Comeback der Fertigung in Europa: Serbien ist das neue China
Von Anita Staudacher
Werkseröffnung auf serbische Art: Gut 3000 Menschen haben sich vor der Fabrikseinfahrt von Zumtobel am Rande der Stadt Niš versammelt. Manche schwenken die Nationalflagge, andere halten das Konterfei des Präsidenten hoch. Schnell wird klar: Die Menschenmenge ist nicht zur Eröffnungsfeier gekommen, sondern allein, um ihren Präsidenten Aleksandar Vučić zuzujubeln. Als dieser dann – verspätet – eintrifft und mitten in der Menge eine kleine Ansprache hält, zieht das Volk eiligst wieder ab. Die Busse warten schon.
Vučić selbst lässt es sich nicht nehmen, einen Rundgang durch das neue Werk des Vorarlberger Leuchtenherstellers zu machen. Weißer Schutzmantel inklusive. Routine für den Präsidenten, schließlich sei es schon das fünfte Werk, dass er hier in Niš eröffne, wie er stolz anmerkt. „Mit der Region geht es bergauf und es werden Arbeitsplätze geschaffen.“ Allein Zumtobel will mittelfristig bis zu 1100 Beschäftigte hier einstellen.
Die 40.000 große und 30 Millionen Euro teure Fabrik wurde im Eiltempo auf die grüne Wiese gestellt. Nur ein Jahr dauerte die Errichtung, im Juli startete bereits die Fertigung mit den ersten 260 Mitarbeitern, die durchwegs in der Region rekrutiert wurden. Erzeugt werden in Niš sowohl LED-Leuchten als auch die Treiber für LED-Leuchten, wobei die Elektronikteile zum Teil per Hand zusammengestellt werden müssen. Diese Routinearbeit erledigen vor allem Frauen. In zwei Fertigungslinien werden 150.000 Treiber pro Monat hergestellt und ins Werk nach Dornbirn geliefert.
Rückzug aus China
„Das Werk in Niš ist ein wichtiger Mosaikbaustein für unsere Fertigung in Europa“, erläutert Zumtobel-Vorstandschef Alfred Felder. Der Leuchtenhersteller verlagerte einen Teil seiner Komponentenfertigung von seinem Standort in Shenzhen in China nach Serbien. Aus mehreren Gründen, wie Felder erläutert: Erstens verkürzt sich die Lieferzeit und es fallen weniger Transportkosten an. „Aus China brauchten Teile im Schnitt zehn bis 15 Tage nach Europa, jetzt sind sie in eineinhalb Tagen in unserem Lager in Dornbirn.“ Zweitens wird mehr Fertigung aus eigener Hand angeboten, wodurch sich die Abhängigkeit von Zulieferbetrieben reduziert. Und drittens geht es auch um den Ruf als Qualitätsanbieter: „Viele Kunden wollen nicht, dass auf den Produkten ‚Made in China‘ draufsteht“, so Felder.
Von den Lohnkosten sei kein großer Unterschied zwischen China und Serbien. „China ist kein Billiglohnland mehr.“ Für den Hauptstandort Dornbirn soll Niš keine negativen Auswirkungen haben, wird betont. Zumtobel kämpft gegen den anhaltenden Preisdruck im Leuchtengeschäft und steckt mitten in der Umstrukturierung.
Serbien lockt
Zumtobel dürfte nur die erste von weiteren Neuansiedelungen österreichischer Industriebetriebe in Südserbien sein. Zwei weitere aus der Metall- und Elektronikbranche sollen 2019 folgen, berichtet Erika , Österreichs Wirtschaftsdelegierte in Belgrad. Die Region ist gefragt. Allein im Vorjahr siedelten sich fast 500 neue Unternehmen an. Der deutsche Autozulieferer Leoni eröffnete ebenso ein größeres Werk wie die chinesische Johnson Electric oder IME aus den Philippinen.
Die drittgrößte Stadt Serbiens ist bekannt für seine technischen Fakultäten an der Uni und mausert sich immer mehr zum Elektronik-Hub. „Serbien ist das China vor der Haustüre“, meint Teoman-Brenner. Die Qualifikation der Arbeitskräfte sei besser und die Lohnstruktur könne mit China durchaus mithalten. So lag das Durchschnittsgehalt in Südserbien zuletzt bei 336 Euro netto im Monat. Anders als in Ungarn oder Rumänien, wo der Jobmarkt fast leer gefegt sei, gebe es in Serbien auch noch ausreichend Arbeitskräfte. Die Arbeitslosigkeit ist mit 14 Prozent nach wie vor hoch. Und auch von großzügigen Förderungen für ausländische Investoren ist die Rede.
Der Aufholbedarf von EU-Werber Serbien ist dennoch groß: „Serbien ist wirtschaftlich dort, wo Ungarn vor 20 Jahren war“, weiß Teoman-Brenner. Vor allem die mangelnde Rechtsstaatlichkeit sei ein Problem. Um nicht nur verlängerte Werkbank zu sein, müsse ein wettbewerbsfähiger Mittelstand aufgebaut werden.
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Die Region Niš: Technik-Metropole des Südens
Niš ist nach Belgrad und Novi Sad die drittgrößte Stadt Serbiens mit 260.000 Einwohner. Die Universitäts-Stadt hat eine lange Tradition im Bereich technischer Fakultäten, vor allem Elektrotechnik und Maschinenbau. Die vor einigen Jahren noch sehr hohe Akademikerarbeitslosigkeit konnte durch Neuansiedelungen deutlich reduziert werden. Zuletzt haben sich vor allem ausländische Autozulieferer ( Leoni, Johnson, Shinwon) sowie rund 150 Software-Unternehmen mit mehr als 3000 Beschäftigten niedergelassen.
Flugverbindung Niš–Wien
Niš hat den zweitgrößten Flughafen Serbiens. Ab 15. November gibt es eine direkte Flugverbindung zwischen Wien und Niš, durchgeführt von Wizz Air.
Hinweis: Der KURIER war auf Einladung von Zumtobel in Serbien.