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"Wetten, dass...?": Unglaublich viel Käse

Wir Österreicher sind ein schwieriges „Wetten, dass…“-Publikum. Dabei hat ein Österreicher, der gebürtige Linzer Frank Elstner, diese Show erfunden. Ja, der ist Österreicher. Hört man nicht, stimmt. Frank Elstner klingt so, als wäre Linz ein Vorort von Baden-Baden. Wir sind die noch widerspenstigere Quote als ihr Deutsche. Wenn Hermann Maier vorkommt, sind wir dabei. Wenn nicht, dann eben nicht. Insofern sind wir diesmal dabei, denn Udo Jürgens kommt. Ja, auch der ist Österreicher. Hört man auch nicht, stimmt. Udo Jürgens spricht so, als läge Kärnten westlich von Mecklenburg-Vorpommern. Übrigens gab es bei uns einen Politiker, der sprach Mecklenburg-Vorpommern so aus: Melkenburg Vorkommen.

Liebe deutsche Leser, Sie wissen schon: Wir Österreicher sind dieses lustige Land am südlichen Stadtrand von München. Wir fahren auf Ski zur Arbeit, sehen alle aus wie Hansi Hinterseers linker Moonboot und benehmen uns wie Larissa Marolt. Ansonsten betreiben wir ständig Schuhplattler, was keine orthopädische Krankheit ist, sondern ein Tanz, bei dem man sich gegenseitig auf den Popo haut.

Wir sind an sich eh wie ihr, nur sagen wir „Ich bin gesessen“ statt „Ich habe gesessen“ oder gar „Ich saß“. Sitzt ihr überhaupt irgendwann? Irgendwie sind wir doch gemütlicher: Wenn ihr lauft, gehen wir. Wenn ihr rennt, laufen wir. Rennen tun wir überhaupt nie, nicht einmal auf der Straße in Wien, die Rennweg heißt. Wir sind lustige Kampl. Kampl ist ein Kamm. Warum Kämme lustig sind, ist bisher nicht bekannt.

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Und damit sind wir in Düsseldorf, woMarkus Lanzum20.15 Uhrdie jüngste Ausgabe von „Wetten, dass…?“ eröffnete. Und zwar mit den überraschenden Worten: „Einen schönen guten Abend.“ Das Publikum spendet wilden Durchhalteapplaus. Und genau das zeigt, wie ernst die Lage ist.

Lanz beweist sofort, dass er ebenfalls lustig ist wie ein Kamm. Witze zum aktuellen Thema Doping gehen schief, das Thema ist wohl zu unangenehm. Es folgt ein Film mit Lanz in einem Bagger. Ohne Bagger ist diese Show offenbar nicht erlaubt.

Lanz macht einen guten Witz über den Berliner Flughafen. Es lacht trotzdem niemand. Offenbar glaubt niemand daran, dass Lanz eine gelungene Pointe setzen könnte. Auch das zeigt, wie ernst die Lage ist.

20.20 Uhr, noch 55 Minuten bis Udo Jürgens. Es gibt eine Stadtwette mit Faschingsprinzen, die durch „Kamelle“ aufgewogen werden müssen. Was bitte sind Kamelle? Wir Österreicher kennen dieses Wort nicht. Tiere mit Höckern, ein wenig falsch geschrieben? Wikipedia klärt auf: Kamelle heißen Kamellen, werden in Deutschland gegessen und sind, Gottseidank, Süßigkeiten.

20.22. Lanz zeigt ein Foto von zwei Pferden und sagt: „Da kriegt man richtig Appetit. Ich meine jetzt aber nicht Lasagne oder so.“ Die Stimmung in der Halle ist augenblicklich tiefgekühlt wie Fertiglasagne.

20.25. Eine Zauberwürfelwette wird angekündigt. Der Kandidat, ein Gedächtnistrainer namens Boris, wirkt übermotiviert, als betrachte er seinen Auftritt als Casting für Lanzens Nachfolge. Nach seinem Schwangere-Tochter-Witz muss man sagen: Das wird sich eher nicht ausgehen. Und zum ersten, aber nicht letzten Mal dauert diese Show zu lange.

Noch 50 Minuten bis Udo Jürgens.

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20.27.Joko und Klaas kommen. Klaas (oder ist es Joko? Ich kann die nicht unterscheiden. Also der mit ohne Brille) schenkt Lanz eine gepunktete Krawatte seines Opas. Und plötzlich steht die Frage im Raum: Warum? Das Publikum weiß es auch nicht, das Klatschen klingt ratlos.

20.32. Reden, reden, reden, Krawatte hier, Opa da … Die Show ist zum zweiten Mal zu lang. Aber alles kein Problem, solange kein öder Joko-und-Klaas-Trailer kommt … Ah, da ist er schon.

20.35. Sie reden immer noch. Vielleicht kriegen nach Lanz ja Joko und Klaas die Sendung. Dann dauert sie doppelt so lange, denn es sind ja zwei. Immer, wenn einer fertig ist, erzählt wieder der andere was.

Aber wir wollen nicht spotten über die Gäste. Bei uns in Österreich reden derzeit alle über den Besuch von Kim Kardashian in Wien. Nein, das ist kein armenischer Vierbobfahrer, vielleicht der dritte von vorne, sondern eine Frau, die dafür berühmt ist, dass ihr Popo berühmt ist. Zur Strafe muss sie mit Baumeister Richard Lugner auf den Opernball und dort vielleicht Schuhplattler tanzen.

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20.37. Eine Feuerwehrwette. Die Wette ist originell und witzig: Die Feuerwehrleute ziehen einen Feuerwehrwagen mithilfe Mundsaugkraft. Genau das hat diese Show einmal berühmt gemacht: Menschen, die etwas vollkommen Sinnloses, aber Spektakuläres können. Lanzens Daumenlutschwitz wird von allen Anwesenden angestrengt überhört.

20.49. Lanz schaut in die falsche Kamera und begrüßt eine in Österreich vollkommen unbekannte Dame namens Judith Rakers. (Dafür kennt man in Deutschland angeblich Roman Rafreider nicht, aber das kann ich nicht glauben.) Judith Rakers ist aus Ostwestfalen. Das gibt es? Gibt es auch ein Westostfalen? Judith Rakers verwendet den Begriff „erstes Mal“, was bei Joko und Klaas zu einem rätselhaften Heiterkeitsanfall führt. Kein schöner Anblick. Judith Rakers erzählt eine sehr lustige Nachrichtensprecheranekdote. Wenn sie nicht aufpasst, muss sie zur Strafe demnächst die Show übernehmen. Joko (oder Klaas? Der mit ohne Brille) wird von Rakers geneckt und reagiert erstaunlich uncharmant.

20.56. Wadenhaarwette. Zwei Fußballer erkennen Mannschaftskollegen an ausgerissenen Beinhaaren. Warum nicht, ist doch ein schönes Hobby!

Die Wette dauert und dauert. An der Wand der Dekoration hängt eine Studiouhr, welche die Uhrzeit 18.59 anzeigt. Ganz ehrlich: SO schlimm ist es auch wieder nicht. Die Wette wird übrigens gewonnen und wir lernen: Deutsche Fußballer haben nicht nur auf dem Kopf interessante Frisuren.

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21.15.Udo Jürgens ist da! Und wird von Markus Lanz als „irgendwie zeitlos“ bezeichnet. Sein Lied klingt wie „Aber bitte mit Sahne“, nur anders, der Text reimt „Ozean“ auf „jaja, der Mann“ und „Super-GAU“ auf „seine Frau“, ist aber trotzdem irgendwie völlig in Ordnung.

Lanz setzt sich zu Udo Jürgens ans Klavier, und sofort bekommt man Angst, aber es passiert außer der Frage „Ist das jetzt die beste Zeit deines Lebens, mit knapp 37“ lange nichts. Dann kann Lanz doch nicht widerstehen und spielt mit Jürgens dreihändig „Aber bitte mit Sahne“, und zwar gar nicht schlecht. Lustig: Udo Jürgens weiß im Refrain nicht weiter und ist ergo der einzige Mensch in ganz Deutschland, der diesen Text nicht kann.

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21.25, zehn Minuten seit Udo Jürgens. Der mit ohne Brille (Klaas) muss als Wettschuldeinlösung mit nacktem Oberkörper und Feuerwehrhelm auftreten, der mit Brille (Joko?) beginnt daraufhin, hysterische Quietschlaute zu emittieren, während der mit ohne Brille vor einer Flammenwand posiert und eine Axt ableckt. Eine völlig sinnlose, verstörende Szene.

21.31, 15 Minuten seit Udo Jürgens. Hilary Swank kommt und zeigt ausgiebig ihre 138 schneeweißen Zähne, eine Geste, die man mit gutem Willen auch als „Lächeln“ bezeichnen kann. Lanz spricht mit Swank, verwendet dabei aber die dritte Person, was überaus eigenartig wirkt. Das Gespräch läuft gut, auch, weil Swank einfach sehr, sehr nett und gescheit ist. In Lanzens Talkshow wäre das Interview vermutlich ein Highlight, hier wirkt es ein wenig deplatziert.

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21.36. 21 Minuten seit Udo Jürgens. Kinderwette. Ein aufgeweckter Junge namens Leandro taucht auf und bleibt cool und witzig, auch als Lanz ihm einreden will, Hilary Swank sei in ihn verliebt. Leandro zertanzt Luftballons mit dem Bauch, was weniger absurd aussieht, als es klingt. Er schafft es locker, und für einen kurzen Moment sind alle glücklich, und „Wetten, dass…?“ ist die schönste Sendung der Welt.

Schaltung zur Stadtwette. Unzählige, zum Teil deutlich unter dem Einfluss von Unterhaltungschemie stehende Menschen, werfen Kamellen aber auch andere Gegenstände wie Handys in einen Behälter. 21.53. Seit Udo Jürgens sind 36 Stunden und 17 Minuten vergangen. Glaube ich.

Ein mir vollkommen unbekannter Mensch namens Christian Rach erscheint. Ein Blick in den ORF-Teletext verrät: Rach ist „Publikumgsliebling“. Ein schöner Beruf, kann man den im zweiten Bildungsweg erlernen? Rach ist nett, das Gespräch dreht sich um vegane Wurst und um die Frage, ob Bier einen Bierbauch macht, und darum, ob Koriander wie Duschgel schmeckt (keine Ahnung, ich habe noch nie Duschgel gegessen, ich dusche mich ja auch nicht mit Butterbrot).

Dann sagt Rach einen sehr, sehr schönen Satz, der noch lange nachhallt:

„Unglaublich viel Käse wird in Deutschland produziert.“

Das Gespräch hat nun das geile Thema „deutscher Mozzarella“ entdeckt und dauert sehr lange. Als ich um viertel vor zwölf auf die Uhr schaue, ist es jedoch erst 22.01.

Jetzt kommt die vor Stunden angekündigte Würfelwette. Ein Gedächtnistrainer namens Boris will auswendig und blind einen verdrehten Zauberwürfel wieder richtig nach Farben ordnen und scheitert ganz knapp. Wie geht das? Und wie wird das behandelt?

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Pharrell Williams kommt und hat einen lustigen Hut auf. Lanz fragt Williams: „Weißt du eigentlich, wo du dich befindest?“ Williams sagt: „Sure, in Dusseldorf“ und weiß gar nicht, wie recht er hat. Williams singt, Leandro springt spontan zu ihm auf die Bühne und tanzt mit. Von allen Anwesenden stiehlt keiner Lanz die Show so nachdrücklich wie er. Williams wendet sich auf Englisch an Leandro, Lanz übersetzt, und zwar nicht ganz korrekt, und wird von Leandro sofort korrigiert: „Nein! Das haben Sie falsch übersetzt!“ Der krasseste Fall von Sendungsentführung, den ich seit langem gesehen habe.

22.37, viel zu lange seit Udo Jürgens. In einem Filmausschnitt von „Stromberg“ fällt der Satz: „Jeder hier in diesem Bums hat Spaß.“ Lanz ruft begeistert aus: „Das gilt auch für ,Wetten, dass…?‘.“ Christoph Maria Herbst kommt und ist ziemlich sarkastisch und komisch, was Lanz sichtlich verunsichert. Und in weiterer Folge auch das Saalpublikum. Herbst sagt zum Beispiel, seine Figur Stromberg zitierend: „Eine Frau ist ja nicht automatisch intelligenter, wenn sie Scheiße aussieht.“ Und die Leute wissen nicht, ob sie jetzt lachen dürfen. Ein sehr schöner Moment.

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22.35.Es erklingt das fürchterliche Lied „I Am From Austria“. Wo ist Udo Jürgens, wenn man ihn braucht? Das heißt nach der zwingenden Logik des Fernsehens, dass jetzt etwas Österreichisches kommt, und zwar der herrlich knorrige und einsilbige Vorarlberger Bergfex Konrad Kolb. Konrad sieht so aus, als könne er Schuhplatteln, wettet aber, dass er Hirschgeweihe erkennt. Das hab ich eingangs vergessen, zu erwähnen: Das machen wir Österreicher immer nach Betriebsschluss, wenn wir gesellig sein wollen.

So, jetzt aber rasch fertigwerden, der Bus wartet nicht. Adel Tawil singt und ist sympathisch wie immer. Was? Jetzt kommt noch eine Wette? Es sollte doch längst aus sein! Man fühlt sich an Autofahrten mit den Eltern erinnert: Wie lange dauert es noch? Und der Vater sagte immer: Noch eine halbe Stunde. Zehnmal hintereinander.

Die Wette – Bilder in 3 Meter 50 Höhe im Sprung annageln – ist überraschend spannend. Die beiden Burschen widmen die Wette, nahe an den Tränen, ihrer verstorbenen Oma. Lanz sagt: „So weit wie ihr oben wart, hat sie euch gesehen.“ Ein Witz wie ein Auffahrunfall.

Ich schalte vom ORF rüber zu ZDF und merke: ZDF hat zwei Sekunden Vorsprung. Das heißt, wenn ich ununterbrochen zwischen ORF und ZDF hin und her geschaltet hätte, hätte ich vielleicht eine ganze Stunde einsparen können. Die Erkenntnis kommt zu spät.

Die Stadtwette wird gewonnen bzw. verloren, das war irgendwie nicht klar.

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Die Bilderaufhänger werden Wettkönige.

Die Sendung ist aus. Sie war weder besonders gut noch besonders schlecht. Sie war harmlos, ganz nett und ein bisschen fad. Und jeder anwesende Gast wirkte als Moderator prickelnder als Markus Lanz, inklusive des Geweihs von Hirsch Pauli. Andererseits: Vielleicht ist das genau der Trick?

„Wetten, dass…?“ wird nie wieder aus dem Quotentief kommen, weil heute immer weniger Menschen bereit sind, so viel Lebenszeit für eine Samstagabendshow herzugeben. „Wetten, dass…?“ wird aber auch nicht eingestellt werden. Weil die gleichen Leute, die nicht mehr zuschauen, wissen wollen, dass sie zuschauen könnten. „Wetten, dass…?“ ist ein großes, nach der Eurovisionshymne klingende Echo der Jugend, und zwar der Generation Vierteltelefon, wie wir in Österreich sagen.

23.15, zwei Stunden seit Udo Jürgens. Es ist aus. Es wird noch unglaublich viel Käse in Deutschland produziert werden. Oder Kas in Österreich. Jetzt müssen wir nur noch durchhalten bis 2019. Dann ist Leandro 14 und kann die Show übernehmen.

Erstmals sahen in Deutschland weniger als 6 Millionen bei "Wetten, dass..?" zu. Durchschnittlich 5,85 Millionen Zuschauer wurden bei der Sendung aus Düsseldorf verzeichnet (19,3 Prozent Marktanteil).

Das Debüt von Markus Lanz im Oktober 2012, das ebenfalls in Düsseldorf stattfand, wollten noch 13,59 Millionen sehen. Aber spätestens, als die Quoten der Mallorca-Show im vergangenen Juni (6,75 Millionen) veröffentlicht wurden, war die Diskussion um die Zukunft der ZDF-Samstagabendshow wieder voll entbrannt. Jetzt also der Fall unter die 6-Millionen-Marke.

Auf ORFeins hatte "Wetten, dass..?" in Österreich durchschnittlich 634.000 Seher, was kein Negativrekord ist. Der Marktanteil von 25 Prozent liegt zumindest genau auf jener Marke, die ORF-Unterhaltungschef Edgar Böhm als wünschenswert genannt hatte.

Anfang Oktober sorgte KURIER-Autor Guido Tartarotti mit seinem satirischen Protokoll zur "Wetten, dass...?"-Show im gesamten deutschsprachigen Raum für Aufsehen: Der Text "Dagmar ist nackt da" wurde zigtausendfach angeklickt und geteilt.

Jetzt borgte sich die größte deutsche Tageszeitung, die Bild, den KURIER-Autor für eine Neuauflage aus. Guido Tartarottis Mitschrift der jüngsten "Wetten, dass..?"-Sendung erschien neben KURIER.at auch auf bild.de.