Wirtschaft

China: Lust auf Marken "made in Austria"

Ein undurchdringlicher Industrie-Smog brachte dieser Tage wieder einmal das Leben in mehreren chinesischen Großstädten zum Erliegen: Flüge fielen aus, Schulen wurden geschlossen. Die chinesische Politik, die sich bisher so gut wie nie an internationale Umweltauflagen gehalten hat, will nun der Luftverschmutzung endgültig den Kampf ansagen. Und wenn sie sich etwas vornimmt, wird nicht gekleckert, sondern geklotzt: Milliarden sollen in die Luftgüteverbesserung fließen – eine von vielen Chancen für österreichische Firmen. Österreich genießt einen exzellenten Ruf in Sachen „green energy“ und energieeffizientes Bauen.

Auto mit Austro-Technik

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Etliche Unternehmen aus Österreich bewegen sich längst auf dem chinesischen Markt: voestalpine, Andritz, Vamed, AT &S, Swarovski, Silhouette, Lenzing, RHI, Staud’s. Selbst im brandneuen Modell der chinesischen Automarke Qoros steckt österreichische Maschinentechnik von Magna Steyr. Auch wenn Autoexperten über das unglamouröse Äußere der ersten chinesischen Limousine für den Weltmarkt die Nase rümpfen, gewann sie immerhin den Crash-Test. Billigglumpert made in China? Das war gestern! Die „Karawane“ der Textil- und Schuhproduzenten ist folglich bereits nach Vietnam und Bangladesch weitergezogen.

Vergangene Woche organisierte die Wirtschaftskammer ein Vernetzungstreffen für heimische Firmen in Hongkong, der KURIER war dabei. Über Hongkong, der wirtschaftsliberalsten Stadt der Welt, laufen 30 Prozent des heimischen Außenhandels mit China. Die Schweizer Uhrenindustrie verkauft allein hier 30 Prozent ihrer Produkte. Davon profitiert zum Beispiel auch der österreichische Uhrband-Hersteller Hirsch.

2020 könnte China die USA als Wirtschafts-Supermacht überholt haben. Schon jetzt hat es die USA bei der Zahl der Patentanträge überflügelt. Chinesischen Wissenschaftlern im Ausland wird der rote Teppich ausgerollt, um sie wieder heimzuholen. Die „kapitalistischen Kommunisten“ setzen auf Wirtschaftswachstum. Dieses hat sich zuletzt zwar verlangsamt, ist aber immer noch enorm.

Die Infrastruktur im Riesenland wird derzeit massiv ausgebaut, die Löhne steigen rasant (wie auch die soziale Ungleichheit), Regulierungen fallen. Der Energiehunger ist groß, für die nächsten Jahre ist der Bau von rund 40 neuen Atomkraftwerken geplant.

Wer es schafft, sich hier zu etablieren, dem steht ein Markt mit 1,5 Milliarden Einwohnern zur Verfügung, von denen es immer mehr in die Mittelschicht schaffen. Sie haben neue Ansprüche an den Tourismus, brauchen Dienstleistungen und sehnen sich nach Luxus „made in Europe“.

Auch wenn die österreichischen Exporte nach China aufgrund der Wirtschaftsflaute heuer leicht gesunken sind, bleibt der Markt ein Hoffnungsgebiet. Nirgendwo sonst verzeichnet zum Beispiel Silhouette so starke Verkaufssteigerungen wie hier. Wobei der Linzer Brillenhersteller auch davon profitiert, dass China den Weltraum erobern will. Raumfahrer gelten als Helden – gut für die Firma, die ihre ultraleichten Brillen auch für die Raumfahrt produziert.

Nähe zur Schweiz als Vorteil

Der Vorarlberger Küchenbeschlägehersteller Blum hat den Sprung nach China ebenfalls gewagt und nie bereut. „Chinesen wollen eine Küche, die europäisch aussieht“, erzählt der gebürtige Holländer Maarten de Vries dem KURIER. Er ist Geschäftsführer von Blum in Schanghai. 6000 Angestellte hat Blum weltweit, davon 4500 in Vorarlberg, wo auch produziert wird. Dass die Region so nah bei der Schweiz liegt, gefalle den „uhrenverrückten“ Chinesen, sagt de Vries.

Auf eine schon dreißigjährige Geschichte in China kann die Vamed zurückschauen. Jetzt setzt sie auf ein neues Geschäftsfeld: Weil der chinesischen Großfamilie zunehmend die Zeit für ihre Alten fehlt, eröffnet sich der Markt der Seniorenresidenzen mit angeschlossener Klinik und Pflegestation. „Bisher war es undenkbar, dass ein Chinese seine Eltern im Heim versorgen lässt“, sagt Vamed-Manager Johann Strahlhofer im KURIER-Gespräch.

Seit Chinas Bedarf an Facharbeitern stark wächst, ist auch das heimische Lehrlingsmodell gefragt. Gerade startet ein Pilotprojekt für mechanische Berufe in Schanghai in Zusammenarbeit mit Österreich.

Doch in China Fuß zu fassen, ist schwierig. Auch wenn sich die Regierung bemüht, die grassierende Korruption einzudämmen, müssen europäische „Langnasen“ mit bösen Überraschungen rechnen, manchmal auch mit Betrügern. So empfehlen Berater Neueinsteigern zum Beispiel, das Fabriksgebäude, das der künftige Geschäftspartner stolz herzeigt, samt dem Namenszug zu fotografieren und mit dessen Unterlagen zu vergleichen. Es kommt vor, dass das eine mit dem anderen nicht übereinstimmt. Für Verhandlungen muss man sich Zeit nehmen, Harmonie ist in Asien wichtig. Ost- und West-Denkweise prallen oft aufeinander: Europäer planen, sprechen es durch, dann geht’s los. Chinesen beginnen erst, danach werden Details geregelt.

Dalai Lama

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Aber wie kommt es, dass sich Österreichs Spitzenpolitik zuletzt in China kaum blicken ließ? Das lag am Wahljahr und wohl auch am Wien-Besuch des Dalai Lama 2012 und dessen Empfang durch politische Würdenträger. Auch wenn es offiziell nie so kommuniziert wird, zeigt die chinesische Regierung ihren Kollegen in so einem Fall zumindest ein Jahr lang die kalte Schulter und gewährt keine Gesprächstermine.

Mit der neuen Regierung sollte der Austausch wieder klappen. Martin Theyer, Manager von AT&S, meldet gleich ein paar Wünsche an – zum Beispiel ein bilaterales Abkommen zwischen der Hongkonger und der Wiener Börse. Man brauche Zugang zum Kapital in China, sonst sei das Wachstum heimischer Firmen in diesem Markt begrenzt. Auch im Wettstreit um Top-Arbeitnehmer habe Österreich oft das Nachsehen: „Für Chinesen ist Bildung ein großes Thema. Amerikanische Firmen suchen gezielt nach den besten Schulabgängern in China und zahlen ihnen ein Harvard-Studium. Wir haben zu wenig Top-Universitäten in Österreich.“ Dennoch überwog bei der Konferenz der Optimismus: „Wenn Sie einen Traum haben, dann kommen Sie“, meinte Caesar Wong von Deloitte China.

Lesen Sie am Dienstag: Wie sich heimische Firmen am asiatischen Markt behaupten

Der Standort Österreich ist mehr als „Sound of Music“: Daran arbeiten Walter Koren, Chef der „Außenwirtschaft Austria“ in der Bundeswirtschaftskammer, und „seine“ Wirtschaftsdelegierten an 115 Orten weltweit. Letztes Jahr wurden sie zur weltbesten „Trade Promotion Organisation“ gekürt.

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Zum vierten Mal organisierte man heuer die Österreich-China-Wirtschaftskonferenz „Austria Connect“. Hier geht es um Informationsaustausch und Netzwerken zwischen in China bereits tätigen Firmen und Vertretern österreichischer und chinesischer Institutionen sowie Newcomern in Asien. Von der Wirtschaftskammer werden sie beim Markteintritt unterstützt – oder dann, wenn es um „Troubleshooting“ geht.

Was China betrifft, gebe es große kulturelle Unterschiede zu überwinden, sagt Koren: anderes Rechtssystem, intransparente Regelungen, schwierige Sprache. „Aber wenn ich in China bin, spüre ich immer wieder aufs Neue die Dynamik. Das Land wird noch stärker werden. Es ist technologiehungrig und wird jetzt für Umweltprogramme viel Geld in die Hand nehmen.“ Trotz aller Kritik an der EU sei es gut, dass Österreich nicht Einzelkämpfer sei: Die Europäische Union habe auf dem Weltmarkt mehr Potenzial, als starker, fairer Partner wahrgenommen zu werden.

Dass bei den jetzigen Regierungsverhandlungen wieder einmal über eine Zusammenlegung der Parallelstrukturen von Botschaften und Wirtschaftsdelegierten gesprochen wurde, erschüttert Koren nicht. „Wir arbeiten täglich zusammen, klar gibt es auch Synergien.“

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