Brigitte Ederers letzter Top-Job
Von Franz Jandrasits
Der vorzeitige Abgang von Brigitte Ederer, 57, aus dem Siemens-Konzernvorstand entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie: Die ehemalige SPÖ-Staatssekretärin, deren Abgang vom Aufsichtsrat am Mittwoch auch offiziell abgesegnet wurde, stolperte ausgerechnet über ihr schlechtes Verhältnis zur Belegschaftsvertretung. Mit der „Arbeitsdirektorin“ für rund 380.000 Beschäftige habe es – so die Vizevorsitzende des Gesamtbetriebsrats, Birgit Steinborn – „grundsätzliche Meinungsunterschiede gegeben, wie betriebliche Mitbestimmung in der Praxis gelebt werden soll“. Denn beim milliardenschweren Sparpaket, das Ederer im Auftrag des – ebenfalls vorzeitig abgelösten – Konzernchefs Peter Löscher aushandeln sollte, geriet sie mit den mächtigen Betriebsräten gewaltig in Konflikt. Und diese forderten dem Vernehmen nach als „Preis“ für die Zustimmung zur Abberufung Löschers auch den vorzeitigen Abgang der wenig geliebten Personalchefin.
Kleinerer Vorstand
Die der Aufsichtsrat am Mittwoch auch absegnete: Ederer geht „im Einvernehmen“ per Ende September. Für ihren noch bis Mitte 2015 laufenden Vertrag soll sie dem Vernehmen nach eine Abfertigung von fünf Millionen Euro bekommen. Ihre Funktion übernimmt Technik-Vorstand Klaus Helmrich. Damit – so das offizielle Argument – sollen Personal- und Technologiebelange enger miteinander verknüpft werden. Der wahre Grund dürfte allerdings die seit langem angekündigte Reduzierung des Zentralvorstandes von zehn auf maximal acht Mitglieder sein. Nach dem Abgang von Ederer und Kux (siehe Bericht darunter) sind es vorerst nur noch neun.
Mit der Ablöse Ederers kürte der Aufsichtsrat Ralf Thomas als Nachfolger des neuen Konzernchefs Joe Kaeser zum neuen Finanzchef. Und der Co-Chef des Software-Riesen SAP, Jim Snabe, folgt dem ehemaligen Deutsche-Bank-Boss Josef Ackermann als Vize-Chef im Aufsichtsrat. Ackermann hatte sich mit Aufsichtsratschef Gerhard Cromme einen handfesten Streit rund um die Ablöse von Löscher geliefert und letztendlich das Handtuch geworfen.
Ederers Abgang löst auch bei Siemens Österreich Veränderungen aus, die Österreich-Tochter des Konzerns braucht einen neuen Aufsichtsratschef. Einen Aufsichtsratsjob wird Ederer behalten: Sie bleibt bis Mitte 2016 Kontrollorin in der Staatsholding ÖIAG. Ob sie ihre Funktion als Obfrau des Fachverbandes Elektro/Elektronik in der Wirtschaftskammer demnächst abgibt, ist vorerst offen.
Rückkehr in die Politik?
Über die weitere Zukunft Ederers wird heftig spekuliert. Eine Rückkehr der ehemaligen Spitzenpolitikerin in die Politik gilt freilich als ausgeschlossen, sie dürfte dafür nicht mehr den ausreichenden Rückhalt in der Partei haben. Auch auf das Wiener Parkett – wo Ederer vor ihrem Wechsel zu Siemens bis 2001 den Job einer mächtigen Finanzstadträtin ausübte – dürfte sie kaum zurückkehren können.
Laut Insidern strebt die Top-Managerin das auch gar nicht an: Sie dürfte – wie sie einmal in einem KURIER-Gespräch formulierte – „als Frau ganz normal mit ungefähr 60 in Pension gehen“.
Brigitte Ederer ist nicht die einzige Frau, die bei Siemens geht. Barbara Kux (58), die 2008 als erste Frau überhaupt in die Führungsspitze des Elektronikriesen vorrückte und seither den Einkauf verantwortete, scheidet auf eigenen Wunsch Ende des Jahres aus. Der Siemens-Vorstand wird somit zur reinen Männerrunde.
Damit ist der Konzern nicht allein, immerhin 18 der 30 im deutschen Leitindex DAX notierten Börseunternehmen haben keine einzige Frau im höchsten Führungsgremium. Insgesamt gibt es 15 weibliche Vorstandsmitglieder, das entspricht einem Anteil von knapp acht Prozent. Nur bei der Deutschen Telekom und Lufthansa gibt es zwei weibliche Vorstände, Vorstandsvorsitzende gibt es überhaupt keine. Trotz großer Ankündigungen, die Frauenquote an der Spitze erhöhen zu wollen, steigt der Frauenanteil nur marginal.
In Österreichs Börsen-Unternehmen ist der Frauenanteil noch geringer. Laut AK-Erhebung sind von 214 Vorständen nur sieben Frauen. Das sind zwar um drei mehr als vor einem Jahr, entspricht aber einem Anteil von lediglich 3,3 Prozent.
Mit den Abgängen von Ederer und Ex-Siemens-Boss Peter Löscher schrumpft auch die Zahl der Österreicher in internationalen Top-Positionen. Fünf Manager sitzen noch in Vorständen deutscher Börsenkonzerne. Der gebürtige Linzer Banker Paul Achleitner kontrolliert als oberster Aufseher die Deutsche Bank, Wolfgang Mayrhuber schaffte es an die Spitze des Lufthansa-Aufsichtsrates und der Villacher Peter Brabeck-Letmathe ist Verwaltungsratspräsident von Nestlé. Wolfgang Prock-Schauer leitet seit Jahresbeginn die Air Berlin.