Wirtschaft

Craft Bier: Raus aus dem Einheitsbräu

Die Österreicher können sich über vieles beklagen, aber nicht darüber, dass sie „unterhopft“ sind. Laut Statistik kommt eine Brauerei auf alle 32.000 Einwohner – damit spielt Österreich in der globalen Top-Liga. So wie beim Biertrinken, wo wir (mit durchschnittlich 206 Krügerln im Jahr) nach den Tschechen Europa-Meister sind. Wenn der Brauereiverband kommende Woche die neuesten Branchenzahlen präsentiert, werden wohl einmal mehr zwei Trends sichtbar sein: Craft-Bier und Alkoholfreies.

Die „Craft-Beer“-Bewegung ist aus den USA nach Europa übergeschwappt. Wörtlich übersetzt heißt „craft“ so viel wie handwerklich hergestellt. Wer da jetzt an einen Brauer denkt, die per Hand Hopfen in einen kleinen Bottich rieseln lässt und händisch umrührt, liegt tendenziell daneben.

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„Ein Bier ist ein Craft-Bier, wenn die Brauerei sagt, dass es ein Craft-Bier ist“, sagt Sepp Wejwar vom Wegro Institut für Bierkultur. Es gibt schlicht keine einheitlichen Regeln am globalen Biermarkt, aber viele Experten rund um den Erdball. Das liegt auch daran, dass Bier seit jeher in vielen Teilen der Welt gebraut wird und fast ebenso lang gestritten wird, wer was erfunden hat. So ärgern sich die Hamburger, dass das Weißbier heute als typisch bayerisch gilt, obwohl sie es erfunden haben wollen. Auch ob die Berliner Weiße ursprünglich aus Berlin oder Hamburg kommt, ist umstritten. „Der Kölner Brauereiverband hat im Vorjahr 17 europäische Brauereien abgemahnt, die ein Kölsch verkauft haben“ sagt Wejwars Kollegin Birgit Rieber. Das darf vereinfacht gesagt nur, wer von seiner Braustätte aus den Kölner Dom sieht, besagt der Gebietsschutz. Allerdings gilt dieser nur in Europa. In den USA können die Kölner nichts gegen Kölsch tun, erläutert Rieber.

Alles also ziemlich kompliziert. Fix ist dagegen, dass die Craft-Bier-Bewegung wieder für Würze im Einheitsbrei sorgt, den die Industrialisierung gebracht hatte.

Wie man Bier zerredet und selbst braut

Zehn Uhr morgens. Der Tag beginnt mit einem  goldfarbenen Bier aus Belgien, das daherkommt, als wäre es gern ein Sekt geworden. Mit Korken. Es handelt sich um „Brüsseler Champagner“, genannt Geuze. Ein Starkbier, das nach Most riecht und sauer schmeckt. Mindestens haltbar bis 2037, was auch am hohen Alkoholgehalt liegt. Davon eine  Flasche zum Frühstück und ich bin der Muttersprache verlustig, noch bevor ich einen einzigen gescheiten Satz über Bier sagen kann.

Ich sitze im Brauwerk der  Ottakringer Brauerei, wo man neuerdings lernen kann, wie man Bier braut und trinkt – sprich verkostet. Letzteres geht im Wesentlichen wie beim Wein. Glas schwenken, reinschnüffeln, von einer Bananennote sprechen (passt bei Weizen so gut wie immer), die Farbe beschreiben und von der Feinporigkeit des Schaums schwärmen. Selbst für den Laien ist schnell klar:  Bier ist nicht gleich Bier.

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Hopfen in PelletsformAm Tisch sitzen Hobby-Brauer, die jetzt an diversen Sorten von Hopfenpellets schnüffeln. Diese gibt es auch für den Hausgebrauch, also in Kleinstmengen.  Wie man aus ihnen Bier macht, lernt man in diversen Braukursen. Allein im Ottakringer Brauwerk haben im Vorjahr mehr als tausend Leute an solchen teilgenommen. „Drei Mal so viele wie noch vor drei Jahren“, sagt Brauwerk-Chef Mike Neureiter  und kredenzt das nächste Glas.

Sieht aus wie Cafe Crema, riecht wie Kakao, heißt Schnittenfahrt. Ein Brauwerk-Bier, bei dem  20 Prozent des Malzes durch  Waffelbrösel von Manner ersetzt wurden. „Süffig“, sagt ein Teilnehmer und darf das (in Winzerkreisen macht man sich mit solchen Ausdrücken keine Freunde). Neben der Verkostung von zig Bieren brauen wir auch unser eigenes – mit Radicchio. Ein Salat-Bier also. Sehr experimentell, für große Mengen eher weniger geeignet. Aber genau darum geht es in der Kreativbier-Szene.
 

7000 US-Brauereien

„In den ganzen USA gab es in den 1970er-Jahren keine 50 Brauereien mehr“, weiß Wejwar. Alle hätten helles Lagerbier in Massen produziert. Craft-Bier ist die Gegenbewegung, es geht um Vielfalt. Mittlerweile gibt es in den USA wieder mehr als 7000 Brauereien. Dazu hat Samuel Adams zu einem guten Teil beigetragen. Er ist so etwas wie der Bill Gates des Craft-Biers. 1985 hat er in einer Garage sein erstes Craft-Bier gebraut und damit den Grundstein für die Boston Beer Company gelegt, deren Jahresproduktionsmenge aktuell mit 7,2 Millionen Hektolitern beziffert wird. Klingt viel, ist es auch. Zum Vergleich: Alle österreichischen Brauereien zusammengenommen kommen auf rund neun Millionen Hektoliter im Jahr. Trotzdem braut die Boston Beer Group Craft-Bier – sie hat es quasi miterfunden.

Auch in Österreich gibt es immer mehr Craft-Biere und Mikrobrauer. Unter dem Strich machen sie aber nur wenige Prozent des Gesamtmarktes aus, denn zwei Drittel des in Österreich konsumierten Bieres entfällt weiter auf klassisches Märzen.