Wirtschaft

Die Börsenqual der Wahl

Die Arbeitslosigkeit ist beneidenswert niedrig. Mit einer Rate von knapp fünf Prozent haben es die USA praktisch zur Vollbeschäftigung geschafft. Der Wirtschaftsmotor läuft zwar nicht auf Hochtouren, aber doch ohne große Nebengeräusche. Im Sommerquartal wuchs die US-Wirtschaftsleistung mit einer Jahresrate von 2,9 Prozent – ein durchaus robuster Wert. Genug Gründe für die US-Notenbank Fed unter Chefin Janet Yellen, bei ihrer Sitzung heute, Mittwoch, die Leitzinsen anzuheben. Ein Grund verhindert die Zinsanhebung allerdings: Für Notenbanker gilt es als verpönt, so knapp vor Wahlen die Zinsen anzugreifen. Bei der Notenbanksitzung am 14. Dezember gilt eine Anhebung um 0,25 Prozentpunkte aber als fix. Außer, der nächste Präsident der Vereinigten Staaten heißt Donald Trump. Dann müssten die Währungshüter zuwarten, bis sich die Wogen an den Finanzmärkten glätten, sagen die Analysten voraus.

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Bisher haben sich die US-Börsen vom giftigen Wahlkampf kaum beeindrucken lassen. Die Kurse schwanken so wenig wie während der Wahlkämpfe der Jahre 1996, 2004 und 2012, als die jeweils führende Regierungspartei neuerlich das Rennen machte. Behalten die Aktienanleger wie auch die Buchmacher recht, zieht mit einer Wahrscheinlichkeit von rund 80 Prozent Hillary Clinton ins Weiße Haus. Ähnlich hohe Werte hatte vor dem Referendum allerdings auch das Nein zum Brexit. Das Ja zum EU-Abschied erwischte die Anleger kalt, mahnen Analysten auch jetzt zur Vorsicht.

Auf das müssen sich Anleger einstellen:

Wenn Clinton gewinnt"Vielleicht gibt es eine kleinere Erleichterungsrallye, weil das Trump-Thema weg ist", kann sich Monika Rosen-Philipp vorstellen. Die Chefanalystin im Private Banking der Bank Austria erwartet aber keine große Inspiration für die Börse. Clinton würde wie eine dritte Amtszeit Obamas betrachtet werden.

Eine leicht andere Schwerpunktsetzung kann die Kurse aber dennoch durcheinanderwirbeln. So hat sich Clinton vorgenommen, viel mehr auf erneuerbare Energien zu setzen. Bis 2020 sollen 500 Millionen neue Solarmodule installiert werden – gut für die Produzenten dieser Module.

Beide Kandidaten haben enorme Investitionen in die Infrastruktur angekündigt. Davon werden sicher viele regionale Bauunternehmen profitieren, die sich nicht an der Börse finden. Sie alle brauchen aber Bagger, Raupen und sonstiges Gerät – was Konzernen wie Caterpillar auf die Kurssprünge helfen sollte.

Bittere Pillen hätte eine Präsidentin Clinton allerdings für den Pharma- und Healthcare-Bereich parat. Sie will die Medikamentenpreise deckeln, was die Gewinnprognosen der Branche verdüstern würde.

Wenn Trump gewinnt Praktisch alle Analysten gehen davon aus, dass viele Anleger im ersten Schreck Aktien verkaufen würden. Laut Citigroup könnte das die Börsenbarometer um zehn Prozent fallen lassen. Auch der US-Dollar könnte gegenüber dem Euro zehn Prozent verlieren. "Nach dem ersten Schreck könnte es aber dann eine Erleichterungsrallye bei Gesundheitsaktien geben, meint Rosen-Philipp. Eben weil die Medikamentenpreise nicht gedeckelt werden.

Nahezu Tradition hat es, dass unter republikanischen Präsidenten Aktien aus dem Rüstungsbereich Kursgewinne vorausgesagt werden. Auch Öl und andere Rohstoffe sollten profitieren. Mit der angekündigten Senkung der Unternehmenssteuern von 35 auf 15 Prozent wäre Trump quasi ein Turbo für die Börse, weil sich die Firmenbewertungen deutlich verbessern würden. Wenn da nicht sein polternder Protektionismus wäre. Eine Abschottung zu Mexiko, eine Abwendung von China – all das würde die größte Volkswirtschaft der Welt ins Mark treffen. Die Wirtschaftskosten dafür wären weit höher als ein Gewinn durch eine Steuerreform.

Würde Trump auch nur einen Teil seiner Abschottung durchsetzen, würden auch Aktien und Währungen von Schwellenländern deutlich verlieren.

Bei AnfechtungNicht nur Trump, auch Clinton könnte die Wahl anfechten, wenn sie unterliegt. "Das mögen die Märkte gar nicht", sagt Rosen-Philipp.

In der Folge wäre ein Kursrutsch zu erwarten, der vielleicht sogar noch schlimmer ausfallen könnte als bei einem Trump-Sieg. Gewinner wäre dann in jedem Fall Gold.