Wirtschaft

"Grottenschlechte Stimmung hilft"

Markus Koch gilt als der Börsenguru des deutschen Fernsehens. Der Wall-Street-Broker berichtete für n-tv ab 1996 live von der New Yorker Börse. Mittlerweile hat er eine eigene Firma, die Börsenberichte für TV- und Internetformate produziert. Koch lebt in der Nähe New Yorks und hat daher eine besondere Affinität zur US-Wirtschaft.

KURIER: Vor Kurzem wurden in der EU die Bankenstresstests veröffentlicht. Im Vorfeld gab es an den Börsen unter anderem aus diesem Grund Unsicherheiten. Sind diese nun nachhaltig ausgeräumt?

Markus Koch: Die Überraschungen sind ausgeblieben. Der Druck auf die Banken hat damit nachgelassen, die Aktien profitieren. Das Vertrauen in das europäische Bankensystem wird gestärkt. In Europa wurden aber leider nicht die schweren Geschütze aufgefahren, es hätten viel mehr Bankpleiten zugelassen werden müssen. In den USA waren es mehr als 500. Der Druck auf die Banken, Eigenkapital zu erhöhen, bleibt. Dass jetzt das Kreditwachstum bald steigen wird, bezweifle ich daher. In den USA hat es nach den Stresstests 2009 fünf Jahre gedauert.

Wie wird es mit der Weltwirtschaft weitergehen?

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Ich glaube, die Situation wird sich überraschend zum Positiven drehen, und zwar noch vor Jahresende. Unter anderem aus den Initiativen der Notenbanken, aber vor allem der niedrigere Ölpreis ist ein Rieseneffekt. Alleine Europa erspart sich dadurch 100 Milliarden Dollar in den nächsten zwölf Monaten, in China sind es 60 Milliarden. Laut Citigroup beträgt der Stimulus für die Weltwirtschaft 1,1 Billionen Dollar. Die OPEC selbst sagt, dass es noch Potenzial von 10 bis 15 Prozent nach unten gibt. Das wäre für die Weltkonjunktur wirklich klasse.

Was heißt das für Erdölförderländer, allen voran Russland?

Venezuela ist in der Tat der erste Staat, der kippen wird. Die brauchen einen Ölpreis von 120 Dollar je Barrel. Russland hat das Glück, mehr als 460 Milliarden Dollar an Währungsreserven zu besitzen. Die Russen können 18 bis 22 Monate problemlos diesen Ölpreis überleben.

Was bedeutet dieses Umfeld für die Anleger?

Wir befinden uns in den USA im viertgrößten Bullenmarkt der Geschichte. Der S&P 500-Index hat sich seit dem Tiefstand 2009 verdoppelt. Das bedeutet vor allem: Man hätte dabei sein müssen (lacht laut). Denn nur selten haben diese Phasen ein sechstes Lebensjahr erreicht. Im März oder April könnte es zu einer größeren Korrektur kommen. Bis dahin dürfte es aufwärts gehen.

Soll man jetzt noch investieren?

Wir befinden uns im letzten Drittel dieser Aufwärtsbewegung. Nach den Midterm-Elections werden wir einen schönen Schub nach oben bekommen. In den letzten 12 Fällen ging es jedes Mal sechs Monate lang aufwärts. Und zwar im Durchschnitt um 16 Prozent. Die anhaltend niedrige Inflation, robustes Wachstum und sehr gute Unternehmensergebnisse – 80 Prozent waren besser als erwartet – sprechen ebenfalls für einen weiter anziehenden US-Aktienmarkt.

Aber bei den Wahlen haben die Republikaner weiter dazugewonnen, das macht das Regieren nicht einfacher.

Aber es ändert sich doch nichts. Die Blockade hatten wir vorher und haben sie weiterhin.

Und wie geht es in Europa weiter?

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Europa spielt auch in den USA eine große Rolle. Daher ist ein Turnaround in Europa wichtig. Ich bin auf Europas Aktienmarkt sehr gut zu sprechen. Der sinkende Eurokurs hilft großen Konzernen bei den Exporten. Jeder Rückgang des Euro um zehn Prozent facht den Gewinn um fünf bis sechs Prozent an. Zudem hilft die grottenschlechte Stimmung. Nur 16 Prozent der Fondsmanager rechnen laut einer Umfrage mit einer Erholung in den nächsten zwölf Monaten. Im Vormonat waren es 45 Prozent. Das ist eine rapide Verschlechterung. Wo soll das noch hinsinken? Es kann nur eine positive Überraschung geben.

Summa summarum sind Sie bullish für Aktien?

Ja, wobei die Frage nicht lautet, soll man Aktien haben oder nicht. Sondern man muss sich die Frage stellen, wie viel Risiko kann man eingehen. Ich habe in meinem eigenen Portfolio meine Aktiengewichtung von 85 Prozent auf 45 Prozent reduziert. Wenn der Markt dann einbricht, kann ich damit bequem leben. Ich konzentriere mich auf zyklische Aktien, den Bankensektor und Energiewerte. Sie sollten in der Lage sein, durch eine erhöhte Produktion den schwachen Ölpreis aufzufangen.

Was halten Sie eigentlich von neuen Technologie-Aktien?

Man kann mit Momentum-Aktien, bei denen nur die Story dominiert, viel Geld gewinnen. Aber auch verlieren. Die Gewinner in einem solchen Markt sind selten die Erfinder einer neuen Technologie, sondern jene alten Konzerne, die adaptieren. Beispiel Auto: BMW hat das Vertriebsnetz und die Ressourcen. Der neue i8 schaut super aus und zielt auf die Kunden von Tesla ab. Da ist BMW langfristig vor Tesla zu sehen. Zudem ist die Tesla-Aktie schon viel zu teuer.

Und Alibaba?

Das ist für mich ein absolutes Phänomen. Die Hongkonger Börse hat Alibaba wegen ihrer Firmenstruktur abgelehnt. Die Wall Street hat sich wahrscheinlich gedacht, "super, 250 Millionen Gebühren, ja, machen wir". Die mussten das Börseprospekt ein oder zwei Mal wegen Interessenskonflikten adaptieren. Wer auf Sicherheit gehen will, sollte bei Aktien auf Dividendentitel setzen. Denn die Dividende wird oft unterschätzt. GM hat drei Prozent Rendite, Shell Royal Dutch fünf Prozent, selbst Apple hat fast 2,5 Prozent. Langfristig machen Dividenden 40 Prozent der Performance aus.

Und abseits von Aktien?

Von Anleihen würde ich die Finger lassen, mit Ausnahmen jener, die bereits im Bestand sind. Die niedrigen Zinsen sind in Euroland eine Herausforderung für die meist konservativen Anleger. Rohstoffe sind ebenfalls gelaufen, da habe ich mir mit Gold dieses Jahr selbst die Finger verbrannt.

Markus Koch: Ausgewandert mit 21

Markus Koch wurde 1971 in Deutschland geboren. 1990 endet sein erster Versuch, mit Aktien zu handeln, in der Pleite. Darauf geht er nach New York, wo er sich zunächst illegal aufhält und gratis für US-Broker Heiko Thieme tätig ist. 1994 gründet er seine Mediaagentur Wall Street Correspondents. 1999 übernimmt das Handelsblatt 25 Prozent der Anteile. Durch die Anschläge vom 11. September 2001 wird der Firmensitz beschädigt, zehn Angestellte müssen gehen. Koch baut das Unternehmen neu auf. Privat spielt er leidenschaftlich Jazz-Klavier und ist mit einer Amerikanerin verheiratet.

Markus Koch war auf Einladung von brokerjet, der Internet-Wertpapierhändler der Erste Bank, zu Gast in Wien. Bei einer Veranstaltung empfahl er Aktien-Interessierten, die nicht in Einzeltitel investieren wollen, den Kauf von ETFs (Exchange Traded Funds). Diese bilden fast exakt die Entwicklung eines Index nach (Aktien, Rohstoffe, usw.), das aktive Portfolio-Management entfällt. Dadurch sind ETFs günstiger als klassische Investmentfonds.

ETFs sind ein Markt für Kunden, die transparente Gebühren und schnell handelbare Produkte haben wollen“, sagt brokerjet-Vertriebsleiterin Beatrix Schlaffer. „In den USA sind ETFs sehr verbreitet, wir bemühen uns jetzt, sie auch in Österreich publiker zu machen.“

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Bei brokerjet werden erst sechs Prozent der Umsätze durch ETFs erwirtschaftet. Sie sind aber laut Schlaffer stark im Wachstum begriffen (51 Prozent sind Zertifikate, 40 Prozent Aktien, Rest Fonds inklusive ETFs).

Global hat sich das Volumen an Investments in ETFs in den vergangenen vier Jahren auf mehr als zwei Billionen Dollar verdoppelt. Insgesamt gibt es rund 3500 ETFs. Um den Kunden die Auswahl zu erleichtern, wird brokerjet per Newsletter monatlich fünf ETFs des größten Anbieters Black Rock vorstellen. Zudem sollen über die brokerjet-Academy ETFs präsenter gemacht werden.

Mit neuen Apps hat der Anbieter heuer die mobilen Zugriffe um 50 Prozent gesteigert. Brokerjet wurde Anfang September in die Erste Bank integriert. „Für die Kunden hat sich gar nichts geändert“, sagt Schlaffer. Von den 20.000 Kunden sind derzeit 12.000 aktiv.