Wirtschaft

Zocker-Riese auf der Anklage-Bank

Würzburg, Mailand, Salzburg. Diese und viele andere Städte haben sich auf hochriskante Zinswetten eingelassen. Auf der Liste der Vertragspartner immer zu finden: die Deutsche Bank.

„In meiner Amtszeit wird es mit Sicherheit keine Spekulationsgeschäfte mehr geben“, so ÖBB-Boss Christian Kern. Unter seinem Vor-Vorgänger Martin Huber hatte es solche Spekulationen – die mit der Bahn übrigens überhaupt nichts zu tun hatten – aber sehr wohl gegeben. Gegen eine Einmalzahlung von 295 Millionen Euro beendeten die ÖBB den Deal vorzeitig. Vertragspartner und Empfänger der Millionen: die Deutsche Bank.

Die Kärntner Hypo setzte bei Investments via Kanalinsel Jersey 500 Millionen Euro in den Sand. Verkäufer des Investmentproduktes und Kassierer von 50 Millionen Euro Provisionen: die Deutsche Bank.

Turbokapitalismus

Aus dem früher biederen Geldhaus, das traditionell viele Industriebeteiligungen besaß, ist längst ein aggressiver Mitspieler in der Welt der Finanzhasardeure geworden. Spätestens unter Josef Ackermann, der die Bank eine Dekade lang bis zum heurigen Sommer führte, war Turbokapitalismus für die Deutsche Bank kein Fremdwort mehr. Smarte Investmentbanker wurden zu Stars. Auch weil sich dieser Bereich, in denen fette Provisionserträge zu erzielen waren und sind, als Quell von Milliardengewinnen erwies. Mit komplizierten Zinswetten ist einfach mehr zu verdienen als mit faden Staatsanleihen. Da passierten schon mal Falschberatungen. Nach ersten Verurteilungen kann da durchaus noch eine Prozesslawine folgen.

Einmal auf den Appetit gekommen, wollte die Deutsche Bank natürlich mehr vom Investmentbanking. Sie verstärkte sich durch etliche Übernahmen. Mit der Größe wuchs die Macht – auch die seines obersten Lenkers. Von Frankfurt aus wurde die globale Finanzwelt erobert, was auch den Top-Politikern in Deutschland gefiel. Im April 2008 lud Kanzlerin Angela Merkel zu Ackermanns 60. Geburtstag Vertreter aus Politik und Gesellschaft zum Abendessen ins Kanzleramt. Kritik daran darf sie sich manchmal noch heute anhören.

Ein ganz hässliches Kapitel schrieben die Deutsch-Banker in den USA. Nach dem Platzen der Immobilienblase rasselten die Preise derart in den Keller, dass die Häuser weniger wert waren als die Hypotheken, die auf ihnen lasteten. Wer nicht nachzahlen konnte, wurde aus seinem Haus geschmissen. 1,4 Millionen dieser Zwangsvollstreckungen setzte die US-Tochtergesellschaft der Deutschen Bank durch – allerdings zum Teil mit gefälschten Unterschriften. Vor allem in Amerika ist die Deutsche Bank daher zum meistgehassten Finanzinstitut der Welt geworden.

„Bei jedem Finanzskandal ist die Deutsche Bank dabei“, wetterte Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin diesen Donnerstag. Angesichts des langen „Sündenregisters“ der Banker kann man sich dieses Eindrucks tatsächlich kaum erwehren.

Kirch-Urteil

Am Freitag wurde die Bank dazu verurteilt, den Erben des verstorbenen Medienunternehmers Leo Kirch Schadenersatz zu zahlen – das kann in die Milliarden gehen. Der damalige Bankchef Rolf Breuer hatte in einem Fernsehinterview vor zehn Jahren die Kreditwürdigkeit Kirchs bezweifelt. Nach zahlreichen Prozessen sah es der Richter jetzt als erwiesen an, dass Breuer damit das Ende des Kirch-Imperiums besiegelt hatte.

Verschmutzt

Der jetzige Bankboss Jürgen Fitschen, der sich mit Anshu Jain die Spitze teilt, hat ebenfalls gehörige Probleme am Hals. Mit 500 Mitarbeitern führten Bundeskriminalamt und Steuerbehörde am Mittwoch eine Großrazzia bei der Deutschen Bank durch. Der Grund: 25 Mitarbeiter der Bank werden verdächtigt, in millionenschwere Steuerhinterziehung beim Handel mit CO2-Verschmutzungsrechten verstrickt zu sein. Auch gegen Jürgen Fitschen und seinen Finanzvorstand Stefan Krause wird ermittelt.

Fitschen weist alle Vorwürfe zurück, räumt grundsätzlich aber auch Fehler ein: „In dem Bestreben, als deutsche Bank auch international erfolgreich zu sein, hat mein Institut sich auch auf neue Märkte und Produkte konzentriert. Dabei ist in einigen Fällen das rechte Maß verloren gegangen.“ Es sei außerordentlich ärgerlich, dass die Bank diese Fehler gemacht habe, sagt er mit Blick auf die vielen Skandale, in die das Institut involviert ist.

Bankriese in Zahlen 2164 Milliarden Euro groß war die Bilanzsumme (alle Aktiva und Passiva) Ende 2011. Das ist acht Mal die Wirtschaftsleistung Österreichs eines Jahres. Oder mehr als die enorme Staatsschuld Italiens.2000 Jobsfielen jetzt im Investmentbanking weg. Der Konzern hat 100.000 Mitarbeiter. Das sind mehr Personen als die Einwohner Klagenfurts und fast doppelt so viele wie in St. Pölten.