Wirtschaft

Belegpflicht: Wirte in Wut

Franz Keinrath ist dort, wo die Musik spielt – bei Volksfesten, Kirtagen oder Adventmärkten. Dort baut er sein Tagada auf, sein Kinderkarussell oder seine Kinderbahn und kassiert per "Schürzeninkasso". Das wäre auch anders gar nicht möglich, sagt der Branchensprecher der Schausteller.

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"Wenn Sie bei Minus fünf Grad auf einem Christkindlmarkt stehen, bei der Kinderbahn kassieren, Wechselgeld rausgeben und Kinder anschnallen sollen, möchte ich wissen, mit welcher Hand Sie auch noch eine mobile Registrierkasse bedienen." Die Vorstellungen der Politiker ärgern ihn maßlos. Diese wollen, dass ambulante Schausteller – von Schießbuden- bis zu Luftburgenbesitzern – künftig Belege ausstellen und ihre Umsätze am Ende des Tages in eine Kasse eingeben.

Laut Keinrath ist das ohne zusätzliches Personal schlicht nicht machbar. Da sich aber kaum ein Kollege zusätzliche Mitarbeiter leisten könne, sieht Keinrath schon viele "das Hangerl werfen".

Aus für kalte Hände

Bisher sind Schausteller wie Keinrath unter die "Kalte-Hände-Regelung" gefallen. Unabhängig von der Umsatzhöhe galt für sie die Kassensturzregelung, das heißt, sie mussten nur morgens und abends schauen, wie viel sie im Börserl haben, und die Differenz als Umsatz ausweisen.Das soll sich ab 1. Jänner 2016 ändern. Dann gilt die Belegausstellungspflicht – zumindest für jene mit mehr als 30.000 Euro Jahresumsatz. Also für alle, meint Iris Thalbauer von der Wirtschaftskammer Österreich. "95 Prozent der Markthändler haben mehr als 30.000 Euro Jahresumsatz", sagt sie.

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Für Werner Leschanowsky, Gastwirt in Steyr, bringt die Registrierkassenpflicht – nach der Raucherregelung und Allergenverordnung – das Fass zum Überlaufen. "Ich habe drei Kellnerstationen im Lokal, bräuchte also drei Mal die Registrierkassen und dann stauen sich die Kellner vor den Kassen, statt sich um die Gäste zu kümmern." Abhilfe könnte nur ein gänzlich neues Schanksystem bringen – Kostenpunkt 50.000 Euro.

Ein Sonderfall ist der Gastgarten von Leschanowsky, der von einer eigenen Bar im Garten bedient wird und damit räumlich von der Betriebsstätte getrennt ist. Er ist bisher unter die Kalte-Hände-Regelung gefallen, was mit der neu eingezogenen Umsatzgrenze nicht möglich sein wird.

Wirte fühlen sich gegenüber den Veranstaltern von Vereinsfesten benachteiligt, weil diese ihnen zwar Gäste abziehen, aber weniger Auflagen haben. Bei den Registrierkassen stehe der Aufwand in keiner Relation zu den zusätzlichen Einnahmen des Staates. "Wer eine Rechnung nicht eintippen will, wird es auch künftig nicht tun", sagt ein Wirt.

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Nicht ärgern

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Es scheint, als würden sich alle über die Registrierkassenpflicht ärgern. Markus Zoglauer ist eine Ausnahme. Er ist Geschäftsführer von Etron, einer Firma, die in Österreich 2000 Händler mit Kassensystemen ausgestattet hat. Er schätzt, dass "mehr als 100.000 Betriebe investieren müssen". Mit den 400 Euro für eine neue Kassa sei es nicht getan. Zoglauer: "Sie brauchen ja nicht nur das Gerät, sondern auch ein Update und einen Techniker, der ihnen alles einstellt und erklärt." Unterm Strich koste das schnell 1000 Euro.

Aber auch Großkonzerne mit modernen Kassen müssen nachrüsten – dank des Registrierkassensicherungsprogramms (INSIKA), das dem Gesetzgeber vorschwebt. Konzerne laufen dagegen Sturm. Sie arbeiten mit internen Sicherungssystemen, auch um nicht von den eigenen Mitarbeitern betrogen zu werden. An der Finanz können sie so nichts vorbeischummeln.

Ein System wie INSIKA würde Firmen mit Hunderten Filialen keine Vorteile, aber Kosten in Millionenhöhe bringen, schimpfen Branchenvertreter.

Von Millionenumsätzen ist Daniel Jahn, Friseur in Wien, weit entfernt. Registrierkasse hatte er bisher keine und er versteht auch nicht, warum seine händisch geschriebenen Rechnungen künftig nicht mehr reichen. "Das ist wie eine Hexenjagd. Es wird getan, als würden wir kleinen Unternehmer Millionen auf Banken in Liechtenstein verschieben", ärgert er sich. Dennoch wird er die Kasse kaufen müssen. Jahn: "Obwohl so gut wie kein Kunde einen Beleg will."

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a, die Gastronomen müssen viel über sich ergehen lassen. Teure Umbauten wegen des Nichtraucherschutzes, eine fragwürdige Allergenverordnung und steigende Lohnkosten. Irgendwann reicht es. Die Registrierkassenpflicht ist jedoch das falsche Ventil für aufgestauten Ärger. Niemand behauptet, dass sämtliche Gastronomen schwindeln, die 900 Millionen erhofften Mehreinnahmen im Jahr sind wohl zu hoch angesetzt. Doch auch bei den Wirten gibt es wie überall schwarze Schafe, die es einzufangen gilt. Über griechische Steuersünder höhnen und selbst von laschen Gesetzen profitieren, ist unverschämt. In fast 20 Ländern Europas, darunter Griechenland, ist die Kasse mittlerweile Pflicht, warum also nicht auch in Österreich? Die Frage „Brauchen S’ a Rechnung?“ wird übrigens in der Gastronomie nie gestellt. Auf Scheinrechnungen wird die Steuer angegeben – somit zahlen Kunden für etwas, was der Staat nie erhält.
robert.kleedorfer@kurier.at

Nach dem Motto „Kleinvieh macht auch Mist“ werden jetzt also Steuerschlupflöcher bei Klein- und Kleinstbetriebe gestopft. Klar, die sind ja auch greifbar und können nicht einfach abwandern oder ihr Geschäft ins World Wide Web verlagern. Ganz im Gegensatz zu Global Playern wie Amazon, Apple, Google & Co., die den heimischen Händlern zwar das Wasser abgraben, für die Finanz aber nicht greifbar sind. Betriebsprüfung in Luxemburg oder Delaware? Viel Spaß. Ein automatischer Info-Austausch zwischen den Finanzbehörden bleibt Illusion, dafür ist die Steuervermeidungsindustrie viel zu mächtig.
Niemand zahlt gerne Steuern. Steuerehrlichkeit hat auch etwas mit Steuerfairness zu tun. Die Regierung tut gut daran, mit ihrem Fahndungsnetz nicht nur die Kleinen einzufangen, sondern auch die „großen Fische“ zu erwischen und so die jährliche Steuervermeidung in Milliardenhöhe zu bekämpfen.
anita.staudacher@kurier.at

Bis Ende Mai werden diese ausformuliert – und lobbyiertGeht es nach den Vorstellungen der Regierung, soll die Registrierkassenpflicht zusätzlich 900 Millionen Euro in die Staatskasse spülen. Wie genau die neuen Regeln im Detail ausschauen, wird noch bis Ende Mai ausformuliert.
Bisher konnten Betriebe mit weniger als 150.000 Euro Jahresumsatz dank Barbewegungsverordnung ihre Abrechnung mittels Kassensturz machen. Sie mussten also nicht jeden Umsatz einzeln auflisten.

Das soll sich für Betriebe mit mehr als 15.000 Euro Jahresumsatz per 1. Jänner 2016 ändern. Sie müssen für jedes Geschäft einen Beleg ausstellen – so wie beispielsweise in Italien schon längst üblich – und am Abend den Umsatz in eine Registrierkasse eintippen. Von dieser neuen Regelung sind auch Berufsgruppen wie Ärzte betroffen, wenn ihre Einnahmen die 15.000-Euro-Grenze übersteigen.

Umsatzgrenze

Die Kalte-Hände-Regelung für Berufsgruppen, die im Freien arbeiten (etwa Schausteller oder Marktstandler) bleibt bis zu einer Umsatzgrenze von netto 30.000 Euro im Jahr erhalten.
Mobile Gruppen, die nicht unter die Kalte-Hände-Regelung fallen – wie etwa mobile Friseure, Masseure, Hebammen, Schneider, Tierärzte – können ihre mobilen Umsätze mittels Paragon, also händischer Rechnung, aufzeichnen und im Nachhinein in der Registrierkasse am Betriebsort erfassen. Dieselbe Regelung soll auch für Handwerker gelten, heißt es dazu aus dem Finanzministerium.
Völlig ausgenommen von der neuen Registrierkassen-Regelung sind kleine Vereinsfeste. Bis zu welcher Grenze ein Fest als kleines Vereinsfest gilt, ist aber noch nicht geklärt.
Zudem sind Registrierkassen künftig mit einer technischen Sicherheitslösung gegen Manipulationsversuche zu schützen (Funktionsweise siehe Grafik). Dadurch soll verhindert werden, dass nicht alle Buchungen bei den Finanzbeamten landen.