Wirtschaft

Das große Umfärben in der Sozialversicherung

Die türkis-blaue Regierung gibt es zwar nicht mehr, aber in der Sozialversicherung wird derzeit fleißig umgefärbt. Die ÖVP hat die Mehrheit in den Verwaltungsräten (quasi Aufsichtsräte) und nutzt diese Chance, die SPÖ-Leute aus der obersten Ebene hinaus zu drängen. Die geplanten blauen Einsprengsel haben sich mit dem Ende der Regierung allerdings auch erledigt.

Besonders heftig geht es bei der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt zu, bekannter als AUVA. 4,8 Millionen Österreicher sind unfallversichert, 5700 Mitarbeiter sind beschäftigt, die Beiträge finanzieren die Arbeitgeber. Eine klassische Selbstverwaltungs-Institution der Sozialpartnerschaft. Traditionell mit einem roten Generaldirektor fürs operative Geschäft und einem schwarzen Obmann, ähnlich einem Aufsichtsratspräsidenten.

Jetzt soll es eine schwarze Doppelspitze geben. Am 25. Juni tagt erstmals der neue Verwaltungsrat. Auf der Tagesordnung steht die Entscheidung über den neuen Generaldirektor. Bei Gleichstand könnte die Sozialministerin entscheiden, derzeit Brigitte Zarfl, der SPÖ zuzurechnen. Doch die ÖVP hat die Mehrheit.

Die Ausschreibungsfrist endete am 4. Juni. Beworben haben sich der amtierende Generaldirektor, der SPÖ-nahe Helmut Köberl und der Direktor der Landesstelle Wien der AUVA, Alexander Bernart (ÖVP). Dieser kommt aus der Zentrale und war dort der Vertraute der ehemaligen AUVA-Obfrau und Wirtschaftskammer-Vizepräsidentin Renate Römer. Als diese wegen üblem Family-Business gehen musste, wechselte Bernart nach Wien.

Bernart soll, hört man, als neuer Generaldirektor fix sein. Obwohl Köberl attestiert wird, den Job sehr ordentlich zu machen und sein Vertrag bis Mitte 2020 läuft. Arbeitsrechtler meinen, dass Köberl seine Gage als Generaldirektor nicht nur bis Auslaufen seines Vertrages erhalten muss. Es kann wesentlich teurer werden. Möglicherweise muss das volle Generaldirektoren-Gehalt weiter bezahlt werden, solange der 61-Jährige überhaupt in der AUVA bleibt.

Die Beauftragung des Personalberaters Stummer & Partner für die Kandidaten-Hearings hätte sich der Verwaltungsrat eigentlich sparen können. Rund 20.000 Euro sind dafür budgetiert.

Der neue Obmann wird Mario Watz (ÖVP). Ihm wird, ebenso wie Bernart, ein freundschaftliches Verhältnis zu Walter Ruck nachgesagt, dem schwarzen (und weniger türkisen) Präsidenten der Wiener Wirtschaftskammer.

Gewerkschafts- und Arbeitnehmerkreise empört

Ruck orchestriere die Postenvergaben, empören sich Gewerkschafts- und Arbeitnehmerkreise. „Nachdem Präsident Ruck bekanntermaßen ein Verfechter der Sozialpartnerschaft ist, setzt er sich in diesem Fall auch dafür ein, nach sozialpartnerschaftlichen Grundsätzen vorzugehen“, heißt es dazu aus der Kammer. Die Besetzung der Generaldirektoren aber sei im Rahmen der Selbstverwaltung Sache der zuständigen Gremien der AUVA (Verwaltungsrat).

In der zweiten Ebene funktioniert die Sozialpartnerschaft noch. Als Stellvertreter des Generals wird neben dem bisherigen Vize Thomas Mück (ÖVP) der SPÖ-Manager Jan Pazourek gehandelt. Er war Chef der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse. Ist zwar ein Abstieg vom Einser, aber die GKK und somit sein Job wurden ja wegreformiert.

ÖGB-Sekretär Bernhard Achitz habe für Pazourek noch schnell einen Versorgungsposten geschaffen, ärgert man sich in Arbeitnehmer-Kreisen. Achitz war selbst als Vizeobmann der AUVA im Gespräch, wurde diese Woche aber zum Volksanwalt bestellt.

Über die Postenbesetzungen wird aber noch viel breiter spekuliert. Ausgehend von einem Gespräch zwischen Ruck und dem ÖGB – nicht über die Sozialversicherungen, sondern über die seit einer halben Ewigkeit diskutierte Öffnung der Wiener Innenstadt zur Tourismuszone. Die Geschäfte könnten sonn- und feiertags aufsperren, wenn sich die Besuchermassen in der City drängen.

Wieder scheiterte die Tourismuszone am Njet des ÖGB. Als „Retourkutsche“ bestehe der Wirtschaftsbund auf Bernart, wird kolportiert. „Das Eine hat mit dem Anderen doch nichts zu tun“, tönt es aus der Kammer.