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Washington Post: Die Krise als letzte Chance

Oft ist die Krise ein Vorzeichen für die folgende Blüte: Als die bisherigen Eigner der Washington Post die Zeitung im Jahr 1933 erwarben, kauften sie einen Teil Konkursmasse. Die Zeitung sollte fortan Geschichte schreiben. Der Watergate Skandal, die Iran-Contra-Affäre und andere innen- wie außenpolitischen Bomben platzten im 20. Jahrhundert auf den Seiten der "Post", neben der New York Times lange Zeit eine der wenigen nationalen Zeitungen in den USA.

47 Pulitzerpreise später stand die Familie Graham, die als Haupteigner fungierte, schon fast wieder am Anfang: Die Auflagen sanken, die Gewinne schmolzen. Dass die Zeitung um fast läppische 250 Millionen Dollaran den Amazon-Gründer Jeff Bezos verkauftwird, war für die altehrwürdige Herausgeberfamilie wahrscheinlich die letzte Chance, heil aus dem Schlamassel herauszukommen. Zehn Jahre früher hätten sie noch 2,5 Milliarden für das ehemalige Flaggschiff kassiert.

Was treibt Bezos an?

Die Zeitungskrise in den USA (und zeitlich verzögert auch in Europa) marschiert also unaufhaltsam voran. Plötzlich investiert ein Internetmilliardär sein Privatvermögen in einen der "Walking Dead". Was Bezos antreibt, bleibt Spekulation, er kann sich die Zeitung aber leisten. Nur ein Prozent seines geschätzten Besitzes hat er dafür aufwenden müssen. Eines ist aber gewiss: Lange wird es die gedruckte Washington Post nicht mehr geben.

2010 lag deren Auflage unter der Woche noch bei 557.000, 2012 waren es nur mehr 480.000. Im ersten Halbjahr 2013 sank die Auflage noch einmal um sieben Prozent. Die Washington Post Company steckt in den tiefroten Zahlen: Der Gewinn brach 2012 um 56 Prozent ein. Zu diesen Zahlen äußerte sich der neue Eigner zwar nicht, ließ aber bereits im Vorjahr in einem in den vergangenen Stunden wieder viel gelesenen Interview mit der Berliner Zeitung wissen, dass er nicht mehr an gedruckte Medien glaube.

Was immer in den kommenden Monaten in Washington passiert, es könnte einmal mehr einen Sog am Markt erzeugen, der verzweifelt nach Auswegen aus dem erodierenden Nachrichtenkerngeschäft sucht. Kaum jemand nimmt an, dass der smarte Geschäftsmann Bezos hier ein bisschen mediengeschichtliche Nostalgie erstanden hat, um es als Zuschussbetrieb am Leben zu halten. Vielmehr dürfte er die Zeitung zu einem Internetunternehmen umkrempeln. Online hat die "Post" wachsende Zugriffe, aber magere Gewinne, eine Paywall hat noch nicht den gewünschten Effekt gebracht.

Neue Wege im Zeitungmachen

Der Amazon-Gründer hat naheliegenderweise auch den Tabletmarkt im Auge, den der Onlineriese als großer Player mitbetreibt. Der naheliegende Schluss: Der Internetriese verknüpft seine Infrastruktur mit dem Contentproduzenten Washington Post und beschreitet neue Wege im Zeitungmachen. Die soll künftig am Tablet gelesen werden. Bezos glaubt, dass die Geräte schon bald in mehrfacher Ausführung in den Haushalten herumliegen werden. Hier ließe sich also in naher Zukunft vielleicht doch noch Geld verdienen.

Mit den bisherigen Eignern tritt jedenfalls der alte amerikanische Zeitungsadel ab. Stets hatten die Grahams die publizistischen Standards hoch gehalten und sich auch in den Krisenjahren für den Ruf der "Post" als wichtigste Hauptstadtzeitung gekämpft. Dass sie sich zurückziehen, markiert ein Stück bitterer Resignation: Wir sehen im Journalismus beim besten Willen kein Geschäft mehr. New Economy bitte kommen.