Wirtschaft

Der Franken treibt seltsame Blüten

Seltsames ereignet sich an den Schweizer Grenzen. Ende März staunten die Zollwächter beim Übergang Riehen nicht schlecht, als sie einen Kleintransporter aus Deutschland stoppten. Auf der Ladefläche: 610 Kilogramm Fleisch in Kisten, ungekühlt. Erlaubt ist die zollfreie Einfuhr von einem Kilo.

Kein Einzelfall. Schmuggel, aber auch legaler Einkaufstourismus feiern fröhliche Urständ, seit der Franken massiv an Wert gewonnen hat. Shoppen in Deutschland, Österreich oder Italien ist für die Eidgenossen konkurrenzlos billig geworden. Einkaufszentren wie den Messepark Dornbirn freut’s: Dort zählt man um ein Fünftel mehr Schweizer Kunden als vor dem 15. Jänner 2015.

An diesem Tag hat die Schweizerische Notenbank (SNB) den Wechselkurs, der bei 1,20 Franken pro Euro eingefroren war, freigegeben. Und einen Höhenflug ausgelöst, der sich aktuell bei 1,03 Franken pro Euro eingependelt hat (siehe Grafik). Nach drei Monaten werden erste Folgen des umstrittenen Schrittes deutlich. Die SNB will die Aufwertung nun mit negativen Zinsen bekämpfen. Da zugleich die Preise sinken, wird das Horten von Bargeld attraktiver. Das würde erklären, warum kaum ein Eidgenosse je den 1000-Franken-Schein zu Gesicht bekommt, obwohl 38 Millionen Stück davon im Umlauf sind. Sagenhafte 61 Prozent des Papiergeld-Wertes von 63 Mrd. Franken entfallen auf diese eine Banknote, Tendenz rasch steigend. Sie werde vereinzelt zum Zahlen, überwiegend aber zur Wertaufbewahrung verwendet, sagt SNB-Sprecher Walter Meier zum KURIER. Ob sich das jüngst verstärkt hat, könne man noch nicht abschätzen. Gewaltig war die Nachfrage jedenfalls nach dem Lehman-Crash: "Im Oktober und November 2008 wurden Banknoten im Wert von fünf Milliarden Franken nachgefragt." Diese Scheine seien wohl in Tresoren und Matratzen gelandet – ob im In- oder Ausland, wisse man nicht.

Bisher wurde eher vermutet, dass Mafiosi und Geldwäscher den wertvollsten Geldschein der Welt zu schätzen wissen. Schließlich lässt sich damit eine Million Euro (1030 Scheine, etwas über ein Kilo Gewicht) locker in der Herrenhandtasche verstauen.

Starke Unternehmen

Der Export-Wirtschaft macht der starke Franken zu schaffen, aber weniger als befürchtet. Standard & Poor’s traut der Schweiz ein Plus der Wirtschaftsleistung von 0,7 Prozent heuer und 1,9 Prozent 2016 zu. Die Unternehmen seien produktiver geworden, zudem helfen die Erholung im Euroraum und das billige Öl. Und der Wechselkurs werde sich bis Ende 2016 noch auf 1,14 Franken pro Euro abschwächen, erwartet S&P.

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