Bernhard Felderer: „Wir brauchen die Reichen“
Von Christine Klafl
Die Reichen werden nicht erfreut sein, heißt es in den Werbespots der Klassenlotterie. Verärgert sind sie vielleicht, verunsichert aber in jedem Fall.
Nach den mehrmaligen Verschlechterungen bei der Besteuerung von Stiftungen in Österreich wird jetzt auch ganz offen über neue Steuern für Vermögende diskutiert. Dazu kommt, dass Vermögendere künftig beitragen sollen, wenn Banken pleite gehen – was einer teilweisen Enteignung gleichkommt. Bernhard Felderer, Ökonom und Chef des Staatsschuldenausschusses, kann sich über diese Entwicklungen nur noch wundern. „Wir brauchen Wachstum und Investitionen. Aber Investitionen können nicht aus der Luft kommen, die kommen von den Reichen“, sagt er.
Die Fakten dazu: 64 Prozent der Vermögen in Stiftungen entfallen auf Firmenbeteiligungen. 80 der 100 größten Unternehmen Österreichs sind zumindest teilweise im Eigentum von Privatstiftungen. Direkt und indirekt hängen rund 400.000 Arbeitsplätze dran.
Felderer zitiert in diesem Zusammenhang den früheren deutschen Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD): „Die Investitionen von heute sind die Arbeitsplätze von morgen.“ Das Geld für den Ausbau von Fabriken könne nicht vom Staat kommen, das komme von reichen Privaten. Dieses Geld fließe allerdings wegen der Verunsicherung der Vermögenden bei weitem nicht mehr so üppig wie früher. Nicht zuletzt deshalb, weil „ein ganzes Spektrum an Feindbildern aufgebaut wurde, neben den Banken auch die Reichen“, sagt Felderer.
Mehr Achtung
Der Ökonom fordert die Regierung unter Kanzler Werner Faymann auf, anders mit diesem Thema umzugehen: „Bei aller Vorstellung von sozialer Gerechtigkeit muss es doch auch Hochachtung für jene geben, die Arbeitsplätze schaffen.“ Von dieser Gruppe lebe Österreich schließlich. Dazu wäre auch eine Versicherung der Regierung nötig, dass festgelegte Spielregeln auch eingehalten werden (beispielsweise bei der Stiftungsbesteuerung) – und nicht, wie in jüngerer Vergangenheit, immer wieder gebrochen werden (siehe Beitrag unten). Einem Fußballer, der blendend verdient, werde auf die Schulter geklopft. „Aber der schafft keine Arbeitsplätze, ein Firmeneigentümer aber schon“, argumentiert der Ökonom.
Diskussionen um neue Reichensteuern finden nicht im luftleeren Raum statt, sondern werden auch im Ausland mit Argusaugen beobachtet. Bei einer Veranstaltung mit Investoren in New York „haben die alle gewusst, was wir mit unseren Stiftern gemacht haben und dass wir über Vermögenssteuern reden“, erzählt Felderer. „Wir schießen uns so gut es geht ständig Eigentore.“
Eine größere Steuerreform mit der Senkung von Lohn- und Einkommensteuern im mittleren Bereich sei zwar nötig, würde sich aber erst lohnen, wenn sie sechs Milliarden Euro schwer ist. „Das können wir uns jetzt nicht leisten. So eine Steuerreform ist im Moment zu gefährlich, weil wir unter der Beobachtung der Finanzmärkte stehen“, sagt der Chef des Staatsschuldenausschusses.
Seit der Schaffung der Privatstiftungen in Österreich sind 20 Jahre vergangen. Ziel des damaligen SPÖ-Finanzministers Ferdinand Lacina war es, den Abfluss österreichischen Vermögens in ausländische Stiftungen (in der Schweiz oder Liechtenstein) zu verhindern bzw. ausländisches Vermögen (etwa die Flick-Milliarden) nach Österreich zu holen. Was bis ins Jahr 2000 sehr gut gelang.
Die anhaltende politische Debatte über Reichensteuern, Vermögenssteuern oder die Wiedereinführung der Erbschaftssteuer habe zu einer enormen Verunsicherung unter den Vermögenden geführt, sagen Fachleute. „Wir erleben hier so etwas wie den Mausefallen-Effekt“, sagt Christoph Kraus, Generalsekretär im Stiftungsverband. „Zuerst sind die Reichen ins Land gelockt worden, dann schnappte die Falle zu, und jetzt werden sie geschröpft.“ Nach Schätzungen fiel das Vermögen in Privatstiftungen über die letzten Jahre von seinerzeit 80 auf nunmehr 70 Milliarden Euro.
Her mit dem Zaster
Der Aufbau eines Positiv-Images als Standort für Vermögende dauere einfach, da schadeten politische Querschüsse umso mehr. „Das ist wie mit dem englischen Rasen. Es dauert Jahre, bis man darauf Golf spielen kann“, sagt Kraus. Demgegenüber habe es mindestens 14 rechtliche Änderungen seit Einführung der Privatstiftungen 1993 gegeben. Dabei wäre konstante Rechtssicherheit oberstes Gebot in diesem Bereich. Immerhin steckt 64 Prozent des Gesamtvermögens der Privatstiftungen in Unternehmensbeteiligungen.