Wirtschaft

Deutsche Bank: Ablasshandel statt Kulturwandel

Zockerbude“, „größter Hedgefonds der Welt“: Solche Bezeichnungen wären für die Deutsche Bank einst undenkbar gewesen. Sie galt als Vorbild, war ein Eckpfeiler für den Aufstieg der deutschen Industrie nach dem Krieg. Jetzt ist das größte Geldhaus des Nachbarlandes drauf und dran, seinem US-Rivalen Goldman Sachs den inoffiziellen Titel als meistgehasste Bank streitig zu machen.

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„Die Kunden trauen der Deutschen Bank nicht mehr“, sagt Hans-Peter Burghof, Finanzexperte an der Uni Hohenheim. Eine fatale Situation: Wenn Kunden fürchten, über den Tisch gezogen zu werden, sind Geschäftsbeziehungen auf Dauer unmöglich.

Das neue Führungsduo Jürgen Fitschen und Anshu Jain versprach Mitte 2012 einen „Kulturwandel“. Bisher kämpft es aber mit dem wachsenden Sündenregister.

Hypothekengeschäfte US-Behörden prüfen, ob 2009 bis 2011 (nach Ausbruch der Krise) bewusst falsch bewertete Wertpapiere verkauft wurden. Vorwürfe, die US-Hypothekenriesen Fannie Mae und Freddie Mac von 2005 bis 2007 nicht ehrlich informiert zu haben, räumte die Bank im Dezember mit 1,4 Mrd. Euro aus dem Weg.

Zinsmanipulaton Mehrere Banken beeinflussten jahrelang mit heimlichen Absprachen wichtige Zinssätze wie Libor oder Euribor zu ihren Gunsten. Im Dezember verhängte die EU-Kommission dafür die Rekord-Kartellstrafe von 1,7 Mrd. Euro, auf die Deutschbanker fiel mit 725 Mio. Euro der größte Betrag.

Verdacht auf Steuerbetrug Ende 2012 filzten 500 Fahnder die Zentrale in Frankfurt. Der Verdacht: Die Bank könnte geholfen haben, die Finanz beim Handel mit Luftverschmutzungsrechten (CO2- Zertifikaten, Anm.) um Hunderte Millionen Euro Umsatzsteuer zu betrügen.

Devisen Die Bank ist der größte Händler mit Währungen. Die EU und Finanzaufsicht prüfen, ob es in diesem Bereich Manipulation gab.

Die Liste der Altlasten ließe sich noch fortsetzen. Für all diese Rechtsrisiken hat die Deutsche Bank 4,1 Milliarden Euro in der Bilanz zurückgestellt. Zu wenig, finden Analysten: Zumindest weitere 2 Milliarden Euro würden wohl noch fällig.

Der „Kulturwandel“, ein großer Ablasshandel? Bei so hohen Risiken lohne es sich nicht, das alte Geschäftsmodell noch zu verfolgen, sagt Experte Burghof. Er nimmt Aufsichtsratschef Paul Achleitner (einem gebürtigen Linzer) und dem Vorstandsduo Fitschen-Jain ab, dass sie es mit der neuen Firmenkultur ernst meinen. Allerdings hat er Zweifel, ob sich das Denken gegen angelsächsische Unsitten durchsetzt. „Ein amerikanischer Mitarbeiter versteht doch gar nicht, worum es da geht. Für den zählt sein Ego, sonst nichts.“

Dem grünen EU-Abgeordneten Sven Giegold ist die „blumige Kultur-Debatte“ suspekt: „Die Deutsche Bank ist weder eine Oper noch ein Theater.“ Für ihn zählt die ökonomische Substanz – und da sieht Giegold „eine aufgeblasene Bilanzsumme, relativ wenig Eigenkapital und noch immer große Risiken, für die keine Vorsorgen getroffen sind.“ Die Bank könne ihre Spekulationsgeschäfte nur deshalb weiterbetreiben, weil sie vom Steuerzahler mit einer Quasi-Garantie abgesichert werde: „Das muss beendet werden.“

Seit der Gründung 1870 war die Bank eng mit der Industrie verbandelt – erster Direktor war Georg von Siemens aus der Industriellen-Dynastie. Das Ziel war, deutschen Unternehmen bei Auslandsgeschäften zu helfen. Auf Gewinn trimmte die Bank der Schweizer Josef Ackermann, der sie von 2002 bis 2012 zur Investmentbank ummodelte: Die Rivalen hießen Goldman Sachs oder JP Morgan. Auf das Kundengeschäft mit Einlagen und Krediten fallen heute weniger als 30 Prozent. Nun will die DB „führende kundenorientierte Universalbank“ werden. 2012 zählte sie 98.200 Mitarbeiter weltweit. Die Bilanzsumme betrug 2012 Mrd. Euro.