Wirtschaft

Chef darf Kranke in Firma zitieren

Im Krankenstand kann einem die Arbeit gleichgültig sein, sollte man meinen. Der Oberste Gerichtshof (OGH) sieht das anders: In dringenden Fällen müssen Mitarbeiter ihrem Chef zur Verfügung stehen, Krankenstand hin oder her.

Anlassfall war das Burn-out einer Anwaltssekretärin. Sie fühlte sich von ihrem neuen Chef schikaniert, litt zunehmend an Depression und Schlafstörungen und fiel schließlich für längere Zeit aus. Der Chef versuchte mehrfach vergeblich, die Sekretärin telefonisch zu erreichen. Sie ging nicht ans Handy. Also versuchte er es schriftlich und forderte sie auf, zu einem bestimmten Termin in die Kanzlei zu kommen.

Die Sekretärin suchte daraufhin Rat bei einer Psychiaterin. Diese attestierte ihr, aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage zu sein, mit ihrem Chef ein Gespräch zu führen. Aber der gab nicht auf und bestellte sie brieflich neuerlich in die Kanzlei: In einem 20-minütigen Gespräch seien Fragen zu einem Mandanten sowie zu internen Schulungsmaßnahmen zu klären. Die Sekretärin schrieb zurück, dass sie erscheinen werde, sobald sie wieder arbeitsfähig sei und schickte die ärztliche Bestätigung mit. Als die Sekretärin einen dritten Termin verstreichen ließ, sprach der Arbeitgeber die Entlassung aus.

Sie war zwar ungerechtfertigt, wie in dem von der Sekretärin angestrengten Prozess festgestellt wurde. Aber grundsätzlich darf der Arbeitgeber seinen Angestellten auch im Krankenstand anrufen, im Extremfall sogar in die Firma zitieren, jedenfalls aber zu bestimmten Leistungen bzw. Auskünften über das Geschäftliche verhalten.

Allerdings nur dann, wenn andernfalls ein wirtschaftlicher Schaden für den Betrieb eintreten würde, die Informationen nicht anders beschafft werden können und die Mitwirkung des Kranken seinen Genesungsprozess nicht beeinträchtigt.

Nicht tot stellen

Aus dem Krankenbett holen darf der Chef seinen Mitarbeiter nicht. Gegenüber dem Arbeitgeber tot stellen sollte man sich im Krankenstand aber auch nicht.

In diesem Fall war laut Urteil nicht nur das Erscheinen der Sekretärin in der Kanzlei, sondern jede Kontaktaufnahme mit dem Chef ihrer Gesundheit abträglich.

Arbeitsrechtler Hans Trenner von der Arbeiterkammer ist über das OGH-Urteil „nicht glücklich“ und befürchtet die Tendenz, in eine Diskussion über einen „Teilkrankenstand“ abzudriften. Jemandem, den die Situation am Arbeitsplatz krank gemacht hat, sei der Kontakt eben mit genau diesem Arbeitsplatz während der Arbeitsunfähigkeit nicht zumutbar.

Der AK-Jurist trennt hier zwischen körperlicher und psychischer Krankheit: „Der Lkw-Fahrer, der sich den Arm bricht und nicht weiterfahren kann, wird natürlich dafür sorgen, dass der Fahrzeugschlüssel irgendwie in die Firma kommt.“ Von der Einstellung: „Hinter mir die Sintflut“ rät Trenner im Krankenstand jedenfalls ab.

Laut ÖGB-Juristen René Schindler hängt es von der Position (und vom Gesundheitszustand) ab, ob es zumutbar ist, im Krankenstand ans (Dienst-)Handy zu gehen und ins Mail zu schauen.