Wirtschaft

Die digitalen Zähler rollen an

Walter Boltz, Vorstand der Energiemarktaufsicht E-Control, hat es satt: Die Kritik an den digitalen Stromzählern, die laut Gesetz bis 2019 bei zumindest 95 Prozent der 5,5 Millionen österreichischen Stromkunden installiert sein müssen, sei „viel Tamtam um eine kleine Sache“.

„Spione im Haushalt“ nennen Datenschützer und einiger Versorger die neuen Zähler. Sie halten den verpflichtenden flächendeckenden Einbau für übertrieben. Kein Versorger brauche so viele Verbrauchsdaten von den Kunden, sagen die Kritiker. Dem Datenschutz widmet sich nun eine Arbeitsgruppe im E-Wirtschaftsverband „Österreichs Energie“. Moniert wird auch die Vorreiterrolle Österreichs. In Deutschland etwa müssten nur größere Verbraucher ab 6000 Kilowattstunden im Jahr smart meter einbauen. „Stimmt so nicht“, kontert Boltz. Alle Deutschen erhalten einen digitalen Zähler – nur nicht alle von den Stromversorgern. In Deutschland ist das Messwesen nämlich liberalisiert, daher haben viele Firmen Zugang zu Zählern.

Mehr Durchblick

Alle Inhalte anzeigen
In Wahrheit brächten die digitalen Zähler, über die die Stromversorger viertelstündlich den exakten Verbrauch der Kunden ablesen können, Transparenz für die Kunden. „Im Internet oder auf Apps am Handy kann jederzeit der eigene Stromverbrauch abgelesen werden. Teure Überraschungen bei der Jahresstromrechnung, wie sie jetzt häufig vorkommen, gibt es dann nicht mehr“, sagt Boltz (Bild) im Gespräch mit dem KURIER.

Vielen Stromkunden teilen offenbar die Meinung von Boltz. Denn bei den bisher installierten smart meter in Österreich – rund 250.000 – gab es weniger als ein Prozent Ablehnung.

Und für die Stromlieferanten seien die neuen Zähler ein wichtiges Mittel zur Verbrauchssteuerung. Die rund eine Milliarde Euro teure Umstellung auf die neuen Zähler wäre zudem ein Konjunktur- und Innovationsschub.

Stromvernichter

Mit der Zunahme von Strom aus Wind und Sonne steigen nämlich die Stromüberschüsse. „Jetzt vernichten wir viel Strom. Er geht als Wärme verloren“, sagt Boltz. Das koste die Versorger viel Geld. Mit den digitalen Zählern aber könnten sie den Verbrauch steuern, indem sie ihn auf jene Zeiten verlagerten, in denen es viel Strom gibt. Damit würden auch Leitungen besser ausgenutzt. Verbraucher mit smart meter profitieren in diesem Fall von günstigeren Stromtarifen.
In Zukunft würden elektrische Geräte wie Kühltruhen mit Chips versehen, die eine Fremdsteuerung zuließen. Auch der Betrieb von Wärmepumpen könnte von den Stromversorgern je nach Angebot der elektrischen Energie gelenkt werden. Nur Kraftwerke betreiben, werde in Zukunft zu wenig sein, um als Versorger zu überleben.

Der „roll-out“ hat schon begonnen: In Oberösterreich wurden in mehr als 80.000 Haushalten smart meter installiert, in Tirol und Burgenland läuft der Einbau derzeit an. Die Wien Energie will erst 2016 in kleinem Umfang mit der Umstellung auf die digitalen Zähler starten, die EVN sogar erst Ende 2016, Anfang 2017.
Für die Vorsicht der beiden ostösterreichischen Versorger ist ein offener Punkt im Gesetz mitverantwortlich. Dort heißt es, dass 95 Prozent der Zähler bis 2019 digital sein müssen. Fünf Prozent der Kunden können dies also ablehnen. Was aber passiert, wenn mehr als die fünf Prozent den Einbau des smart meter verweigern? „Das ist Sache der Versorger“, sagt Walter Boltz, Vorstand der E-Control. Bei den Wiener Netzen will man sich mit dieser Aussage nicht zufrieden geben. „Wir fordern eine gesetzliche Klarstellung“, sagt Christian Neubauer, Sprecher der Wiener Netze.

Widerspruch

Derzeit läuft die Ablehnung der neuen Zähler nach dem Prinzip: „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“. Kunden, die ihrem Versorger jetzt schon – per Brief oder Mail – mitteilen, dass sie keine Digitalfunktion im Zähler wollen, werden ihren Wunsche erfüllt bekommen. Bei allen Versorgern ist die Ablehnungsquote nämlich noch sehr niedrig. Werden es aber mehr als diese fünf Prozent, weiß derzeit niemand, was dann passieren soll. Leo Windtner, Chef der Energie AG Oberösterreich, ist da wenig besorgt. „Die EAG ist bei smart meter Vorreiter in Österreich, abgelehnt haben diese Zähler weit weniger als ein Prozent der Kunden“, betont er.

Eingebaut werden die neuen Zähler grundsätzlich bei allen Stromverbrauchern. Die Kunden können nur verlangen, dass die Funktion des Datenaustausches deaktiviert wird. In diesem Fall wird der Verbrauch so wie bisher nur ein Mal im Jahr abgelesen. Haushalte, die selbst Strom produzieren, etwa über Fotovoltaik, brauchen die digitalen Zähler mit allen Funktionen. Anderenfalls könnte die Einspeisung von Überschuss-Strom ins öffentliche Netz problematisch werden.

In Mietwohnungen hat der jeweilige Bewohner das Recht, die Digital-Funktion des Zählers sperren zu lassen. Kommt ein neuer Mieter in eine Wohnung mit nicht gesperrtem digitalem Zähler, muss er das hinnehmen. „Ein opt-out kann nur jener Mieter verlangen, der die Wohnung bei der Erstinstallation des Zählers bewohnt“, erklärt Boltz.