand einen Änderungsbedarf mit dem Argument in Abrede stellen, dass der Verfassungsgerichtshof die Regelung als verfassungsgemäß angesehen hat.