Wirtschaft

Causa Begas: Anklage gegen Simandl & Co

Drei Jahre hat die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wegen mutmaßlicher Millionen-Malversationen beim früheren burgenländischen Gasversorger Begas, heuer Energie Burgenland, ermittelt, jetzt wurde eine 122 Seiten starke Anklage gegen sieben Beschuldigte eingebracht. Dem früheren Begas-Vorstandschef Rudolf Simandl und zwei Ex-Begas-Mitarbeitern wird Untreue, schwerer gewerbsmäßiger Betrug, Veruntreuung und Geschenkannahme durch leitende Angestellte eines öffentlichen Unternehmens vorgeworfen. Indes wird Ex-Begas-Vorstand Reinhard Schweifer und zwei weiteren Ex-Begas-Angestellten ausschließlich Untreue bzw. Beitragstäterschaft dazu vorgeworfen. Gegen einen siebten Verdächtigen wird lediglich der Vorwurf der falschen Aussage erhoben.

15 Jahre lang

Der Tatzeitraum, in dem die strafrechtlich relevanten Taten begangen worden sein sollen, wird mit 1997 bis 2012 angeführt. Die Strafdrohung beträgt bis zu zehn Jahre Haft. Der angeklagte Schaden wird mit mehr als vier Millionen Euro beziffert. Die Dem Vernehmen nach werden die Vorwürfe bestritten.

„Ich kann bestätigen, dass eine Anklage gegen sieben Personen beim Landesgericht Eisenstadt eingebracht worden ist“, sagt Oberstaatsanwalt Norbert Hauser von der WKStA zum KURIER. „Es waren sehr komplexe Ermittlungen. Teilbereiche wurden eingestellt, in anderen Teilbereichen wird weiter ermittelt.“

Die Details der Anklage

Im Mittelpunkt der Anklage steht der einst mächtige Begas-Chef Rudolf Simandl, der, glaubt man der Anklage, das Unternehmen wie eine Art Selbstbedienungsladen behandelt haben soll. Simandl wird vorgeworfen, rein private Rechnungen von der Begas bezahlen lassen zu haben bzw. Gelder von der Begas für private Zwecke verwendet zu haben. Der mutmaßliche Untreue-Schaden, der ihm vorgeworfen wird, beträgt rund 2,5 Millionen Euro.

Zugleich soll Simandl Verantwortliche von Begas-Tochterfirmen angewiesen haben, einen Generalunternehmervertrag im Zusammenhang mit der Errichtung des Biomasse-Kraftwerks Oberwart zu einem" um 1,2 Millionen Euro überhöhten Preis" abzuschließen. Auch soll er Zahlungen über Steuerberatungsleistungen veranlasst haben, wobei aber keine entsprechende Gegenleistung erbracht worden sein soll.

Außerdem soll Simandl eine jährliche Anpassung der Vorstands-Gehälter und der Bemessungsgrundlage für die Leistungsprämien veranlasst haben, obwohl das den tatsächlichen Regelungen in den Verträgen entgegenstand. Mutmaßlicher Schaden: rund 300.000 Euro. Auch soll sich Simandl im Zusammenhang mit der angestrebten Auslagerung seiner Pensionsansprüche, die mit steuerlichen Vorteilen begründet worden sein sollen, weitere 163.000 Euro angeeignet haben.

"Unrechtmäßige Bereicherung"

Dazu kommt, dass er sich über die Begas Gutscheine ausstellen lassen habe, die aber für private Zwecke verwendet worden sein sollen. Und im Zusammenhang mit der Errichtung von weiteren Biomassekraftwerken (Eisenstadt,Rechnitz, Siegendorf) soll der Ex-Begas-Boss den Beirat der Energiewerk GmbH und die Teilnehmer der Generalversammlung der Bioenergie Burgenland darüber getäuscht haben, in dem er ein vorliegendes Angebot als das beste darstellte, obwohl er sich vorzeitig bereits auf dieses Angebot bereits festlegt haben soll. Dabei soll er anstelle möglicher Rabatte „Provisionszahlungen“ vereinbart haben. Mutmaßlicher Schaden: 1,35 Millionen Euro.

Die WKStA wirft Simandl „eine unrechtmäßige Bereicherung“ in Höhe von 3,896 Millionen Euro vor. Da der Ex-Begas-Chef rund 1,558 Millionen Euro Schaden gutgemacht hat, fordert die Anklage - neben einer Haftstrafe - auch die Verurteilung Simandls zu einer Geldstrafe in Höhe von 2,337 Millionen Euro.

Rund drei Millionen Euro zurückgezahlt

Indes hat der Ex-Boss-Boss aber schon mehr Schäden wiedergutgemacht. „Herr Simandl hat etwa drei Millionen Euro zurückgezahlt“, bestätigt Anwalt Gerald Ganzger von der Kanzlei LPG, die die Energie Burgenland vertritt. „Bereits nach einer aktienrechtlichen Sonderprüfung 2012 hat er 500.000 Euro gezahlt.“ Rund 1,5 Mio. Euro hat Simandl nach einem Zivilprozess um die Pensionsrückforderung an die Energie Burgenland gezahlt. Außerdem hat er eine Versicherungsprovision (eine Mio. Euro) zurückerstattet. Weitere 600.000 Euro wurden für offene Ermittlungsfakten bei Gericht hintergelegt, die von der ersten Anklage noch nicht erfasst sind.

Warum werden Simandl von der Anklage Straftaten vorgeworfen, bei denen der Schaden beglichen ist? „Die vom Staatsanwalt vorgeworfenen Straftaten können durch eine Schadenswiedergutmachung nicht aus der Welt geschafft werden, sondern wirken sich nur strafmildernd auf das Urteil aus“, sagt Anwalt Ganzger. Anders ist es bei der sogenannten tätigen Reue: Wird der ganze Schaden wiedergutgemacht, bevor die Ermittlungsbehörden von der Tat Wind bekommen, geht der Täter straffrei aus. Die Regelung hat sich ein involvierter Kraftwerksbauer zunutze gemacht. Er hat rechtzeitig 1,3 Mio. Euro an die Energie Burgenland gezahlt. Das Verfahren gegen ihn wurde eingestellt.

Die Verteidigung

Laut Anklageschrift hat Simandl "in den Vernehmungen vor der Haftrichterin von seinem Recht Gebrauch gemacht, zur Sache nicht auszusagen." Simandls Verteidiger Roland Kier war bisher für den KURIER für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Laut seinem Kanzleipartner Professor Richard Soyer ist Kier derzeit auf Urlaub. In früheren Stellungnahmen wurden die Vorwürfe generell zurückgeweisen. Später hat Verteidiger Kier ins Feld geführt, dass er zu den Vorwürfen nichts sagen kann, weil er mit seinem Mandanten wegen dessen schlechten gesundheitlichen Zustands nicht darüber sprechen könne. "Uns wurde die Anklage noch nicht zugestellt, uns sind nur Einstellungserklärungen zu rund 20 Faktenkreisen zugestellt worden", sagt Soyer zum KURIER.

Die WKStA kann diese Aussage nicht nachvollziehen. "Wie in anderen Fällen auch sind die Angeklagten im Vorfeld über die Einbringung der Anklageschrift informiert worden", sagt WKStA-Sprecher Hauser zum KURIER. "Alle sind darüber in Kenntnis gesetzt worden."

Indes ist es im Fall Simandl fraglich, ob er überhaupt verhandlungsfähig ist. Aber das muss das zuständige Gericht bzw. ein vom Gericht bestellter medizinischer Sachverständiger klären.

Vorstandsverträge und Prämien

Indes wird Ex-Vorstand Schweifer vorgeworfen, dass er im Zusammenhang mit den mutmaßlich missbräuchlichen Anweisungen Simandls, die jährlichen der Vorstandsgehälter anzupassen und die Prämien auszuweiten, diese nicht rückgängig gemacht hat. Auch hätte er den Aufsichtsrat informieren müssen, was er aber nicht tat. Die Anklägerinnen fordern daher, dass Schweifer zusätzlich zur Zahlung von 118.500 Euro verurteilt wird, davon entfallen fast 80.000 Euro auf angeblich unzuläßige Gehaltserhöhungen und 39.000 Euro auf mutmaßlich überhöhte "Prämien". In dreizehn Punkten wurde das Verfahren gegen Schweifer eingestellt.

„Ich bin erleichtert, dass das Ermittlungsverfahren abgeschlossen ist und wir bis auf einen alle Verdachtsmomente schon im Ermittlungsverfahren ausräumen konnten“, sagt Ex-Begas-Vorstand Reinhard Schweifer, der von Anwalt Philipp Metlich vertreten wird, zum KURIER. „Ich bin überzeugt davon, dass ich diesen einen Vorwurf in der Hauptverhandlung entkräften kann.“

  • Laut Anklage soll Simandl in den Jahren 1997 bis 2000 in zumindest 71 Fällen private Bewirtungsspesen in Höhe von insgesamt 7000 der Bergas verrechnet haben bzw. die Refundierung der Ausgaben veranlasst haben.
  • Im April 1999 soll er die Bezahlung einer Scheinrechnung (Gärtnerei) über umgerechnet 4796 Euro veranlasst haben, das ihm dadurch eingeräumte Guthaben soll er für private Zwecke genutzt haben.
  • Außerdem soll er eine Begas-Gutschrift über 41.300 Euro an ein Möbelhaus ausstellen und auszahlen ließ., obwohl damit private Anschaffungen abgegolten worden sein sollen.
  • Im Jahr 2002 soll er einen Versicherungsmakler angewiesen haben, eine Provision in Höhe von 989.900 Euro für eine Begas-Veranlagung in Versicherungsprodukte auf ein Konto eines Ungarn zu überweisen, über das er in der Folge selbst verfügt haben soll.
  • Auch soll er im Apirl 2002 die Bezahlung (273.500 Euro) einer lediglich zum Schein beauftragten Studie über eine Anwaltskanzlei veranlasst haben, wobei der Betrag Simandl selbst zu Gute gekommen sein soll.
  • Im November 2003 soll er die "Bezahlung (91.000 Euro) einer gefälschten Scheinrechnung" an einen Ungarn veranlasst haben, wobei ihm der Rechnungsbetrag angeblich letztlich selbst zu Gute kam.
  • Von 2003 bis 2012 soll er die Bezahlung von 13 mutmaßlichen Gastro-Scheinrechnungen in einer Gesamt-Höhe von 60.600 Euro veranlasst haben und das damit "eingeräumte Guthaben" bei drei Gastwirten privat genutzt haben.
  • Im Wirtschaftsjahr 2005/06 soll er die Begas-Personalverrechnung entgegen der Regelung in den Vorstandsverträgen veranlasst haben, "die Bezüge der Vorstände jährlich im Ausmaß kollektivvertraglicher Gehaltserhöhungen anzupassen, wodurch 209.800 Euro zu viel Gehalt an ihn ausgezahlt" worden sein sollen. Zugleich soll er die Ausweitung der Bemessungsgrundlage für die Leistungsprämien veranlasst haben, wodurch weitere 88.900 Euro zu viel an ihn ausbezahlt worden sein sollen.
  • In den Jahren 2006 bis 2012 soll er in zumindest 137 Fällen private Bewirtungsspesen in Höhe von insgesamt 23.800 Euro mit der Firmenkreditkarte der Begas bezahlt haben.
  • Außerdem soll er Fachliteratur über Finanzmärkte um insgesamt 47.800 Euro mit der Begas-Firmenkreditkarte bezahlt haben, die angeblich "für seinen privaten Bedarf bestimmt war".
  • In rund 107 Fällen soll er sich die Refundierung oder Bezahlung von Verwaltungsstrafen (Verkehrsübertretungen) in Höhe von 8680 Euro durch die Begas angeordnet haben.
  • Von 2009 bis 2011 soll er einen Angestellten enes Reisebüros angewiesen haben, "für private Fernreisen insgesamt zehn fingierte Rechnungen (insgesamt 22.430 Euro) über Dienstreisen an die Begas auszustellen und diese mit der Firmenkreditkarte der Begas bezahlt haben.
  • Ende Juni 2009 soll er eine Mitarbeiterin angewiesen haben, eine nachträglich vorgeschriebene Lohnsteuer in Höhe von insgesamt 542.500 Euro von den Vorständen nicht mehr einzufordern. Begründung: angebliche Verjährung.
  • Im September 2010 soll er die Bezahlung einer Scheinrechnung, welche einen fingierten betrieblich Zweck auswies, durch die Begas Netz an eine Gärtnerei (30.000 Euro) angeordnet haben, das "dafür eingeräumte Guthaben" soll er für private Zwecke genützt haben.