Wirtschaft

"Vermögenssteuern vor 300 Jahren zeitgemäß"

Beim Gespräch über Vermögenssteuern erlebt Wirtschaftsforscher Bernhard Felderer beinahe eine unfreiwillige "Umverteilung" am eigenen Leib. Im Wiener Café Prückel versucht ein eleganter Dieb, ihm die Geldtasche aus dem (überm Sessel hängenden) Sakko zu angeln, was die Interviewerin vereitelt. Den Herrn Professor stört das in seinem Redefluss nur kurz.

Felderer, Chef des Fiskalrates und früherer Chef des Instituts für Höhere Studien, ist Gegner der klassischen Vermögenssteuer. Tatsächlich wurde diese in den meisten Staaten abgeschafft (siehe Grafik). Der Fiskalrat hat sich aus dem früheren Staatsschuldenausschuss gebildet. Das Expertengremium analysiert die finanzpolitische Lage und gibt Empfehlungen ab.

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Eigentliche Vermögenssteuern sind rar – in der EU heben diese nur Frankreich und Spanien ein. Zählt man vermögensabhängige Abgaben dazu, liegt Österreich unter dem Durchschnitt: Nur eine Handvoll Länder verzichtet auf Erbschafts- und Schenkungssteuern, die Grundsteuer bringt in Österreich sehr wenig ein.

Interview

KURIER: Soll die Bankensteuer abgeschafft oder ausgesetzt werden, wie Nationalbank-Gouverneur Nowotny empfiehlt?

Bernhard Felderer: Dafür gibt es gute Gründe. Die Banken stehen nach der Krise von mehreren Seiten her stark unter Druck: von den Basel-III-Regeln, von der europäischen Bankenaufsicht und von den nationalen Bankenaufsichten. Mittlerweile müssen sie mehr als 10 Prozent Eigenkapital nachweisen. Die Bankensteuer ist eine Substanzsteuer – die Banken zahlen, egal, ob sie Gewinn oder Verlust machen.

Die mangelhafte Kapitalausstattung war aber einer der Gründe für die Finanzkrise.

Aber jetzt stehen die Banken mit dem Rücken zur Wand: Zu den vielen neuen Regeln werden sie auch durch dramatische Abschreibungen im Osten belastet – übrigens eine verzögerte Folge der Krise.

Und wie reagieren die Banken?

Mit extremer Risikoscheu, weil sie damit das Volumen der risikogewichteten Aktiva und damit das erforderliche Eigenkapital reduzieren. Da werden manche Kredite nicht vergeben, wo man nur die Hände über dem Kopf zusammenschlagen kann! Das von heimischen Banken im Ausland vergebene Kreditvolumen schrumpft und das in Österreich vergebene stagniert. In einem Land, in dem ein Großteil der Investitionen mit Fremdkapital finanziert wird, behindert dies den erhofften Aufschwung.

Und was halten Sie von einer Finanztransaktionssteuer? Sie scheint international gerade "umgebracht" zu werden.

Na hoffentlich! Das war keine kluge Idee und würde auf eine Verteuerung des Kapitals hinauslaufen. Das ist das Letzte, was wir brauchen.

Einigkeit unter allen Experten besteht darin, dass es bei der Lohnsteuer zu einer Entlastung kommen muss. Die Gewerkschaft kampagnisiert gerade für eine Vermögenssteuer.

Theoretisch ist das eine Option, aber ich glaube nicht, dass die mindestens vier Milliarden Euro, die aus meiner Sicht für eine Lohnsteuersenkung notwendig wären, herauskommen.

Was spricht gegen Vermögenssteuern?

Substanzsteuern waren vor 300 Jahren zeitgemäß, als man noch nicht genau Buch führte. Da wurde dann die Zahl der Fenster im Hof gezählt, die Felder oder das Stück Vieh. Die Bemessungsgrundlage war also die Substanz. Im 19. Jahrhundert ändert sich das, und spätestens seit den Achtziger- und Neunzigerjahren des 20. Jahrhunderts haben fast alle europäischen Staaten die Substanzsteuern ad acta gelegt. Man ist allgemein dazu übergegangen, den Ertragsfluss zu besteuern. Dadurch kann verhindert werden, dass ein Unternehmen, das keine Gewinne schreibt, zusätzlich belastet wird und Arbeitsplätze verloren gehen.

Diskutiert wird aber ohnehin, das Unternehmensvermögen nicht anzutasten.

Aber was passiert dann? Dann gründet der Herr Maier, der fünf Zinshäuser hat, eine "Property-Investment-Firma". Ich kann das nicht trennen. Auch Schweden meint, Vermögen sei Privatsache.

Der IKEA-Gründer ist dennoch in die Schweiz ausgewandert.

Weil die Einkommensbesteuerung dort niedriger ist.

Frankreich hat eine Vermögenssteuer.

Stimmt, aber sie bringt nur 0,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, das ergäbe bei uns rund 600 Millionen Euro. Frankreich besteuert das Land in Grund und Boden – und ist nicht gerade ein Erfolgsmodell. Sollen wir das wirklich kopieren?

Die SPÖ will Privatvermögen über einer Million € besteuern.

Man sitzt einer Illusion auf, wenn man glaubt, dass das zu mehr Gerechtigkeit führt: Die USA und Kanada haben hohe Vermögenssteuern, aber nicht mehr Gleichheit!

Dann gäbe es noch eine Erhöhung der Grundsteuer, die sich bei uns von einem niedrigen Einheitswert aus berechnet.

Stimmt, da liegen wir deutlich unter dem Schnitt, wobei man dazusagen muss, dass in den angelsächsischen Ländern in der Regel keine zusätzlichen Kommunalabgaben eingehoben werden. Würden wir diese dazurechnen, würde Österreich viel weiter oben in der Statistik liegen.

Politisch ist anzunehmen, dass Industrie und Landwirtschaft von höheren Grundsteuern ausgenommen sein werden.

Dann bleiben Immobilien. Das ist aber letztlich eine Massensteuer, weil sie natürlich irgendwann auf die Mieten überwälzt wird. Und wenn man ein Mietenstoppgesetz machen würde, gäbe es wieder "schwarze" Ablösen wie in früheren Zeiten.

Sollen Erbschaftssteuern wieder eingeführt werden?

Ich bleibe skeptisch, dass dadurch große Summen für eine Lohnsteuerreform hereinkommen.

Aber woher soll dann das Geld dafür kommen?

Zum Beispiel ist es falsch, dass der Bund Geld einnimmt und die Länder es ausgeben. Da gibt es keinen Sparanreiz. Bei Förderungen liegt Österreich innerhalb Europas mit insgesamt 16 Milliarden Euro im Spitzenfeld. Allein die Wohnbauförderung macht ein Prozent der Lohnsumme aus – über zwei Milliarden jährlich. Mittlerweile ist sie nicht einmal mehr zweckgebunden. Es gibt Einsparmöglichkeiten noch und noch.

Der verhinderte Kaffeehaus-Dieb ergriff übrigens die Flucht, bevor man ihn zur Rede stellen konnte.